Bottrop. Hohe Inflation und steigende Preise Energiepreise lassen die Kunden sparen? Viele Bottroper Händler von hochwertigen Waren erleben das anders.
Drastisch gestiegene Energiepreise, hohe Inflation - das waren die Sorgen, die auch Bottroperinnen und Bottroper im vergangenen Jahr umtrieben und die auch 2023 nicht ad acta gelegt werden können. Da spart man doch bei bei den Dingen, die nicht unbedingt nötig sind, im Deko- oder Einrichtungssegment zum Beispiel, oder gern auch bei tatsächlich oft aber nur vermeintlich teureren Bio-Produkten im Lebensmittelbereich. Dass es in Bottrop einen dramatischen Einbruch im so genannten besseren und nachhaltigen Handel gegeben, lässt sich auch schlaglichtartig nicht feststellen.
Umsatz während Corona stark gestiegen - Auch im Krisenjahr liegt er höher als 2019
Vor allem das Weihnachtsgeschäft sei gut, vielleicht sogar überraschend gut, gelaufen, ist aus den beiden Bio-Supermärkten Bukes in der Innenstadt und Spickermann in Kirchhellen zu vernehmen. Sicher, es gab 2022 unter dem Strich weniger Kunden. Bernadette Müting-Spickermann spricht da von einem niedrigen zweistelligen Prozentbereich. Aber andersherum hätten Kundinnen und Kunden teilweise sogar mehr gekauft. Das vergangene Jahr sei immer auch vor dem Hintergrund der sehr guten Bilanz der Corona-Jahre 2020 und 2021 zu sehen mit seinen überdurchschnittlichen Umsatzzuwächsen vor allem auch im Lebensmittelbereich. Die Inhaberin betont: „Wir sind auch im schwierigeren Jahr 2022 nicht unter das Niveau des letzten Vor-Corona-Jahres 2019 gerutscht.“
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Das bestätigt auch Karin Bukes, Inhaberin von Bio Bukes in der Innenstadt. „2022 lief besser als 2019 und nach dem Knick im letzten Sommer und Herbst, wo es tatsächlich Rückgänge gab, lief das Weihnachtsgeschäft jetzt sehr gut“, so die Geschäftsfrau. Das treffe aktuell auch auf die Woche nach den Feiertagen und die erste Januarwoche zu. Die Stammkundschaft bleibe weiter treu, auch eine Feriendelle kann sie bisher nicht feststellen. Ob das an einer gefühlten Entspannung bei den Energiepreisen oder der leiht sinkenden Inflation liegt, vermag sie nicht zu sagen. „Es könnte damit zu tun haben.“ Von reduzierten Öffnungszeiten oder sogar einem Schließtag, um Energie zu sparen, wollen weder Karin Bukes noch Bernadette Müting-Spickermann etwas wissen.
Schließtage in der City kontraproduktiv - Händler fordert einheitlichere Öffnungszeiten
Beides wäre kontraproduktiv. „Das würde etwas an Personalkosten sparen, Energie aber kaum und ein Schließtag im Lebensmittelbereich ist nicht der richtige Weg, die Leute wollen die Produkte ja täglich kaufen“, so Karin Bukes. In Kirchhellens Bio-Supermarkt sieht man das genauso. Und von reduzierten Öffnungszeiten will Bernadette Müting-Spickermann gar nichts wissen: „Wir haben hier im Dorf ohnehin schon einen kundenunfreundlichen Mix von unterschiedlichster Öffnungszeiten, einer macht montags, einer dienstags dicht, manche mittwochnachmittags, andere wieder nicht, das mögen Kundinnen gar nicht“, so Müting-Spickermann.
Mythos: Bio-Produkte sind nicht generell teurer - Preise gleichen sich inzwischen an
Dann räumt die Kirchhellenerin sogleich etwas mit dem Mythos auf, Bioware sei immer viel teurer. „Im Augenblick sehen wir sogar eher eine Angleichung bei den Preisen verglichen mit konventionell erzeugter und weit transportierter Ware“, weiß die Händlerin. „Bei vielen unserer Erzeuger fallen zum Teil erheblich weniger gerade sehr teure Düngemittel an, vieles wird regional vermarktet, was weniger Transportkosten verursacht.“ Wer etwas hinschaue, entdecke, dass manchmal Biobutter sogar günstiger sein könne, als bestimmte konventionelle Produkte.
Ganz andere Töne aus einem ganz anderen Bereich: „Krise? Davon habe ich nichts mitbekommen“, sagt Thomas Albrecht, der seit zwei Jahren seinen Concept Store AK1 mit hochwertigen individuellen Einrichtungsgegenständen, Mode oder Kunst an der Adolf-Kolping-Straße Ecke Poststraße in der City betreibt. Erst kürzlich hat er seinen (ursprünglich geförderten) Mietvertrag um fünf Jahre verlängert. Das Jahr, aber auch das Weihnachtsgeschäft sei „super“ gelaufen. Die anfangs vorsichtig kalkulierten Öffnungszeiten habe er inzwischen „auf täglich erweitert“. Der Montag zum Beispiel laufe bei ihm richtig gut. „Wenn das Café Kram dann auch aufhätte, mit dem wir eine tolle Kooperation haben, wäre das sicher noch besser.“ Speziell in der Innenstadt erwarte die Kundschaft ein verlässliches Angebot, immer individuellere Öffnungszeiten seien da ganz schlecht.
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Das sieht Bio-Metzger-Inhaber Uli Scharun mit seinen Läden in Kirchhellen und der City nicht ganz so. Der geschlossene Montag an der Poststraße ist bei ihm noch nicht „vom Tisch“. Einmal sei das dort der schwächste Verkaufstag. Und: Von bis zu 20 Prozent Energieersparnis spricht er da plus weniger Personalkosten. Das sei ohnehin immer schwerer zu bekommen, vor allem in puncto Qualifizierung. „Natürlich, das Weihnachtsgeschäft war gut, das ist immer eine Ausnahme, aber neue Sparsamkeit und verändertes Kaufverhalten auch bei manchen Stammkunden spüren wir schon“, so Scharun. Die würden älter, brauchten einfach weniger. „Und neue Kunden zu gewinnen ist schwierig.“ Ein wenig setzt er da auf die Onlineplattform „Wochenmarkt 24“, der die Scharun-Brüder kürzlich beigetreten sind mit Blick auf jüngere Leute. Das müsse sich aber erst entwickeln. Sein Fazit für 2022: „Wir müssten 20 Prozent mehr Umsatz machen als vor Corona, um höhere Personal- und Warenkosten aufzufangen.“
Die Kundschaft sucht anscheinend das Spezielle und Besondere
Personalprobleme hat Michelle Apfel mit ihrem noch neuen Modeatelier MA an der Gladbecker Straße nicht. Bislang arbeitet die Schneidein als „Ein-Frau-Betrieb“ und stellt handgemachte Mode her. Das Weihnachtsgeschäft sei vor allem bei individuell angefertigter Kleidung recht gut gelaufen. „Manchmal kam ich mit der Produktion kaum nach“, so die Schneiderin, die ihren Laden auch täglich - bis auf mittwochnachmittags - geöffnet hält, obwohl auch ihr Onlinehandel gut läuft. Die Kundschaft möchte - ähnlich wie bei Thomas Albrechts Concept Store - in erster Linie das Spezielle, Besondere. Und sie mag Bottrop. Dafür fährt sie gerne aus ihrem Heimatort Geldern ins Ruhrgebiet.