Bottrop. Eine Liebeserklärung an Bottrop: witzig, schräg, schnoddrig und voller liebenswerter Charaktere, die jeder kennt und die es nur im Ruhrpott gibt.

Berlin ist sein Zuhause, Bottrop seine Heimat. Als Bild-Reporter reist Kai Feldhaus für Geschichten um die halbe Welt. Aus mehr als 50 Ländern hat er bisher berichtet. Doch immer wieder zieht es ihn zurück an den Ort seiner Kindheit und Jugend. Nun hat der 47-Jährige mit „Bottrop Boy“ eine Liebeserklärung an die Menschen im Ruhrpott und speziell in seiner Heimatstadt geschrieben.

Über viele Jahre habe er immer wieder Sprüche und Anekdoten aus dem Verwandten- und Bekanntenkreis gesammelt. Wenn er sie aufgeschrieben oder in der Gruppe beziehungsweise vor Leuten außerhalb des Ruhrpotts mündlich vortragen hat, ist das Gelächter groß gewesen. Irgendwann kommt ein Freund auf ihn zu und fragt, ob er nicht einmal darüber ein Buch schreiben will. Die erste Szene verfasst er 2010. Es folgt das erste Kapital. Dann passiert über Jahre nichts. Die Buchidee rückt in den Hintergrund.

Für Bild berichtet er aus den Krisengebieten der Welt

Andere, wichtigere Dinge kommen dazwischen. Feldhaus sieht als Journalist viel Elend und Leid dieser Welt. Nach einem Erdbeben im Jahr 2010 ist er in Haiti und erlebt, wie die Menschen in diesem bitterarmen Land ums Überleben kämpfen. Er berichtet im Laufe der Jahre vor Ort unter anderem von einer Flutkatastrophe in Pakistan, einer Hungersnot am Horn von Afrika oder von den Folgen eines Taifuns von den Philippinen.

„Das Schreiben des Buches hat als ein Hobby neben der Arbeit angefangen“, sagt er. Er muss sich in die eigenen Aufzeichnung immer wieder neu einlesen. Zu lange liegen meistens die letzten Zeilen zurück. Also fängt er erneut an. Irgendwann wird aus der Sammlung eine Geschichte und aus der Geschichte ein Buch. Nach einer mehrjährigen Schwangerschaft erblickt Andi Sikorra, der Bottrop Boy, schließlich das literarische Licht der Welt.

Das Buchcover von „Bottrop Boy“ mit Schnäuzer und Vokuhila-Friseur („Vorne kurz, hinten lang“). Der Roman von Kai Feldhaus ist erschienen im Correctiv-Verlag.
Das Buchcover von „Bottrop Boy“ mit Schnäuzer und Vokuhila-Friseur („Vorne kurz, hinten lang“). Der Roman von Kai Feldhaus ist erschienen im Correctiv-Verlag. © Kai Feldhaus

Die Geschichte spielt in Bottrop. Warum nicht in Berlin, wo er mit seiner Familie lebt? „Ich hätte natürlich den gefühlt 85-zigsten Berlin-Roman schreiben können, in dem drin steht, wie aufregend, arm und dreckig Berlin ist“, sagt der Bottroper. „Aber der Ruhrpott hat durch die Charaktere und Menschen, die dort leben, die viel spannenderen Geschichten zu erzählen.“ Ihm sei es nicht darum gegangen, Bottrop anhand der Wahrzeichen zu erklären, „sondern anhand der Menschen, wie lustig, schlagfertig und offen sie sind“.

Heimat sei für ihn mehr ein Gefühl als ein Wort. Auch nach langer Abwesenheit sei bei regelmäßigen Rückkehren alles so wie früher – ohne Aufwärmphase, dieselben Gestalten und Gesichter. Das wirke auf ihn „extrem beruhigend“. „Bottrop ist sehr berechenbar“, sagt er und meint das durchweg positiv. „Und zwar berechenbar auf eine gute und gesunde Art und Weise in einer heutzutage unberechenbaren Welt.“

Kai Feldhaus und Andi Sikorra sind Fans von Schalke 04

Zahlreiche ruhrpottstypische Eigenheiten, mal schrullig („Hömma, kannst du Linienrichter machen?“), skurril („Rock’n’Rolf“, „Himbeerbubi“) oder schnoddrig („Schwatten, machste vier Wacholder“) fließen in seine verschiedenen Charaktere ein. Der Roman beginnt mit einem Spruch, durch den Bottrop zweifelhafte Berühmtheit erlangt hat. Den Spruch „Kommste aus Bottrop, kriegste auf den Kopp dropp“ kennt jeder, braucht keiner. Feldhaus kann ihn nicht mehr hören.

