Essen. Wieso wurden Täter so lange geschützt und Opfer im Stich gelassen? Das soll eine Missbrauchs-Studie im Auftrag des Bistums Essen erforschen.

Eine neue Studie zu sexuellem Missbrauch nimmt das Bistum Essen und seine Pfarreien in den Blick: Die Forscher wollen klären, warum in der katholischen Kirche so lange der Schutz der Institution und der Täter im Vordergrund standen. Die vom Ruhrbistum beim Münchener Institut für Praxisforschung und Projektberatung (IPP) in Auftrag gegebene Studie soll im Herbst 2022 vorgestellt werden.

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Besondere Erschütterung hatte im Bistum Essen etwa der Fall Peter H. ausgelöst, der schon als junger Kaplan in den 1970er Jahren in Bottrop kleine Jungen missbraucht hatte. Der Geistliche fiel zwar auf, wurde aber nach Essen versetzt und von dort 1980 weiter ins Erzbistum München. Jahrzehntelang sah die Kirche über die Taten des Priesters hinweg, versetzte ihn mehrfach, beschäftigte ihn weiter. Für Betroffene sei es wichtig, dass die Täter bestraft würden, sagt IPP-Geschäftsführerin Helga Dill. „Verantwortung in rechtlicher und moralischer Hinsicht haben aber auch diejenigen Verantwortungsträger im Bistum, die die Täter geschützt oder geschont haben.“

Spaltung der Gemeinden im Bistum Essen durch Missbrauchsfälle

Die Forscher wollen anhand von sechs Fällen die sozialen Beziehungen, Machtstrukturen und Prozesse beleuchten, die dazu führten, dass die Täter so lange gedeckt wurden. Sie haben dazu Personal- und Geheimakten aller beschuldigter Priester und anderer Kirchenbeschäftigter herangezogen. Zu den sechs ausgewählten Fällen führen sie Interviews mit Betroffenen, Zeitzeugen und Verantwortlichen im Bistum. Die Ergebnisse der sozialwissenschaftlichen Studie sollen auch helfen, sexualisierte Gewalt künftig besser zu verhindern, sagt Helga Dill.

Eine Besonderheit der Studie sei der „Blick auf die Pfarrgemeinden, in denen ein Missbrauchsverdacht oft zu einer Spaltung in Befürworter und Gegner des Verdächtigen führt“, erklärt die Wissenschaftlerin. Selbst wenn die Fälle lange zurücklägen, gebe es dort noch Verstrickungen bis in die Gegenwart: Etwa weil Gemeindemitglieder damals geschwiegen hätten, „weil sie den Täter geschätzt und damit wissentlich oder unwissentlich auch geschützt haben“.