Opfer sexualisierter Gewalt können sich im Bottroper Marienhospital vertraulich untersuchen lassen und erst später Anzeige erstatten.

An diesem Vormittag scheint die Sonne vom hellblauen Himmel. Am Stand vor der Westfalia Apotheke wird diskutiert und informiert. Die Stimmung ist gelöst, obwohl das Thema, über das hier gesprochen wird, stimmungsmäßig eher zu einem dunklen, verregneten Winterabend passen würde. Es geht um die anonyme Spurensicherung nach einem Sexualdelikt.

Was sich hinter dem sperrigen Begriff verbirgt, kann für Betroffene später zu einem sehr wichtigen Beweis werden. Denn Opfer von sexualisierter Gewalt können Spuren im Marienhospital vertraulich sichern lassen. „Wir wollen, dass Frauen die Wahl haben, ob sie nach einer Vergewaltigung Anzeige erstatten oder erst einmal nur die Spuren sichern lassen“, sagt Margret Kemper vom Frauenzentrum Courage, das unter dem Slogan „Dein Körper, ein Tatort“ für die anonyme Spurensicherung wirbt. Ihre Kollegin Ute Speier-Lemm ergänzt: „Die meisten Frauen müssen sich nach so einem Vorfall erst einmal erholen, das Geschehene verarbeiten und dann überlegen, ob sie sich in der Lage fühlen, die Vorfälle im Detail bei der Polizei noch einmal zu schildern.“

Spuren werden zehn Jahre lang gespeichert

IFlyer über anonyme Spurensicherung: Das Frauenzentrum Courage informiert über die Möglichkeiten.
IFlyer über anonyme Spurensicherung: Das Frauenzentrum Courage informiert über die Möglichkeiten. © nal

Durch die anonyme Spurensicherung haben sie genug Zeit dazu. Gespeichert wird das gesicherte Material unter einer Chiffre-Nummer und zehn Jahre aufbewahrt in der Gerichtsmedizin Essen.

Viele Frauen bleiben an diesem Tag nicht an dem Stand stehen, schauen eher auf die Plakate und nehmen Flyer mit. Christiane Grolla von der Westfalia Apotheke betont, dass noch immer zu wenig Menschen über die Möglichkeit der anonymen Spurensicherung Bescheid wüssten, obwohl sie schon seit 2012 möglich ist. Deshalb hat sie den Info-Vormittag initiiert, zusammen mit dem Frauenzentrum Courage.

„Wir sprechen heute ältere Frauen und auch Männer an. Vielleicht haben sie Töchter oder Enkelkinder oder Nichten, die sich nach einem Vorfall einmal an sie wenden. Wichtig ist, dass nicht nur junge Frauen informiert sind, sondern möglichst viele Menschen, die erste Ansprechpartner sein könnten.“

Dass es dabei noch Nachholbedarf gibt, macht eine Zahl besonders deutlich: 2018 haben in Bottrop nur fünf Frauen das Angebot der anonymen Spurensicherung wahrgenommen. „Darum müssen wir es weiter publik machen“, betont Speier-Lemm. Die Zahl der Betroffen liege nämlich sehr deutlich darüber. An diesem Vormittag sei sie schon von etlichen Frauen angesprochen worden, die von eigenen Erfahrungen berichteten oder Bekannte hatten, denen eine Vergewaltigung widerfahren ist.

Flyer in verschiedenen Sprachen

Kemper zeigt die lilafarbenen Info-Broschüren. „Inzwischen haben wir auch Flyer auf Arabisch, Farsi, Französisch, Italienisch und einigen anderen Sprachen“, erklärt sie, denn: Die gebündelten Informationen zu Hause zu haben, könnte, falls es tatsächlich zu einem Übergriff kommt, für Betroffene und Angehörige in diesen dunklen Tagen eine wichtige Stütze sein.

>>> Betroffene können jederzeit ins Marienhospital gehen

Informationen nach sexuellen Übergriffen und zur anonymen Spurensicherung und gibt es nicht nur im Frauenzentrum Courage und beim Verein Gegenwind an der Essener Straße 13, sondern auch im Internet auf den Seiten www.frauenzentrumcourage.de und www.gegenwind.org, und telefonisch unter den Rufnummern:
02041 6359

3 oder

02041 20811.


Auch die Mitarbeiter der Westfalia Apotheke an der Poststraße 10 stehen jederzeit als Ansprechpartner bereit. Im Notfall können sich Betroffene direkt und rund um die Uhr im Marienhospital melden.