So geht es auch Andi Sikorra. Als er in einer Kneipe damit konfrontiert wird, haut er dem Sprücheklopfer mit voller Wucht eine runter. Anschließend wird Sikorra (Typ: Faulpelz, Lokalpatriot mit gutem Herz, neigt zu gestörter Impulskontrolle) von einem Gericht zu Sozialarbeit verdonnert, seine Freundin Anja macht mit ihm Schluss. Er begibt sich auf den Weg nach dem Sinn seines Lebens und versucht seine große Liebe zurückzugewinnen. Aus der Patsche hilft ihm sein Vater Hermann, der eigentlich nur in Ruhe sein Bier trinken will und mit Vorliebe zum Kreisligafußball am Ascheplatz an der Paßstraße geht.

„Es ist ein Heimatroman und eine Vater-Sohn-Geschichte“, sagt Feldhaus. Und wie viel Autobiografie vom Autor steckt in Andi Sikorra? „Ich habe mich nie geprügelt. Und meinen Alkoholkonsum habe ich auch einigermaßen im Griff“, scherzt er. Die innige Liebe zum FC Schalke 04 teilt Sikorra allerdings mit seinem Schöpfer.

Bottroper Tradition: Nach der Kneipennacht an die Fischbude

Leser seiner Generation dürften sich beim Lesen an die eigene Jugend erinnern. Beispiel gefällig? Das Ende einer durchzechten Nacht verbringt Andi an einer Fischbude auf dem Bottroper Wochenmarkt. „Ja, das habe ich so erlebt“, gibt Feldhaus lachend zu. Bei ihm führte der Weg damals von der Kneipe „Mühle“, über die Disco „Swing“ in den frühen Morgenstunden schnurstracks zum Fischhändler seines Vertrauens. Ähnliche Routen, wie Andi Sikorra und Kai Feldhaus, sind viele Bottroper Kneipengänger früher gegangen.

Der 47-Jährige besucht seine Heimatstadt so oft es geht. „Wenn ich in Bottrop bin, gehe ich immer in meine Stammpommesbude.“ Gemeint ist der Artemis-Grill an der Sterkrader Straße. Unweit davon ist er aufgewachsen, zur Grundschule gegangen und hat jahrelang Fußball gepöhlt bei Blau-Weiß Fuhlenbrock. Heute lebt er im Osten von Berlin im Prenzlauer Berg. „Ich kann hier georgisch, äthiopisch und indisch essen“, sagt er. Griechische Pommesbuden, wie in der Heimat, sind rar gesät. „Eine schöne Currywurst mit Pommes, in einer Größe von der ich auch satt werde, bekomme ich nur in Bottrop.

Lesereise im Revier

Kai Feldhaus ist mit seinem Roman „Bottrop Boy“ in den kommenden Tagen auf Lesereise im Ruhrgebiet.

Die Termine: Am 23. Mai in Dortmund (19 Uhr, „Langer August“), am 24. Mai in Essen (19 Uhr, „LeseRaum Akazienallee“), am 25. Mai in Gelsenkirchen (17 Uhr, „Hier ist nicht da“) und am 26. Mai in Bochum (19.30 Uhr, „Rottstr.5 Theater“).

Heimspiele in Bottrop gibt’s am 27. Mai (19 Uhr, Brauerei „Bottroper Bier“). Die Veranstaltung ist bereits ausverkauft. Daher empfiehlt sich ein Besuch am 28. Mai, 12 Uhr, am Marktviertel Kiosk am Kirchplatz von St. Cyriakus. Der Eintritt ist bei allen Lesungen frei.

Das Buch (226 Seiten) ist im Correctiv-Verlag erschienen (Preis: 13 Euro). Erhältlich im Buchhandel oder auf shop.correctiv.org.