Bottrop/Gladbeck/Gelsenkirchen. Sollte im Winter das Gas knapp werden, ist die Ele Verteilnetz gefordert. 66 Großkunden in Bottrop, Gladbeck und Gelsenkirchen wären betroffen.

Zuletzt zeigte sich Bundeskanzler Olaf Scholz in dieser Zeitung optimistisch, dass das Gas im Winter reichen werde. „Selbst wenn es mit der Zulieferung durch Russland noch mal ganz eng wird, kommen wir wohl durch den Winter“, sagte er im WAZ-Interview. Das heißt aber nicht, dass nun Entspannung angesagt ist.

Im Gegenteil, schließlich hat Russland die Gaslieferungen aktuell sogar komplett gestoppt. Also werden hinter den Kulissen weiter Vorkehrungen getroffen, wie in einer sogenannten Gasmangellage verfahren wird. Federführend in Bottrop, Gladbeck und Gelsenkirchen ist der Netzbetreiber, die Ele Verteilnetz GmbH (EVNG).

Die unterscheidet für die drei Städte zwischen geschützten und nicht geschützten Kunden. Letzteren droht im Extremfall, wenn wirklich zu wenig Gas fließen sollte, die Abschaltung. Geschützt sind zunächst einmal vereinfacht ausgedrückt die Haushaltskunden und all diejenigen, die Gas brauchen, um zu heizen. Darunter fallen die Privathaushalte, aber auch Gaskraftwerke, die für die Fernwärmeversorgung gebraucht werden.

Christoph Queens, Leiter Gasbetrieb bei der Ele Verteilnetz GmbH, dem Strom- und Gasnetzbetreiber in Bottrop, Gladbeck und Gelsenkirchen.
Christoph Queens, Leiter Gasbetrieb bei der Ele Verteilnetz GmbH, dem Strom- und Gasnetzbetreiber in Bottrop, Gladbeck und Gelsenkirchen. © ELE | ele

Die EVNG hat für die drei Städte 123 große Industriekunden identifiziert und genauer betrachtet. 57 davon wären bei einer Gasmangellage geschützt. Bei ihnen handelt es sich beispielsweise um Krankenhäuser, Pflegeeinrichtungen oder andere geschützte Bereiche. Umgekehrt heißt es aber auch: 66 Unternehmen in den drei Ele-Städten wären bei einer eventuellen Gasmangellage betroffen, erläutert Christoph Queens, der Leiter des Gasbetriebs bei der EVNG.

Im Bottroper Süden und im Gelsenkirchener Hafen gibt es energieintensive Betriebe

Im Bottroper Süden etwa gebe es derart energieintensive Betriebe, auch im Gelsenkirchener Hafen, sagt Queens. Namen wie die MC-Bauchemie oder Rockwool fallen einem da ein, aber auch Glashersteller. Mit all diesen 66 möglichen Betroffenen habe man seitens der EVNG Kontakt gehabt. Man habe die Unternehmen informiert und über Einsparpotenziale gesprochen. Und die seien tatsächlich auch schon deutlich sichtbar, sagt Queens.

Er verweist auf die Zahlen vom vergangenen Jahr. Da waren die 123 Großabnehmer für ein „Grundrauschen“ im Ele-Netz verantwortlich. Nahezu konstant das gesamte Jahr über haben sie 95.000 Kilowattstunden pro Stunde abgenommen – von Januar bis Dezember. Die jüngsten Zahlen vom Juli dieses Jahres zeichneten ein anderes Bild. Das Grundrauschen ging zurück auf 68.000 Kilowattstunden.

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Von Alexander Klay und Theresa Martus

Das deckt sich in etwa mit dem Bild, das auch die Bundesnetzagentur zeichnet. Demnach sei der Verbrauch der Industrie um 23,1 Prozent gesunken – wenn man als Vergleich das Jahresmittel von 2018 bis 2021 heranzieht. Queens berichtet von einem Gelsenkirchener Unternehmen, das Brennöfen mit einer Temperatur von 650 Grad betreibt. Dort liefen derzeit Versuche, die Temperatur um drei bis vier Grad abzusenken. Das mache schon viel aus – und zeige ja auch Wirkung über eine mögliche Mangellage hinaus.

