Bottrop. Die Energie ist zu teuer, das Personal fehlt: Immer mehr Einzelhändler schließen tageweise. Ein Rundgang durch die Bottroper Stadtteile.
Längst sind Einzelhändler nicht mehr garantiert fünf oder sechs Tage in der Woche in ihren Geschäften anzutreffen. Das gilt vor allem für die Vororte. Was Supermärkte, Discounter, aber auch Bäckereifilialen oder Apotheken (noch) anbieten, ist für Einzelkämpfer(innen) zum Teil nicht mehr leist- oder finanzierbar.
Eigen, Boy oder Fuhlenbrock bilden da keine Ausnahme. Kleinere Bäckereien schließen Filialen ganz. Metzger, wie Franz-Josef Urbann in der Boy lässt seinen Laden an der Horster Straße neben dem Rewe-Markt montags und donnerstags ganz und dienstags und mittwochs am Nachmittag geschlossen. Vormittags ist recht viel los, der Verkäufer ist der gefragte Mann und der Metzger selbst hat wenig Zeit. „Ich bin gerade in der Wurst“, sagt Urbann und verschwindet in der Küche.
Metzger in Bottrop-Boy: Umsatzrückgang und Personalmangel
„Viel los“ ist relativ. „Die Stammkundschaft, die speziell wegen unserer Waren kommt, hat sich an die Zeiten gewöhnt, zuweilen kommen sogar neue Kunden aus den Neubaugebieten, die einen individuellen Metzger suche“, sagt Urbann, der bis 2010 auch noch eine Filiale mit Grillstation an der Hansastraße in der City hatte. „Mit Südringcenter und Kaufland hat die Stadt sich selbst Konkurrenz im Lebensmittelbereich erschaffen, in etwa so, wie das Centro für den Bekleidungsbereich“, so der Metzgermeister.
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Beim Stammhaus in der Boy habe es in den letzten Jahren einen kontinuierlichen Umsatzrückgang gegeben. Dazu käme der Personalmangel aber auch die gestiegenen Personalkosten einschließlich der Lohnnebenkosten. „Da kommt man schnell auf 25 Euro pro Stunde und das muss erstmal erwirtschaftet werden“, so der 72-Jährige, der eigentlich nicht mehr arbeiten müsste.
Bäcker Sporkmann: „Noch läuft es ganz gut, trotz Energiekrise“
Wenn er für den Laden und Produktionsräume Miete zahlen müsste, würde er aufhören. Aber: Ihm gehört das Haus und die Arbeit macht ihm Spaß und immer wieder hört er von der Kundschaft: „Hören sie bloß nicht auf.“ Fleisch- und Leberwurst, alles an Aufschnitt, Salami, Schweinebraten: das produziert Urbann noch selbst – und gehört damit (leider) zu einer aussterbenden Spezies in Bottrop. Ein Nachfolger ist nicht in Sicht.
In der Boy sind die Apotheken am Mittwochvormittag gut besucht. Auch bei Bäcker Sporkmann an der Ecke Johannessstraße steht man nicht allein vor der Theke. „Noch läuft es hier ganz gut, trotz Energiekrise“, sagt eine Verkäuferin. Die Öffnungszeiten sprechen für sich: täglich 6 bis 18, samstags bis 13 Uhr. Kurz vor der Boyer Kirche geht es bei Sporkmann schon um 5 Uhr los, plus sonntags am Vormittag. Aber sonst sei in der Boy einkaufsmäßig nicht viel los. Was fehlt, sei vor allem ein Drogeriemarkt. „Friseure, Dönerläden, Spielhallen gibt es hier allerdings genug“, so die Mitarbeiterin. Ja, auch KiK ist da, von 9 bis 19 Uhr, sonntags natürlich nicht. Gut besucht sei es in der letzten Zeit, wenn freitags Wochenmarkt ist.
Damenmodegeschäft schließt zwei Tage in der Woche
Auch auf dem Eigen spürt man freitags den Marktbetrieb. Selbst etwa fünf Minuten zu Fuß die Gladbecker Straße runter bis zu Bäckerei-Konditorei Müller. Wochentags öffnen Manfred und Bärbel Müller schon um 6 Uhr. Sonntags ist Kuchenverkauf am Nachmittag. „Seit Mai haben wir unser Café wieder geöffnet, vor allem unter der Woche sind wir ganz zufrieden“, sagt Bärbel Müller. Am Sonntag brumme vor allem der Außer-Haus-Verkauf von Kuchen und Torten. Bis jetzt sei von Kaufzurückhaltung bei den Kunden noch nichts zu spüren. Deshalb sollen die Öffnungszeiten vorerst auch so bleiben.
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Da hat sich Andrea Glockner-de Kock etwas anderes überlegt. Seit dieser Woche lässt sie ihr Damenmodegeschäft M&M montags und dienstags geschlossen. „Das hat natürlich auch etwas mit den stark gestiegenen Kosten vor allem in Energiebereich etwa zu tun“, so die Inhaberin des gepflegten Eckgeschäfts, die gerade zwischen schicker Herbst- und Wintermode und diversen Accessoires anzutreffen ist.
Aldi nebenan sei ein Frequenzbringer für Laufkundschaft. „Aber sonst reden wir von 80 Prozent Stammkundinnen deren Kleiderschrank ich fast so gut kennen, wie sie selbst“, sagt die frühere Chefeinkäuferin bekannter großer Modeketten. Seit 20 Jahren ist sie im kommenden Februar auf dem Eigen. „Und ich hoffe, dass der Umsatz nicht so einbricht, dass ich auch noch das Silberjubiläum hier feiern kann.“ Es handele sich um einen Kreislauf aus Produzenten, Lieferanten, den Händlern und schließlich den Kunden, wenn einer schwächelt, spüren das alle.
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Auf den Eigen lässt sie nichts kommen. „Wir haben hier noch ein gutes Angebot und klar esse ich nebenan bei Müllers schon mal Kuchen und Frau Müller kauft bei mir.“ Damit verrät sie keine Geschäftsgeheimnisse. „Ich denke, wenn der Edeka doch noch aufmacht, wird das Sortiment entlang der Gladbecker Straße noch runder.“
„Öffnungszeiten wie früher in der Innenstadt sind nicht mehr zu stemmen“
Der Mittwoch ist auch im Fuhlenbrock ruhiger. Die individuellen Geschäfte wie der Modeladen von Wilma de Kok aber auch der „Vitaminkorb“ von Julian Tefett auf der Schlagader des Ortsteils, Im Fuhlenbrock, haben mittwochnachmittags geschlossen. Die Metzgerei Bischoff macht sogar den ganzen Tag zu. Auch das habe mit Personalmangel und -kosten zu tun, sagt Inhaber Jörg Bischoff. Die Entscheidung für einen Schließtag pro Woche sei bereits im Somer gefallen, steigende Energiepreise seien kein Grund gewesen.
„Öffnungszeiten von sieben bis 20 Uhr wie früher in der Innenstadtfiliale sind einfach nicht mehr zu stemmen“, so der Metzger. Und: „Der ganze freie Tag in der Woche kommt auch beim Personal gut an.“ Gute Mitarbeiter müsse man gerade heutzutage pflegen. Die Kundschaft habe sich darauf eingestellt, zumal der tägliche Einkauf bei vielen gar nicht mehr zur Routine gehöre. „Kinder essen oft schon in der Schule, Mütter arbeiten zunehmend, der Tagesablauf hat sich einfach geändert und wir passen uns da an – und die Stammkundschaft auch an unsere Zeiten“, sagt Jörg Bischoff.