Bottrop. Fast 1700 Menschen sind in diesem Jahr nach Bottrop geflüchtet – mehr als 2015. So hoch sind die Anstrengungen, sie in Unterkünfte zu bringen.

Das Jahr 2015 stand ganz im Zeichen der Flüchtlingswelle, als über eine Million Menschen nach Deutschland strömte, der Begriff der Willkommenskultur ebenso geprägt wurde wie der der Flüchtlingskrise, gefolgt von so mancher Ernüchterung ob fehlender Integrationsmöglichkeiten. In diesem Jahr scheint das Thema weniger präsent, das Wort Krise wird seltener in den Mund genommen, dabei trifft die Summe der Menschen, die nach Deutschland fliehen, das Land und die Kommunen deutlich stärker als vor sieben Jahren. In Bottrop ist die Zahl der Flüchtlinge, die hier ein vorübergehendes Zuhause suchen, längst höher als 2015.

1660 Geflüchtete sind in diesem Jahr nach Bottrop gekommen, wöchentlich kommen 40 weitere hinzu. „Wir haben massiv damit zu kämpfen, die Personen bei uns unterzukriegen“, sagt Sozialdezernentin Karen Alexius-Eifert. Und die Stadt erfüllt immer noch nicht ihre Aufnahmeverpflichtung gegenüber dem Land, mindestens 227 Personen werden Bottrop noch zugewiesen werden. „Das sind drei weitere Containerdörfer“, macht Sozialamtsleiter Sascha Borowiak die Größenordnung klar.

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2015 hatte Bottrop insgesamt knapp 1500 Flüchtlinge aufgenommen. Zwischen August 2014 und Januar 2016 hatte Bottrop so viele Unterbringungsplätze geschaffen wie in diesem Jahr von März bis jetzt. Die Kapazitäten wurden von 350 zu Beginn des Krieges auf jetzt 1050 aufgestockt.

1000 Menschen aus der Ukraine sind bislang nach Bottrop gekommen

Wenngleich Ukrainerinnen die größte Zahl der Geflüchteten ausmachen – rund 1000 leben aktuell in Bottrop – kommen weiterhin viele Menschen anderer Nationalitäten, aus Syrien, Afghanistan, Iran, Irak. Das Sozialamt muss immer weitere Unterkünfte akquirieren, will „vor der Lage sein“, wie Karen Alexius-Eifert sagt.

Zuletzt hatte es sich vom Sozialausschuss das Okay für die Unterbringung von insgesamt 130 Personen im katholischen Stadthaus und über den Winter auf dem Bauernhof Umberg geholt, erst wenige Tage, nachdem Sozialamtsleiter Sascha Borowiak über die neuen Unterkünfte auf dem Gelände der früheren Overbergschule an der Tannenstraße und auf dem Bolzplatz am Wildenhoff informiert hatte.

Maxime, keine Flüchtlinge in Turnhallen unterzubringen

Im Gespräch mit der Sozialdezernentin und dem Sozialamtsleiter wird deutlich, wie aufwendig das Einrichten von Flüchtlingsunterkünften ist. Unterbringungsmöglichkeiten wie das katholische Stadthaus oder die geplante Unterkunft an Schacht zehn sind da deutlich von Vorteil, weil eine Infrastruktur vorhanden ist.

Sozialdezernentin Karen Alexius-Eifert und Sozialamtsleiter Sascha Borowiak bei einer Infoveranstaltung zur Unterbringung von Flüchtlingen in der Körnerschule.
Sozialdezernentin Karen Alexius-Eifert und Sozialamtsleiter Sascha Borowiak bei einer Infoveranstaltung zur Unterbringung von Flüchtlingen in der Körnerschule. © FUNKE Foto Services | Thomas Gödde

Blickt man da hingegen beispielsweise auf den Kirchhellener Tollstock, wo Container auf einem Bolzplatz stehen, ist der Aufwand ungleich größer: Strom, Wasser, Internet, überhaupt nur ein gerader Boden, auf dem Container stehen können – alles muss herangeschafft beziehungsweise hergestellt werden.

Aus diesem Grund sei es naheliegend, einen Blick auf Turnhallen zu werfen. „Aber es bleibt die Maxime, das mit aller Kraft zu vermeiden“, sagt Sascha Borowiak, und auch Karen Alexius-Eifert, die immer betont hatte, dass keine Flüchtlinge in Turnhallen untergebracht werden sollen, sagt: „Es ist die Herausforderung, das weiter ausschließen zu können.“

Bottroper Sozialdezernentin fordert mehr Unterstützung vom Land

Dabei fordert die Sozialdezernentin mehr Unterstützung vom Land Nordrhein-Westfalen. Das hatte 2015 rund 80.000 Unterbringungsplätze für Flüchtlinge errichtet, nun wolle das Land 40.000 Plätze schaffen, nur die Hälfte also. „Und das in einer Situation, die wesentlich dramatischer ist als 2015“, sagt Karen Alexius-Eifert. Die Geflüchteten kommen nun viel schneller in die Kommunen, bei denen der Druck liegt, sie unterzubringen.

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Aktuell ist die Stadt auf einem guten Weg, plant vorausschauend Unterbringungsmöglichkeiten, scheint, wenn auch mit viel Kraftanstrengung, dem Zustrom Herr zu werden. Doch natürlich binden diese Mühen Kapazitäten, die andernorts fehlen. Nicht jeder könne aktuell so intensiv vom Sozialamt beraten werden, wie das gewünscht ist.

Kaum Wohnraum in Bottrop – Markt ist leer gefegt

Flüchtlinge in Arbeit zu bringen, ihnen privaten Wohnraum zu vermitteln – all diese zeitaufwendige, kleinteilige Beratung sei derzeit kaum möglich. „Das können die Kollegen und Kolleginnen im Moment gar nicht leisten“, sagt Karen Alexius-Eifert. Hinzu kommt, dass der Bottroper Wohnungsmarkt praktisch leer gefegt ist, da auch keine neuen Angebote mehr von Privatleuten reinkommen.

„Wir müssen schon damit rechnen, dass wir Menschen so unterbringen, dass sie durchaus eine Zeit dort leben können, weil wahrscheinlich werden sie es müssen“, sagt die Sozialdezernentin. „Ich sehe nicht, dass diese ganzen Menschen von heute auf morgen in Wohnungen kommen.“ Die Ukrainerinnen hatten anfangs gehofft, sehr schnell in ihre Heimat zurückkehren zu können. Zehn Monate nach Kriegsbeginn ist ein Ende aber noch immer nicht absehbar.