Ein erster Schritt ist die Drosselung der Lieferung

Queens ist deshalb auch optimistisch, den Winter überstehen zu können. Gezielte und geplante Abschaltungen will er jedoch nicht ausschließen. Das bedeutet aber nicht, dass die EVNG rausfährt und den Unternehmen den Hahn abdreht. Vielmehr bekommt die EVNG vom übergeordneten Ferngasbetreiber – in dem Fall Open Grid Europe – die Ansage, den Verbrauch zu drosseln. Das gibt die EVNG dann an die betroffenen Kunden weiter – beziehungsweise 14 von ihnen werden auch direkt von der Bundesnetzagentur angesprochen. Streng genommen geht es also zunächst um eine Drosselung des Verbrauchs, nicht direkt ums Abschalten.

„Wir wollen ja so wenig Schäden wie möglich anrichten“, erklärt Queens das Vorgehen. Man stecke in den Prozessen nicht drin und die Unternehmen wüssten eben viel besser, wie sie sparen können. In dem Zusammenhang berichtet Queens – ohne Namen zu nennen – von einem Bottroper Unternehmen, das drei Anschlüsse besitze. „Die haben uns erklärt, dass wenn wir an allen drei Anschlüssen reduzieren, es zu Schäden komme. Sie könnten aber die geforderte Menge an einem Anschluss komplett einsparen, wenn es darauf ankommt.“ Das überlasse man dann auch den betroffenen Firmen.

Privathaushalte in Bottrop, Gladbeck und Gelsenkirchen müssen ebenfalls sparen

Überhaupt erwartet Queens, dass zunächst einmal die übergeordneten Netze betroffen sind, wo auch richtige Großbetriebe wie etwa BASF, Bayer oder andere Chemieparks dranhängen, die einen Druck von 70 bis 100 bar benötigen. „Da spielt die Musik in einer Mangellage, da entscheidet sich dann, wie die Bundesnetzagentur dort vorgeht“, so die Überzeugung des Experten.

Gleichwohl: Bei all den Überlegungen seien auch die Privathaushalte gefordert, so Queens dringender Appell. Anders seien die erforderlichen Einsparungen nicht zu schaffen. Denn, zum Vergleich: Die EVNG versorgt 50.000 Haushalte mit 70.000 Messeinheiten – sprich Gaszählern – in Bottrop, Gladbeck und Gelsenkirchen. Die sind alle vor Abschaltungen geschützt. Trotzdem gilt: „Die Faustregel ist, dass eine Temperaturabsenkung um ein Grad den Verbrauch um etwa sechs Prozent senkt.“ Und: Auch hier gelten schon Einschränkungen etwa beim Heizen privater Pools oder Saunen.

Ele-Städte bereiten Kampagnen zum Energiesparen vor

Queens verdeutlicht das Potenzial anhand von Zahlen aus dem Februar 2021. Dort gab es eine Kälteperiode mit Schneefall und Temperaturen um Minus zehn Grad. Zu der damals vorherrschenden Grundlast von 95.000 Kilowattstunden pro Stunde kamen noch einmal 855.000 Kilowattstunden pro Stunde zum Heizen hinzu. In diesem Jahr sei es weniger gewesen, auch weil der Winter milder war, nur zeige das eben das Potenzial, sagt Queens.

Die drei Ele-Städte arbeiteten deshalb inzwischen alle an Kampagnen, um die Bürgerinnen und Bürger zum Energiesparen zu animieren. Darüber hinaus gibt es einmal in der Woche Abstimmungen mit den lokalen Krisenstäben, damit auch die Städte über das Vorgehen informiert sind.