Bottrop/Duisburg/Gladbeck. Vier Duisburger lauern 2000 am Parkplatz Schwarze Heide Schwulen auf, um sie auszurauben. An Heiligabend töten sie den Gladbecker Georg S.
Weihnachten feiern sie am Heiligen Abend 2000 in ihren Familien. Und danach ziehen die vier jungen Duisburger los, auf einem Bottroper Parkplatz an der Autobahn 2 einen Schwulen zu ermorden. Friede auf Erden gilt in dieser Nacht nicht für den 40 Jahre alten Gladbecker Georg S.
Es sind zwei Paare, Thorsten S. und Tina H. sowie Daniel O. und Angelina S., die am späten Abend des 24. Dezembers vor 22 Jahren zum Parkplatz Schwarze Heide fahren, um Schwule auszurauben, so ihr Plan. Von Homosexuellen, so sagt es Thorsten S., gehe keine Gefahr aus, er nennt sie Weicheier, die sich nicht wehren und erst recht keine Anzeige bei der Polizei erstatten würden.
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Bei zwei bis drei derartigen Überfällen pro Abend komme man locker auf 3000, wenn nicht 4000 Mark, so Thorsten S., der die Idee aufbringt. Daniel O., mit 20 Jahren der Jüngste im Quartett, willigt ein, auch die beiden Frauen sind dabei. Ein erster Versuch am 19. Dezember auf dem Rastplatz Schwarze Heide an der A2 in Bottrop scheitert – das potenzielle Opfer wird stutzig und flüchtet. Am Heiligen Abend gehen die vier erneut auf Jagd.
Mord in Bottrop: Zwei Duisburger Pärchen lauern Schwulen auf
Es wird ein Zufallsopfer sein, das sie ausrauben werden. Es ist Georg S., 40 Jahre alt. Den Heiligen Abend feiert er mit seiner Schwester und deren Lebensgefährten im Restaurant „Louisiana“, das direkt an der Promenade im Centro Oberhausen liegt. Gegen 23 Uhr verabschiedet er sich. Er müsse jetzt nach Hause, sagt er, bevor er sich in seinen VW Polo setzt. Der Gladbecker Georg S. ist alleinstehend und homosexuell. Ihm ist der Autobahnparkplatz als Schwulentreffpunkt bekannt. Nach dem Abend mit seiner Schwester und deren Freund will er dort kurz vorbeifahren, um Sex zu haben.
Weit ist es nicht. Doch die paar Kilometer zum Parkplatz sind für Georg S. eine Fahrt in den Tod. Denn dorthin fahren in dieser Heiligen Nacht auch die vier Duisburger in Tina H.s Autos, einem Renault Twingo. Den Abend hatten sie zum Teil getrennt in ihren Familien verbracht. Gegen 22 Uhr treffen sie sich.
Duisburger Täter gaukeln Gladbecker Opfer Interesse an Sex vor
Tina H. stellt das Fahrzeug auf dem Rastplatz so ab, dass sie die Umgebung beobachten können. Als Georg S. ankommt, nehmen Thorsten S. und Daniel O. einen eisernen Teleskopschlagstock und eine Gaspistole aus dem Auto, verbergen die Waffen in ihren Jacken. Dann gehen sie zu Georg S. Ob er Polizist sei, fragen sie ihn. Nein, sagt er, Polizist sei er nicht. Wen von ihnen er denn süßer finde, fragen sie ihn.
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Der 40-Jährige ist offenbar erfreut, was sich da mit zwei jungen Männern anbahnt. „Ich finde euch beide süß“, sagt er hoffnungsvoll. Thorsten S. schlägt prompt vor, sie könnten ja zum Sex ins Gebüsch gehen. Georg S. stimmt sofort zu. Nicht ahnend, was die beiden planen.
Georg S. folgt den beiden jungen Männern in den Wald. Etwa 250 Meter legen Georg S. und die vermeintlichen Strichjungen zurück. Plötzlich stoppt Thorsten, zieht den Schlagstock aus der Jacke. Georg S. muss sich hinknien und seine Hose öffnen. Thorsten fordert Geld und Portemonnaie. Deutlich eingeschüchtert und voller Angst sagt Georg S., beides liege im Auto auf dem Parkplatz. Daraufhin muss er den Schlüssel abgeben.
