Bottrop. Die Preise beim Tierarzt haben sich teils verdoppelt. Das sei ein Mitgrund, warum immer mehr Menschen ihre Tiere aussetzen, so Bottrops Tierheim.

Die Kosten für Tierbesitzer sind im vergangenen Jahr deutlich gestiegen: Der Preisrahmen für den Tierarztbesuch, der in der Gebührenordnung festgehalten ist, wurden erhöht. Zwar ist es der erste Anstieg seit 23 Jahren, dafür aber ein signifikanter.

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Für Haustierhalter und das durch Spenden finanzierte Bottroper Tierheim bedeuten diese Preiserhöhungen von teilweise 200 Prozent eine spürbare Belastung im Geldbeutel. Tierarzt Doktor Günter Korte hingegen merke in seiner Praxis in der Brauerstraße nahe der Innenstadt die Auswirkungen dieser neuen Gebührenordnung kaum.

Tierärzte dürften das Vierfache des Standardsatzes verlangen

„Dieses System, das auch bei Juristen oder Steuerberatern zum Einsatz kommt, wird vom Gesetzgeber bundesweit einheitlich vorgeschrieben“, so Korte. Diese Rahmenbedingungen geben neue Mindestsätze vor, die er beispielsweise für eine Standarduntersuchung – 23,62 Euro – nehmen müsse. Darüber hinaus wäre es nun theoretisch möglich, das Vierfache – vorher das Dreifache – dieses Satzes zu verlangen.

„Ich kenne niemanden, der das System bis in solche Preissegmente ausreizt. Allerdings bin ich beispielsweise nach 18 Uhr oder im Notdienst gesetzlich verpflichtet, die doppelte Gebühr zu berechnen“, so Korte. Zwar würden einige Haustierhalter nun erst einmal ein paar Tage warten, bevor sie den Tierarzt aufsuchen. Dass jemand einen Besuch ganz ausfallen lässt, um Geld zu sparen, wäre ihm neu.

Bottroper Tierheim: Tiere sind die eigentlichen Verlierer der Preiserhöhung

Hildegard Frank-Tüllmann, Vorsitzende der Tierfreunde Bottrop und Leiterin des Tierheims, sieht das Tierwohl durch diese Preiserhöhung gefährdet: „Nach dem Abflachen der Pandemie und durch die Wirtschaftskrise im letzten Jahr wurden in Bottrop besonders viele Tiere ausgesetzt oder bei uns abgegeben. Die neuen Preisstrukturen der Tierärzte dürften diesen Trend befeuern.“

Finanziell schwache Haushalte müssten sich ohnehin wegen der Kostenexplosionen der letzten Jahre fragen, wie sie monatlich genug Geld für ein Haustier zur Seite legen sollen. Da käme eine solche Neustrukturierung der Tierarztgebühren offensichtlich unpassend und verschlechtere so auch die Chance für ein Haustier, immer die notwendige medizinische Versorgung zu erhalten.

Gestiegene Tierarztpreise kosten das Bottroper Tierheim 55.000 Euro mehr im Jahr

Für das Tierheim selbst schaffe die neue Gebührenordnung voraussichtlich Mehrkosten von 55.000 Euro. „Bevor wir ein Tier aufnehmen, muss es erstmal durchgecheckt und geimpft werden. So verhindern wir, dass sich Krankheiten im Tierheim ausbreiten und, um das Tier gleich optimal pflegen und behandeln zu können“, so Frank-Tüllmann.

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Tierhalter, die ihre Schützlinge im Tierheim abgeben, würden aufgefordert, die Kosten für die ersten Impfungen und Untersuchungen selbst zu zahlen. Aus diesem Grund und weil sich manche schämen, ihr Tier im Heim abzugeben, würden Hunde einfach an Bushaltestellen angebunden und Kleintiere in Boxen vor dem Tierheim nachts abgestellt.

„Als wir einmal vier junge Katzen aufnehmen mussten, betrug die Tierarztrechnung knapp 3000 Euro. Die Katzen hatten Nierensteine, kaputte Kniescheiben und Blasenentzündungen“, so Frank-Tüllmann. Kosten in solchen Dimensionen seien zwar nicht die Regel, dennoch werde das Tierheim genauso zur Kasse gebeten, obgleich es die letzte Möglichkeit bildet, aufgegebenen Tieren noch ein Zuhause zu bieten.

Bottroper Hundehalterin: „Für meinen Hund zahle ich alles“

Hundehalterin Silvia Sabielny liebt ihren kleinen Hund Dolby über alles. „Wie alt der Hund genau ist und welche Rassen der kleine Mischling in sich vereint, weiß niemand so genau. Er gehört einfach mit zur Familie“, so die Servicekraft. Sie hatte den kleinen Vierbeiner vor vielen Jahren aus dem Tierheim adoptiert. Der ehemalige Straßenhund kommt ursprünglich von der Kanareninsel Lanzarote. „Einen Hund zu retten bedeutet auch, dass etwaige medizinische Probleme nicht bekannt sind. Deshalb haben wir immer etwas Geld für den Hund auf die Seite gelegt“, so Sabielny.

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Als der Hund plötzlich an einem Wochenende aufhörte zu fressen, sollte diese Rücklage zum Tragen kommen. Frau Sabielny habe ihren tierischen Begleiter zunächst in eine Notaufnahme für Tiere gebracht. Nur um den Hund dem Tierarzt vorstellen zu dürfen, habe sie bereits 50 Euro zahlen müssen. Weil die in der Notaufnahme empfohlenen Tabletten wirkungslos blieben, suchte sie in der folgenden Woche abermals einen Tierarzt auf.

Hundehalterin aus Bottrop zahlte 1000 Euro Tierarztkosten an einem Wochenende

„Mir wurde gesagt, dass dem Hund zwei kaputte Backenzähne gezogen werden müssten. Als ich den Hund nach der Operation abends abholen wollte, erhielt ich eine Rechnung in Höhe von 760 Euro“, so Silvia Sabielny. Denn ihrem haarigen Liebling wurden statt der angekündigten zwei Zähnen gleich 16 Stück gezogen. Der Tierarzt habe anschließend die Notwendigkeit der Operation verdeutlicht und Dolby geht es seitdem wieder besser. „Ich wüsste nicht, wie ich ohne diese Rücklagen die Operation hätte bezahlen können. Ohne Vorwarnung an einem Wochenende knapp 1000 Euro für den Tierarzt zu bezahlen, können sich die meisten Hundebesitzer nicht so einfach leisten“, so Sabielny.

Sie kenne auch Haustierhalter, die es sich zwei Mal überlegen, ob sie den Tierarzt überhaupt aufsuchen sollen. Unter diesen wirtschaftlichen Bedingungen seien es oft Haustiere, an denen zuerst gespart werde. Für sie habe sich diese Frage nicht gestellt, auch wenn eine solch enorme Rechnung den zweiköpfigen Haushalt durchaus belastet: „Für meinen Hund zahle ich alles, ohne Wenn und Aber.“