Bottrop. Hintergrund war eine islamische Hochzeit mit einer 16-Jährigen, dann überfielen mindestens 30 Männer ihre Familie. Nun ist ein Urteil gefallen.

Nach einem Überfall einer mindestens 30-köpfigen Gruppe auf eine Familie in Bottrop-Boy mit einem Verletzten muss ein 22 Jahre alter Angeklagter als zentrale Figur des Geschehens Geldauflage nach Jugendstrafrecht zahlen. Hintergrund des gewaltsamen Streites vom August 2020 auf der Horster Straße war eine heimliche „islamische Hochzeit“ des Angeklagten mit einer damals 16 Jahre alten Jugendlichen aus der Bottroper Familie.

Eine gerichtliche, erzieherische Maßnahme gegen ihn wäre mehr als zwei Jahre nach dem Geschehen wirkungslos, sagte der zuständige Richter im Amtsgericht Wuppertal und stellte fest: „Wenn man das damals gleich hätte verhandeln können, hätte das drei oder vier Wochen Dauerarrest gegeben.“ So bleibe es bei 300 Euro, die der Angeklagte an einen gemeinnützigen Verein zahlen muss. Den Betrag hatte die Staatsanwältin sichtlich frustriert über die fehlenden, rechtlichen Möglichkeiten beantragt.

Überfall auf Familie in Bottrop: Sieben Autos mit Unterstützern des Angeklagten

Den inzwischen übereinstimmenden Aussagen zufolge waren bei dem abendlichen Überfall mindestens sieben Autos mit Unterstützenden des Angeklagten an der Adresse der Geschädigten vorgefahren. Eine Ladeninhaberin berichtete, sie habe gesehen, wie zwischen der Straße und einer Wohnung oberhalb ihres Geschäfts Gegenstände hin und her geworfen wurden.

Als ein älterer Angehöriger der bedrängten Familie vor der Tür erschien, wurde er angegriffen. Laut früherer Angaben soll der Angeklagte dabei mit einem Hockey-Schläger und einem Schlagring zugeschlagen haben. Der Verletzte sagte im Gericht aus, er könne sich daran nicht erinnern: Er sei ohnmächtig geworden. Später im Krankenhaus hätten Ärzte einen Rippenbruch festgestellt, von dem er acht Monate Beschwerden gehabt habe.

Vor das Haus gegangen sei er, um das Gespräch mit der auswärtigen Gruppe zu suchen. Zeugen hatten die Polizei gerufen. Die Beamten sollen fünf Minuten gebraucht haben, bis sie die Lage beruhigt hatten. Einer der Bottroper soll seinen Gegnern zugerufen haben: „Wir sind hier doch nicht in Syrien oder im Libanon!“

Urteil gegen 22-Jährigen ist das erste in einer Reihe von Prozessen

Zu dem Angriff laufen jeweils eigene Strafverfahren gegen eine Vielzahl von Beschuldigten; das Urteil gegen den 22-Jährigen ist das erste aus der Reihe der Prozesse. Die Ermittlungen führte die Staatsanwaltschaft Essen. Für den Angeklagten war das Wuppertaler Gericht zuständig, weil er dort lebt. Die Beteiligten sind sämtlich miteinander verwandt; die meisten sind Deutsche mit arabischem Hintergrund. Ältere Familienmitglieder erhielten die Gerichtsverhandlung bei ihren Zeugenaussagen ins Türkische gedolmetscht.

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Laut ihren Aussagen hatte der 22-Jährige die jüngere Jugendliche heimlich geheiratet. Ihr Vater sei wegen ihres Alters dagegen gewesen. Die Familie habe die Verbindung akzeptiert, weil das Paar sich geliebt habe. Erneut Spannungen seien entstanden, nachdem die Jugendliche klagte, der Angeklagte würde sie schlagen. Sie soll vorübergehend zu ihren Eltern zurückgekehrt sein, sei dann aber wieder zu ihm gegangen.

Auslöser für die Fahrt in die Boy soll ein Auftritt zweier Männer aus der Bottroper Gruppe früher am selben Tag beim Vater des Angeklagten gewesen sein. Sie hätten diesen Mann in dessen eigener Wohnung geschubst. Die Respektlosigkeit habe die Wuppertaler Gruppe nicht auf sich beruhen lassen wollen.

Angriff auf Familie in Bottrop: „Das ist im Prinzip Selbstjustiz“

Der Wuppertaler Richter stellte klar: „Das ist im Prinzip Selbstjustiz.“ Kritisch sei zu sehen, dass die Zeugen erklärten, sie wollten die Verfahren nicht mehr, damit der Streit nicht wieder hochkoche. Fazit des Richters: „Wenn Sie sich geeinigt hätten, wäre das positiv. Aber es ist nicht Sinn der Sache, wenn Geschädigte auf Strafverfolgung verzichten wollen, um nicht noch mehr Ärger zu bekommen.“

Das Urteil gegen den 22-Jährigen ist noch angreifbar. Laut Beteiligten hat die Familie eine Einigung vor einem privaten, sogenannten Friedensrichter versucht. Die sei aber gescheitert. Ein Zeuge sagte: „Wir halten miteinander nur noch die grundlegenden Höflichkeitsregeln ein, sonst gibt es keinen Kontakt.“ Die ursprünglich minderjährige Braut ist inzwischen volljährig, anderweitig verheiratet und Mutter eines Kindes. Der Angeklagte ist ebenfalls eine neue Verbindung eingegangen und seinerseits Familienvater.

Erziehungsstrafrecht

Bei Körperverletzung durch Jugendliche gilt vor dem Amtsgerichten im bergischen Land durchgehend: „Wer schlägt, sitzt.“

Möglich sind Freizeitarreste an ein oder zwei Wochenenden oder Dauerarreste über mehrere Wochen für die Angeklagten.

Die erzieherischen Maßnahmen dürfe aber nur angewendet werden, wenn sie Erfolg versprechen. Das ist um so weniger gegeben, je mehr Zeit seit der Tat verstrichen ist.