Bottrop. Wie in vielen Betrieben fehlt auch für die Bottroper Fleischerei Hemmers ein Nachfolger. Die beiden Betreiber denken an den Ruhestand. Was dann?
In der Fleischerei Hemmers plant man den Ruhestand. Die Inhaber Hans-Hermann und Marie-Luise Hemmers sind weiterhin für ihre Kunden da. Aber der Abschied rückt näher. Hans-Hermann Hemmers überlegt, seine Schürze im kommenden Jahr an den Haken zu hängen.
Er und seine Frau Marie-Luise betreiben die Fleischerei an der Gladbecker Straße 216 in der dritten Generation. Beide entstammen Metzgerfamilien. Das Paar sehnt sich nach dem wohlverdienten Ruhestand. Sein Entschluss wäre zugleich das Ende des 108-jährigen Familienbetriebs. Bis es soweit ist, hat das Geschäft weiterhin geöffnet. „Die Kunden würde ich vermissen“, sagt Marie-Luise Hemmers.
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Seit mehr als 50 Jahren bedient sie die Kundschaft als Fleischereifachverkäuferin. Ein Nachfolger für das Geschäft ist nicht in Sicht. „Wo will man jemanden herkriegen?“, fragt ihr Mann. Den Beruf des Fleischers wolle doch kaum noch jemand erlernen. Die Vorstellung auf einen entspannten Lebensabend fernab des täglichen Trubels und Stresses klingt dagegen durchaus verlockend. „Corona hat mir die Augen geöffnet“, sagt Marie-Luise Hemmers. Sie sei während des Lockdowns an einem Samstagnachmittag gezwungenermaßen Zuhause geblieben. Kaum zu glauben, aber wahr: Sie hatte tatsächlich frei. Für sie ein völlig ungewohntes Gefühl. „Ich habe zum ersten Mal mein Haus kennengelernt“, sagt sie lachend. „Ich konnte in Ruhe an einem Sonntagmorgen meinen Kaffee auf der Terrasse trinken.“ Ohne den Ausbruch der Pandemie wäre dieses Vorhaben ein Ding der Unmöglichkeit gewesen.
Morgens und vier klingelt der Wecker
Bis zu 80 Stunden arbeiten beide in der Woche. Morgens um vier klingelt der Wecker. „In unserem Alter fragt man sich irgendwann: Müssen wir uns das noch antun?“, sagt sie. So viel Leidenschaft und Einsatz über all die Jahre hat ihren Preis. Wenn Hans-Hermann Hemmers das Wort „Überstunden“ hört, fängt der 74-Jährige an zu lachen. Um die „abzufeiern“, müsste er 150 Jahre alt werden.
Beide leben und lieben für ihre Fleischerei. Sieben Tage in der Woche sind sie für ihre Kunden da, entweder im Geschäft oder mit ihrem Partyservice, den sie vor 40 Jahren ins Leben gerufen haben. Damals sind sie wegen der Gründung von so manchem Fleischerkollegen belächelt worden. Aber der Erfolg gab ihnen längst Recht. Viele Bottroper Familien sind von dem Traditionsbetrieb bei diversen Veranstaltungen verköstigt worden. „Wir haben Kunden“, beginnt Hemmers, „für die wir das Catering zur Kommunion gemacht haben, später für deren Hochzeit und dann für die Taufe der Kinder.“
Die letzte ihrer Art im Umkreis
Mittlerweile ist die Fleischerei Hemmers die letzte ihrer Art in der Nachbarschaft. Hemmers, der vor 50 Jahren erfolgreich seine Prüfung zum Fleischermeister absolvierte, kann unzählige Fleischereien im Umkreis seines Geschäfts namentlich aufzählen, die mit den Jahren verschwunden sind – nur sein Geschäft ist übrig geblieben. Auch wegen des zweiten Standbeins, dem Partyservice. Zum Teil sei der Rückgang der Bottroper Metzger wohl den Discountern geschuldet.
Das Geschäft an der Gladbecker Straße läuft fast wieder so erfolgreich wie vor der Pandemie. Für die (älteren) Leute, die aus Sorge vor einer Infektion mit dem Coronavirus nicht das Haus verlassen wollen, bietet die Fleischerei einen Lieferservice an. Als der Tönnies-Skandal Schlagzeilen machte, erlebten die Hemmers einen regelrechten Ansturm. Auf die Frage, ob der Skandal eine nachhaltige Veränderung hervorrufen wird, reagiert der 74-Jährige mit Skepsis. „Der Verbraucher vergisst schnell“, sagt er. Zu viele Skandale in der Fleischindustrie (Schweinepest, Rinderseuche BSE) hat die Familie Hemmers in den letzten Jahrzehnten erlebt. Ihre Erfahrung daraus: Wird ein Skandal in der Öffentlichkeit diskutiert, kaufen die Leute hochwertige Qualität beim Metzger ein. Wenn das mediale Interesse abnimmt, schwinde auch die Anzahl der Kunden.
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Früher am Schlachthof, am ehemaligen Mengede-Gelände an der Schubertstraße, waren „72 Fleischereibetriebe an der Waage notiert“, erinnert sich Meister Hans-Hermann Hemmers. Das sei lange her. Heutzutage ließen sich die Metzger in Bottrop an zwei Händen abzählen.
Wenn er und seine Frau die Fleischerei eines nicht mehr fernen Tages verlassen, dann wird es wohl einen weiteren Betrieb weniger geben, denn ein Nachfolger ist nicht in Sicht.