Essen./Bottrop. Die Bottroperin Larissa H. hat ihre Tochter (6) getötet. “Sie findet das Ganze, was sie gemacht hat, so schrecklich“, sagt ihr Verteidiger.

Ein Kind ist tot, und auf der Anklagebank sitzt seine Mutter. Die Bottroperin Larissa H. soll ihre Tochter Emma mit mindestens drei Messerstichen in den Hals umgebracht haben. Am Dienstag gesteht die 46-Jährige die Tat. Ihr Verteidiger Siegmund Benecken: "Sie findet das Ganze, was sie gemacht hat, so schrecklich."

Bisher hatte die Sozialpädagogin zur Tat vom 28. Januar geschwiegen. Angeklagt hat Staatsanwältin Elisa Fähnrich sie wegen Mordes. Sie wirft ihr niedrige Beweggründe vor. Und Heimtücke, weil sie die Arg- und Wehrlosigkeit der sechs Jahre alten Emma für ihre Tat ausgenutzt habe.

Nach Trennung Streit ums Kind

Emmas Eltern hatten sich Ende 2020 getrennt. Seitdem gab es Streit um das Kind. Der Vater verlangte, mehr Zeit mit seiner Tochter zu verbringen, sie lehnte das ab. Am 27. Januar bekam er vom Amtsgericht Bottrop einen zusätzlichen Besuchstag zugesprochen. Laut Anklage empfand Larissa H., die an diesem Tag Geburtstag hatte, diese Entscheidung als schmerzhafte Niederlage.

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In der Nacht zum 28. Januar fasste sie laut Anklage den Entschluss, Emma umzubringen. Staatsanwältin Fähnrich nennt das mögliche Motiv: "Sie war getrieben vom tiefen Gefühl der Niederlage und von dem Gedanken, niemand außer sie selbst habe ein Recht auf Umgang mit Emma. Sie handelte in der Vorstellung, wenn sie die Geschädigte nicht für sich allein haben kann, soll dieser Vorteil niemand anderem, namentlich nicht dem Kindesvater, zugutekommen."

Der Tochter zuerst Schlafmittel gegeben

Emma lag in ihrer letzten Nacht mit einem Schlafanzug bekleidet im Bett der Mutter. Irgendwann soll Larissa H. ihr einen Becher mit in Wasser aufgelöstem Schlafmittel gegeben haben.

Danach soll sie Emma in die mit Wasser gefüllte Badewanne gelegt und ihren Kopf unter Wasser gedrückt haben. Aber auch da lebte Emma noch. Anschließend legte sie das Kind aufs Bett, holte ein Küchenmesser und schnitt mindestens dreimal tief in den Hals der Tochter, die daran verstarb.

Suizidversuch nach der Tat scheiterte

Danach versuchte sie, an beiden Handgelenken ihre eigenen Pulsadern aufzuschneiden. Das misslang. Deshalb schluckte sie laut Anklage "erhebliche Mengen" an Antidepressiva und Schlafmitteln. Aber auch das reichte nicht, aus dem Leben zu scheiden.

Emmas Lehrerin, die vom Streit der Eltern wusste, war misstrauisch geworden, als die Sechsjährige morgens nicht zur Schule kam. Sie fuhr selbst zu der Wohnung im Stadtteil Kirchhellen und alarmierte die Polizei, als niemand ihr öffnete.

Leises Schluchzen aus dem Zuhörerraum

Die Staatsanwältin beschreibt noch das Sterben der Kleinen. Dabei ist aus dem Zuhörerraum leises Schluchzen zu hören.

Der seit zwei Jahrzehnten wegen Depressionen ambulant behandelten Angeklagten ist eine solche Reaktion nicht anzumerken. Dafür wippt sie mit ihrem Oberkörper. Zunächst von rechts nach links, dann wieder zurück, ohne Unterlass. Dabei streichelt sie mit der rechten Hand über ihren linken Oberarm.

Geständnis über den Verteidiger

Ihr Geständnis trägt Verteidiger Siegmund Benecken vor. "Die Mandantin ist selbst nicht in der Lage dazu", sagt er. Nachfragen des Gerichtes lässt er nicht zu.

Dafür redet Larissa H. anschließend mit der psychiatrischen Gutachterin Maren Losch über die eigentliche Tat. Über ihr Leben, ihren Ehemann und die Tochter hatte sie schon im Vorfeld mit der Psychiaterin gesprochen. Ihr hatte sie von einem schlechten Elternhaus erzählt, aber auch von ihrer beruflichen Karriere, zuletzt in der Erwachsenenbildung. Und dass sie Emma über alles geliebt habe.

Veränderung des Partners nach der Schwangerschaft

Ihren Ehemann hatte sie 2012 über eine Dating-Plattform im Internet kennengelernt. Mit der Schwangerschaft habe er sich verändert, sagt sie. 2018 und 2020 hatte sie die Polizei gerufen, weil er sie und Emma geschlagen habe.

Das Gericht vernimmt am Dienstag auch den 50 Jahre alten Ehemann, der im IT-Bereich arbeitet. Er erzählt das Gegenteil. Sie habe sich nach der Schwangerschaft verändert, sagt er. Und die Anzeigen gegen ihn seien "frei erfunden" gewesen. Er sei auch nie bestraft worden. Auch das Familiengericht habe ihm ja immer mehr Umgangsrecht eingeräumt.

Ehemann erzählt von ihrer Depression

Von ihrer Depression berichtet er, Selbstmord sei aber eigentlich nie ein Thema gewesen. Ihm kommen einmal die Tränen, als er von Emmas Tod berichtet. Und es lässt sich nur ahnen, wie ein Mensch fühlen muss, dem durch die eigene Ehefrau das Kind genommen wurde.

Larissa H. wippt bei seiner Aussage wieder ohne Unterlass, diesmal von vorne nach hinten. Sie hat die ganze Zeit den Kopf gesenkt, so dass ihr Gesicht hinter einem Vorhang aus Haaren verschwindet. Richter Jörg Schmitt fragt die Gutachterin wegen des Verhaltens der Angeklagten, ob diese wohl noch verhandlungsfähig sei. Doch Maren Losch hat keine Bedenken. Das Verfahren wird heute fortgesetzt.