Bottrop-Kirchhellen. Der Taufstein ist fertig restauriert. Nun ist die mittelalterliche Madonna dran. Ehemalige Schlosskapelle ist seit 550 Jahren Gemeindekirche.
Auch Kirchen und deren Ausstattung sind der Mode unterworfen. Da kann es passieren, dass manch echter oder vermeintlicher Schatz erst nach Jahrzehnten, manchmal nach Jahrhunderten, gehoben oder neu gewürdigt wird. Für die drei Kirchen der Pfarrei Kirchhellen ist nun eine komplette Inventarliste erstellt worden. „Wir wissen jetzt, was und in welchem Zustand in St. Johannes, der Heiligen Familie und in St. Mariä Himmelfahrt vorhanden ist“, sagt Pfarrer Christoph Potowski. Das sei nicht immer so gewesen. Vieles „verschwand“ im Laufe der Zeiten, wurde zerstört oder einfach - als aus der Mode gekommen - entsorgt.
Viele Schätze der Feldhauser Kirche sind nicht oder nur sehr selten zu sehen
In der kleinen Kirche in Feldhausen haben sich trotz Erweiterungen im 19. Jahrhundert, großer Schäden im Zweiten Weltkrieg, Wiederaufbau und Liturgieveränderung in den 60er und 70er-Jahren viele historische Ausstattungsstücke erhalten. Das wenigste ist ständig zu sehen. Manches wartet in Kisten oder im Tresor auf eine Restaurierung, anderes bräuchte dringend einen neuen - vielleicht sogar den alten - Platz, weil heute Denkmalschutz und Kunstgeschichte zum Beispiel die Bedeutung von Heiligenfiguren aus der Barockzeit, die kaum sichtbar an der Brüstung der Orgelempore „kauern“, neu bewerten und auch wertschätzen.
In einem ersten Schritt hat sich die Gemeinde entschlossen, den neugotischen Taufstein von Hilger Hertel dem Älteren (dessen Sohn baute die Bottroper Liebfrauenkirche) aus der neugotischen, später kriegszerstörten, Kirche restaurieren zu lassen. „Das Taufbecken ist deshalb wichtig, da von Hertel zwar viele Kirchenbauten erhalten sind, zum Beispiel die Marienbasilika in Kevelaer oder St. Joseph in Münster, aber kaum Innenausstattungen“, sagt Christoph Potowski und blickt auf das reich mit Blattwerk, Blüten und Früchten verzierte Taufbecken, das auf einer stämmigen Säule aus dem gleichen Stein ruht. „Fast alle Pflanzen konnten wir als biblisch identifizieren, sie lassen sich als Stellen der Heiligen Schrift zuordnen, Eichen aus Mamre, dem Wohnort Abrahams, Feigen und Datteln, aber auch die Rose oder Malve“, erzählt der Pfarrer. Die Säule selbst stehe für Christus, auf dem alles ruht.
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Der Stein wurde gereinigt, noch nicht behobene Kriegsschäden ausgebessert. Platziert wurde er links vom Chorraum, dass Taufgesellschaften sich auch um das Becken herum versammeln können, erklärt Potowski. Der Ort der Taufe als Beginn des christlichen Lebens wurde so gewissermaßen „aus der Ecke geholt“. Die Arbeiten führte ein Fachmann aus, der Kunsthistoriker und Restaurator Dr. Christoph Hellbrügge aus Ascheberg. Und natürlich trägt das Becken auch wieder die originale neugotische Abdeckung aus der Hertel-Werkstatt. Die mittlere vierstellige Summe für die Arbeiten sind in zwei Jahren von Gemeindemitgliedern gespendet worden.
Nächste Arbeiten führen direkt ins Mittelalter
Die nächsten anstehenden Arbeiten in Feldhausen führen direkt ins Mittelalter. Die gotische Madonna, die um 1300 entstanden ist, soll demnächst professionell gereinigt werden. „Die Kirche hatte von Anfang an ein Marien-Patrozinium, vielleicht ist Feldhausen sogar Wallfahrtsort gewesen“, vermutet Pfarrer Potowski. Und was das Marienbild angeht, weiß der Geistliche auch, dass es noch zwei geschnitzte Engelleuchter aus der Entstehungszeit der Figur gibt, die eigentlich in die Kirche zurück müssten. Dafür wäre in diesem Jahr der richtige Zeitpunkt, kann die Kirche doch auf 550 Jahre Gemeindenutzung zurückblicken. Im März 1473 hat nämlich der Erzbischof von Köln, wozu Feldhausen wie das gesamte Vest Recklinghausen bis 1803 gehörte, die Stiftung einer Vikarie durch Johann von der Beke und dessen Frau Elsa offiziell bestätigt. Von beiden stammen auch die berühmten spätgotischen Buntglasfenster (1485) im Chor der Kirche.
Das Feldhauser Kirchlein war nämlich zunächst Schlosskapelle und Begräbnisort für die adeligen Besitzer von Schloss Beck und dann erst Gemeindekirche. So erklärt Pfarrer Potowski auch weitere Ausstattungsstücke der Kirche, die sonst für eine „Dorfkirche“ sicher zu üppig gewesen wären. Ein goldenes Ziborium (Hostiengefäß) gestiftet von der nicht näher zu identifizierenden Nepomuk-Bruderschaft aus dem 18. Jahrhundert, eine Kreuzreliquie mit „Echtheitsurkunde“ von 1716 in einer Monstranz, die die letzten adeligen Bewohner des Schlosses, die Grafen von Wolff-Metternich, Ende des 19. Jahrhunderts stifteten. Sie waren Nachfahren der von der Wenges, die das heutige Barockschloss Beck erbauen ließen.
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An die Adelsfamilie Wenge erinnert ein kleines Ölgefäß in der Sakristei, das die Turmform des Wappens der Familie aufnimmt. Ferner verwahrt die Gemeinde auch rund 300 Jahre alte barocke Paramente, einen kompletten Satz liturgischer Gewänder aus blauer Seide mit reicher Silberstickerei. „Auch das deutet auf Stiftungen durch die Familien von Schloss Beck hin und nicht auf die Ausstattung einer Dorfkapelle“, so Potowski. Deren Grabplatten sind zum Teil im Chorraum der heutigen Kirche zu sehen. Von einem barocken Epitaph sind nur noch Reste der Stifterfiguren erhalten.
Links im Chor ist über der heutigen Sakristei übrigens hinter gotischem Maßwerk noch die alte „Adelsloge“ zu erkennen. Von dort nahm die Familie von Schloss Beck an der Messe teil. Die Gruft selbst wurde im Krieg zwar beschädigt, aber erst beim Wiederaufbau der Kirche endgültig zerstört, so der Pfarrer. Aus Sicht des Denkmalschutzes sicherlich eine von vielen Katastrophen.