Bottrop. Schwangere ohne Komplikationsrisiko können im Marienhospital jetzt wählen, ob sie ausschließlich mit einer Hebamme an ihrer Seite gebären wollen.

Der Hebammenkreißsaal ist eröffnet: Im Marienhospital Bottrop (MHB) ist nun „eine Hausgeburt in der Klinik“ möglich, wie Hebamme Barbara Albersmann es auf den Punkt bringt. Dabei geht es nicht etwa um einen neuen Raum, sondern um ein besonderes Konzept. Frauen ohne Komplikationsrisiko können dabei ausschließlich mit einer Hebamme an ihrer Seite entbinden.

„Das erkennt an, dass die Geburt ein natürlicher Prozess ist“, sagt Frauenklinik-Chefarzt Dr. Hans-Christian Kolberg. Die primäre Helferin dabei ist die Hebamme. Verläuft alles gut, wird kein Arzt benötigt.

Dr. Hans-Christian Kolberg, Chefarzt der Gynäkologie des Marienhospitals in Bottrop, und Hebamme Barbara Albersmann haben das Konzept des Hebammenkreißsaals gemeinsam mit dem Geburtshilfe-Team entwickelt.
Dr. Hans-Christian Kolberg, Chefarzt der Gynäkologie des Marienhospitals in Bottrop, und Hebamme Barbara Albersmann haben das Konzept des Hebammenkreißsaals gemeinsam mit dem Geburtshilfe-Team entwickelt. © FUNKE Foto Services | Thomas Gödde

Eine wichtige Voraussetzung, um im hebammengeleiteten Kreißsaal entbinden zu können, ist laut Kolberg: „Es führt kein Weg an einem ärztlichen Geburtsplanungsgespräch vorbei.“ Dort wird auch anhand eines extra entwickelten Kriterienkatalogs noch einmal abgeklärt, dass bei der Frau „absolut kein Geburtsrisiko“ besteht. Ein Ausschlusskriterium für eine Geburt im Hebammenkreißsaal ist zum Beispiel, wenn die Frau vorher schon einmal per Kaiserschnitt entbunden hatte. Schwangerschaftszucker oder Schwangerschaftsvergiftung dürfen auch nicht aufgetreten sein.

Nicht ganz so streng ist der Maßstab beim Alter der Schwangeren; hier kommt es auf den Allgemeinzustand an. „Das können wir individuell besprechen.“

Hebammenkreißsaal in Bottrop: Nur erfahrene Geburtshelferinnen werden eingesetzt

Nur erfahrene Hebammen, das betonen Albersmann und Kolberg unisono, kommen bei der „Hausgeburt in der Klinik“ zum Einsatz. Vorausgesetzt werden mindestens zwei Jahre Berufserfahrung nach Abschluss des Examens in Deutschland. Sie sind jeweils zu zweit bei der Geburt dabei.

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Stellen die Hebammen Auffälligkeiten fest, die für Mutter und Kind gefährlich werden können, informieren sie einen Arzt. Im Team wurde ein Kriterienkatalog entwickelt, der klar aufzeigt, ab wann der sogenannte hebammengeleitete Kreißsaal konzeptionell in einen klassischen ärztlich geleiteten Kreißsaal zu wechseln hat. „Ein Beispiel dafür sind Auffälligkeiten im CTG“, so Kolberg. CTG steht für Cardiotokografie, über diesen Wehenschreiber wird auch der Herzschlag des ungeborenen Kindes kontrolliert.

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Ein Sicherheitsnetz, das allen Beteiligten wichtig ist. Barbara Albersmann: „Ärzte sind im Hintergrund immer da. Hier sehen wir den großen Vorteil gegenüber einem Geburtshaus oder einer Hausgeburt: Wir können die Sicherheit der Klinik bieten.“ Und gleichzeitig dem Bedürfnis der Frauen entsprechen, „die am liebsten ganz in Ruhe mit so wenig Personal wie möglich ihr Kind bekommen möchten“. Und auf den natürlichen Vorgang der Geburt vertrauen. Das subjektive Gefühl eines besonders geschützten und intimen Rahmens könne die Geburt sogar erleichtern, meint die stellvertretende Kreißsaalleiterin.

