Bottrop. Eigentlich ginge es es jetzt in die heiße Phase des Karnevals, doch da findet dieses Jahr nichts statt. Was heißt das für eingefleischte Jecken?

Am nächsten Donnerstag ist Weiberfastnacht, dann Rosenmontag - Termine, die in diesem Jahr fast untergehen. Es finden keine Veranstaltungen statt, keine Kirmes wird aufgebaut, wer nun nicht besonders närrisch ist, dem könnten diese Termine fast durchgehen. Aber was machen eingefleischte Karnevalisten in diesem Jahr, in dem Corona dem Karneval den Saft abdreht? Viele Bottroper engagieren sich in den Gesellschaften, würden nun gemeinsam auf den Sitzungen feiern, den Rosenmontagszug organisieren oder sich den vielen Kindern und Jugendlichen in den Tanzgarden widmen. Was macht der Karneval-Lockdown mit all diesen Menschen? Bei einigen von ihnen hat die Lokalredaktion nachgefragt.

Der Festkomitee-Vorsitzende

Frank Feser hat technisch aufgerüstet - für die Videokonferenzen. Ausschlaggebend war da nicht allein der Karneval, aber auch in dem Bereich gilt ja wie für viele andere: Vieles spielt sich digital ab. „Unsere Absprachen im Festkomitee laufen auch per Video“, sagt Frank Feser. Doch klar sei eben auch: Die virtuelle Welt kann den echten Karneval nicht ersetzen.

Frank Feser, hier bei der Proklamation des Prinzenpaares 2018, Heiko I. und Sonja I.
Frank Feser, hier bei der Proklamation des Prinzenpaares 2018, Heiko I. und Sonja I. © FUNKE Foto Services | Thomas Gödde

„Um den Rosenmontag und den Zug tut es mir besonders leid, das ist ja der Höhepunkt der Session.“ Ihm persönlich fehle aber auch der direkte Kontakt, das Miteinander und das gemeinsame Feiern auf den Sitzungen. „All das fällt ja flach und niemand kann uns sagen, wie es in der nächsten Session aussieht.“ Das sei besonders schwierig, weil schon jetzt teilweise parallel die Vorbereitungen liefen - etwa die Anfrage bei Künstlern. Daneben, das räumt Feser ein, gebe es aber auch Kleinigkeiten, die er nicht vermisst. Auf organisatorischer Ebene beispielsweise, wenn es darum gehe, das richtige Wasserrohr zum Anschluss des Toilettenwagens aufzutreiben.

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Doch bei weitem überwiege eben die Wehmut bei dem Gedanken daran, was alles nicht stattfinden kann. „Mir tut es auch leid für die Gardetänzerinnen, die alles vorbereitet hatten, oder für denjenigen, der eigentlich Karnevalsprinz werden wollte“, erinnert der Vorsitzende des Festkomitees an andere, deren Träume nun womöglich auch zerplatzt sind.

Die Gardetrainerin

„Es war alles vorbereitet, wir hatten alle Tänze einstudiert, sogar den Prinzentanz“, sagt Tanja Buhla-Schramm. Sie ist bei der KG Boy verantwortlich für die Garden, trainiert die Tänzerinnen. Und da die KG Boy diesmal hätte den Prinzen stellen sollen, habe man sich natürlich viel vorgenommen. Einiges davon wird nun wohl sogar umsonst gewesen sein, bedauert die Trainerin. Den Prinzentanz werden die Tänzerinnen aus der Boy wohl nicht aufführen können. In der nächsten Session ist eine andere Gesellschaft an der Reihe.

Eine der Garden der KG Boy beim Auftritt. Trainerin Tanja Buhla-Schramm vermisst den Kontakt zu ihren Schützlingen.
Eine der Garden der KG Boy beim Auftritt. Trainerin Tanja Buhla-Schramm vermisst den Kontakt zu ihren Schützlingen. © FUNKE Foto Services | Frank Oppitz

Seit 32 Jahren ist Tanja Buhla-Schramm in der KG aktiv, erst auch als Tänzerin, jetzt als Trainerin. Der Karneval ist Teil ihres Lebens. „Damit, dass jetzt alles ausfällt, komme ich überhaupt nicht klar“, gibt sie zu. Dazu komme eben, dass auch die Kinder in den Garden leiden. „Die haben so lang darauf hingearbeitet.“ Die 44-Jährige versucht einiges, um das Training auch im Lockdown aufrecht zu halten. Verschickt Musik und Schrittfolgen, dazu Aufwärm- und Stretch-Videos, so dass jeder zu Hause trainieren kann, doch bei den Kindern hätten nun schon zwei die Garde verlassen, bedauert sie die Entwicklung.