Männer schlagen mehrfach auf Georg S. ein
Aber damit ist der Raub keinesfalls beendet. Thorsten zieht sich Handschuhe über und fordert Daniel auf, die Gaspistole zu ziehen. Der holt sie aus der Jacke, lädt sie demonstrativ durch. In diesem Moment holt Thorsten aus und schlägt mit der Metallstange wuchtig auf den Kopf von Georg S., der sofort auf die Seite fällt. Hilflos hebt er zum Schutz die Hände vor seinen Kopf.
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Doch Thorsten hat bereits die Stange an Daniel übergeben und im Gegenzug die Pistole erhalten. Damit schlägt er etwa zehnmal auf den Kopf des wehrlosen Opfers. Jetzt muss auch Daniel ran, darf sich nicht zurückhalten. Mit der Eisenstange schlägt auch er zwei- bis dreimal zu. Erneut werden die Waffen gewechselt. Thorsten hält wieder die Stange in der Hand und schlägt noch einmal auf den Mann ein. Viermal, fünfmal. Dann gehen Thorsten und Daniel. Den blutenden Mann lassen sie zurück.
Als sie ein Röcheln hören, gehen beide noch einmal zurück, schlagen erneut zu, bis Georg S. tot ist, und ziehen den Leichnam ein Stück weiter ins Gebüsch. Das Portemonnaie und Bargeld aus Georgs Auto nehmen die Männer nicht mit, obwohl sie den Schlüssel haben.
Mord auf dem Parkplatz: Bottroper Polizei ermittelt schnell die Täter
Am Mittag des zweiten Weihnachtstages meldet Georgs Schwester ihren Bruder bei der Polizei als vermisst. Er war trotz mehrerer Versuche nicht ans Telefon gegangen. Entgegen seiner Ankündigung blieb auch sein Kiosk am ersten und zweiten Weihnachtstag zu. Die Polizei verschafft ihr schnell eine traurige Gewissheit. Denn wenige Stunden zuvor hatten zwei Spaziergänger in dem Waldstück die Leiche von Georg S. gefunden.
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Bei den weiteren Ermittlungen melden sich drei Männer, die in der Tatnacht den Weggang von Georg S. mit zwei unbekannten Männern als „heikel“ empfunden hatten. Sie machen detaillierte Angaben zu dem Twingo mit den beiden Frauen, mit dem die unbekannten Männer zum Parkplatz gekommen waren. Auch das Kennzeichen haben sie sich mit Ausnahme eines Buchstabens gemerkt. Schneller, viel schneller als die Mörder gedacht hatten, zieht die Fahndungsschlinge sich zu.
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Die Polizei nimmt am 27. Dezember Thorsten, Tina und Daniel fest, einen Tag später Angelina. Die Männer geben sich bei der Polizei gegenseitig die Schuld, die Frauen sagen, sie hätten vom Raub gewusst, seien aber mit der Tötung nicht einverstanden gewesen.
Landgericht Duisburg verurteilt Haupttäter zu lebenslanger Haft
Am 12. November 2001 beginnt der Prozess vor dem Essener Landgericht. Einen Monat später, nach vielen widersprüchlichen Aussagen der vier Beteiligten, verurteilt das Gericht Thorsten S. zu einer lebenslangen Haftstrafe wegen Mordes. Neuneinhalb Jahre Jugendstrafe wegen Mordes gibt es für Daniel O. Weil den beiden Frauen die Tötung nicht anzulasten war, kommen sie glimpflich davon: Zwei Jahre Haft mit Bewährung für Tina H., acht Monate mit Bewährung für Angelina S.
Der Fall des Parkplatzmordes in Bottrop ist Thema in der aktuellen Folge des FUNKE-Podcasts „Der Gerichtsreporter“. Stefan Wette und Brinja Bormann berichten darin über spektakuläre Kriminalfälle in Nordrhein-Westfalen. Alle Folgen finden Sie unter www.waz.de/podcast/gerichtsreporter oder auf Spotify, bei Apple Podcasts oder Deezer.
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