Die Räumlichkeiten sind dieselben wie immer, nur das Betreuungskonzept ändert sich im sogenannten Hebammenkreißsaal des Marienhospitals in Bottrop.
Die Räumlichkeiten sind dieselben wie immer, nur das Betreuungskonzept ändert sich im sogenannten Hebammenkreißsaal des Marienhospitals in Bottrop. © FUNKE Foto Services | Thomas Gödde

Dass im Hebammenkreißsaal kein Arzt dabei ist, hat übrigens auch diesen Effekt: „Es dürfen keine verschreibungspflichtigen Medikamente verabreicht werden – weder zur Geburtseinleitung noch zur Schmerzreduzierung“, erklärt Kolberg. Möglich ist aber natürlich „alles, was auf natürliche Weise die Geburt erleichtert“, ergänzt Albersmann. Vom Entspannungsbad bis zur Akupunktur.

Zur Umsetzung des Konzeptes samt nötiger Schulung in der Nahtversorgung hatte das MHB 25.000 Euro im Rahmen des Förderprogramms „Implementierung von Hebammenkreißsälen“ vom Landesgesundheitsministerium erhalten. Kliniken in 19 weiteren Städten NRWs haben ebenfalls von dem Förderprogramm profitiert, darunter das St. Vinzenz-Hospital in Dinslaken, die Helios St. Anna Klinik in Duisburg oder die Augusta-Kranken-Anstalt in Bochum. Angepeilt war vom Ministerium mit dem Programm eine Verdreifachung der Anzahl der Kliniken, die in Nordrhein-Westfalen einen hebammengeleiteten Kreißsaal anbieten, auf insgesamt 29.

Hebammenkreißsaal: Eine Wertschätzung für die Arbeit der Hebammen

Was nicht nur ein Vorteil für die Frauen ist, sondern auch ein deutliches Zeichen der Wertschätzung für die Arbeit der Hebammen, wie auch Barbara Albersmann und Dr. Hans-Christian Kolberg finden. „Das ist ein wichtiges als Signal. Hebamme ist ein freier Beruf, kein Pflegeberuf“, betont der Mediziner.

Ob das dazu führt, mehr Hebammen-Nachwuchs zu gewinnen? Denn der fehlt. So würde sich auch das Team am MHB – bestehend aus zehn angestellten und zwei Beleg-Hebammen – über zwei weitere Fachkräfte freuen. Barbara Albersmann: „Wir möchten den Nachwuchshebammen schon zeigen: Hier werdet ihr langfristig selbstständig und eigenverantwortlich arbeiten können.“

Wobei die Geburtshelferin fürs Miteinander mit den Ärzten im Marienhospital auch sagen kann: „Wir sind ein gutes Team. Wir arbeiten hier sowieso sehr hebammengeleitet.“

Kontakt zur Geburtshilfe am MHB

Frauen, die gerne im hebammengeleiteten Kreißsaal entbinden möchten, können Termine fürs obligatorische Arztgespräch und die Hebammensprechstunde ausmachen unter 02041 106-1601 (Sekretariat der Klinik für Gynäkologie und Geburtshilfe am MHB).

Hebamme Barbara Albersmann rät dazu, dass die Frauen auch zur Hebammensprechstunde kommen. „Uns Hebammen interessiert die Kontaktaufnahme mit den Frauen. Es wird dann explizit darauf eingegangen, welche Wünsche und Ideen sie für ihre Geburt haben.“

Die stellvertretende Leiterin des Kreißsaals empfiehlt, die Gespräche rund sechs Wochen vor dem errechneten Geburtstermin zu führen.