Bottrop. Der Verein feierte legendäre Herrensitzungen. Trotz rot-golder Vereinsfarbe tragen die Garden und Prinzen schwarz-gold. Aus bestimmtem Grund.

Der Wettergott und die KG Boy haben eine spezielle Beziehung zueinander. Wenn Petrus sich einen Platz im Karneval-Olymp des Vereins sichern möchte, muss er sich in den nächsten Jahren mächtig anstrengen.

Eine kurze Chronologie der Ereignisse: In der Session 2015/16 stellt die KG Boy zum ersten Mal seit ihrer Gründung im Jahr 1960 das Stadtkinderprinzenpaar (Lars I./ Annabelle II.). Es ist eine tolle und fröhliche Narrenzeit. Aber: Der Rosenmontagsumzug, der feierliche Höhepunkt der fünften Jahreszeit, fällt wegen einer Sturmwarnung aus.

Vielleicht hat das zweite Stadtkinderprinzenpaar, Calvin I. und Charlotte I., in der Session 2018/19 mehr Glück. Im Jahr zum 100. Geburtstag der Stadt Bottrop stellt die traditionsreiche KG Boy wieder das Kinderprinzenpaar. Was für ein Jubiläum und was für eine Ehre. Und es ist eine tolle und fröhliche Narrenzeit. Alles passt. Wirklich alles? Wettergott Petrus ärgert ein zweites Mal die KG Boy. Die Sturmgefahr an Rosenmontag ist wieder zu groß. Die Folge: erneute Absage.

Und Glücksgöttin Fortuna ist dem Verein zuletzt auch nicht hold. In der Session 2020/ 2021 springt die KG Boy für eine andere Gesellschaft kurzfristig ein und ist fest entschlossen, das neue Stadtprinzenpaar zu präsentieren. Alles ist vorbereitet. Dann kommt diese fiese Pandemie um die Ecke. Die Folge: keine Prinzenproklamation, keine Prunksitzung, kein Straßenkarneval.

Kurzum: Die Session fällt komplett ins Wasser. Organisation, Planung und Training der Garden sind für die Katz. „Das Prinzenpaar war auserkoren, die Orden bestellt, das Ornat in Auftrag gegeben und die Garden waren mit den Tänzen eingespielt“, sagt Klaus Buhla, Vorsitzender der KG Boy. In erster Linie tut es ihm für die Tanzgarden leid. „Unser Aushängeschild“, wie er sagt.

Aber die KG Boy lässt sich von derartigen Nackenschlägen nicht unterkriegen. Ein Karnevalist ist von Natur aus Optimist. „Das nächste Prinzenpaar stellen wir 2025/ 26“, sagt Klaus Buhla. Passend zur Schnapszahl. „Dann sind wir 66 Jahre alt, also 6 mal 11. Das ist eine karnevalistische Zahl.“ Dann wird der auserwählte Prinz mit seiner Prinzessin feierlich die Ornate tragen - in den Farben schwarz und gelb-gold. Komisch, denn eigentlich sind die Vereinsfarben doch rot und gelb-gold? Klaus Buhla klärt auf: „In einem solchen Kostüm sieht man aus wie ein Papagei“, sagt er. Also, fällt die Wahl letztlich auf schwarz-gelb-gold.

Klaus Buhla ist Ende der 80er-Jahre in die KG Boy eingetreten. Seit mehr als 30 Jahren ist er deren Vorsitzender, zwischendurch war er für drei Jahre zudem Präsident und mit Anneliese I. (Schürmann) regierte er 2003/04 als Klaus II. das Narrenvolk.

Die Wurzeln der KG liegen im „Narrentempel Boyer Hof“, wie die WAZ Bottrop die Gaststätte in den 60er-Jahren titelte. Anfang der 70er-Jahre ist die Begeisterung ungebrochen, immer mehr Bottroper stecken sich an mit dem „Bazillus carnevalis“ aus der Boy. Platzbedingt steht ein Umzug in die Aula Welheim an – bis heute das närrische Tollhaus des Vereins.

Die Prunksitzung gehört seit sechs Jahrzehnten zum festen Programmpunkt im Bottroper Karneval. Zwischenzeitig veranstaltete die KG Boy sogar drei Sitzungen – nämlich noch eine Damen- und eine Herrensitzung. Beide finden mittlerweile nicht mehr statt. Zur jährlichen Damensitzung an Altweiber kann Klaus Buhla nicht viel sagen, schließlich war die Anwesenheit der Männer nicht erwünscht. Ganz anders sieht seine Erinnerung bei der Herrensitzung aus. „Brechend voll“, ist das Erste, was ihm in den Sinn kommt. „Die Karten waren immer ruckzuck ausverkauft“, sagt er. „Wir hatten teilweise 150 Personen auf der Warteliste.“ Eine schöne Zeit sei dies gewesen.

Die Herrensitzung begann sonntags schon um 11 Uhr. Ab dieser Uhrzeit floss das Bier in Strömen, zwischendurch genehmigten sich die Herren der Schöpfung einen „Kurzen“. Die Männer der KG Boy mussten als Veranstalter jedoch halbwegs nüchtern bleiben. Witze unter die Gürtellinie waren erlaubt. „Das Programm war frivoler aufgebaut“, sagt Klaus Buhla. Auf den Tischen und Stühlen steppte sprichwörtlich der Bär, auf der Bühne lockten Nummern-Girls in knappen Kostümen mit ihren Reizen. Beim Striptease fiel so manches Kleidungsstück.

Einer behielt in dieser testosterongeschwängerten Atmosphäre den Überblick. Reinhard Müller, legendärer Präsident bei der Prunk- und Herrensitzung der KG Boy und späterer Vorsitzender des Festkomitees Bottroper Karneval, dirigierte als Zeremonienmeister das jubelnde Männervolk. „Ein Karnevalist wie er im Buche stand“, sagt Buhla in Erinnerung an den verstorbenen Vollblutjecken.