Im ersten Lockdown sei es noch einfacher gewesen, die Einschränkungen noch nicht ganz so groß. „Da haben wir dann kurzerhand in unserem Garten trainiert.“ Dass die Wiese am Ende hinüber war – echte Karnevalisten bringen dieses Opfer locker. Sie freue sich schon darauf, alle ihre Tänzerinnen wieder zu sehen, wenn das Training endlich wieder losgeht. Obwohl sie schon jetzt ahnt: „Es wird einiges an Kondition verloren gegangen sein, das müssen wir wieder trainieren.“ Klar sei der Karneval auch stressig. „Aber es ist schöner Stress, ein Ausgleich zu Arbeitsleben oder Schule.“

Der Sitzungspräsident

Ganz ohne Karneval verlief die Session auch für Ralf Jörgens nicht. Seine Gesellschaft, die Kleine Karnevalsgesellschaft (KKG), hat immerhin eine Wohnzimmersitzung organisiert. „Wir haben ein Video gemacht, das haben wir an alle Mitglieder verschickt. Dann haben wir an dem Tag, an dem eigentlich unsere Prunksitzung stattgefunden hätte, gemeinsam über Zoom angestoßen und alle haben das Video gestartet.“ Rückblicke, aber auch musikalische Ausblicke habe man da verarbeitet sowie musikalische Beiträge.

Ralf Jörgens, hier als Ralf I. mit Michelle I. im Jahr 2018 bei seinem Heimspiel auf der KKG-Prunksitzung.
Ralf Jörgens, hier als Ralf I. mit Michelle I. im Jahr 2018 bei seinem Heimspiel auf der KKG-Prunksitzung. © FUNKE Foto Services | Thomas Gödde

Es sei ein toller Erfolg gewesen, sagt Jörgens, gibt aber auch zu: „Man muss es nicht wiederholen.“ Vielmehr hofft der KKG-Vorsitzende und Sitzungspräsident, dass in der kommenden Session wieder alles normal laufe. Das ist auch seine Hoffnung für die Künstler. Denen musste er in diesem Jahr die Auftritte auf den Sitzungen absagen. Gut für die Gesellschaft: Durch entsprechende Klauseln und frühe Entscheidungen seien ihr da keine Kosten entstanden, sagt der Vorsitzende.

Freuen kann er sich darüber nicht, denn er sieht selbstverständlich auch die Sorgen der Künstler. Immerhin: „Wir haben vielfach dann schon Verträge für die nächste Session abgeschlossen.“ Dann läuft hoffentlich wieder alles normal, so der Wunsch von Ralf Jörgens. Einzig das Aufräumen am Tag nach der Sitzung, das vermisse er nun wirklich nicht, scherzt er.

Der Hoppeditz

Streng genommen schläft Marco Lewis immer noch. Denn in dieser Session hat niemand den Hoppeditz wachgeküsst. Traditionell ist das die letzte Tat der dann noch amtierenden Prinzessin. Doch schon dieser Termin am 11. 11. auf dem Berliner Platz fiel schon Corona zum Opfer.

Am 11. 11. 2019 wurde Hoppeditz Marco Lewis letztmals wachgeküsst, damals von Adjutantin Kirsten.
Am 11. 11. 2019 wurde Hoppeditz Marco Lewis letztmals wachgeküsst, damals von Adjutantin Kirsten. © FUNKE Foto Services | Heinrich Jung

Der gebürtige Brite, der selbst sagt, er sei in den Karneval nur so reingerutscht und nun voll dabei, vermisst seine Bühnenauftritte. Als Teil der Flotten Bienen der KKG wäre er nun auf den Bottroper Bühnen unterwegs, dazu sein Auftritt als Hoppeditz. Es sei aber nicht nur der Kontakt zum Publikum, der fehlt. Auch das gemeinsame Brainstormen, zusammen ein Programm zu entwickeln und einzustudieren, das vermisse er.

Zum Glück gebe es nun die Ausstellung der Karnevalisten in den Schaufenstern der Althoff-Arkaden, um zumindest so zu zeigen, dass es noch andere Dinge als Corona gibt, sagt Lewis. Seine Hoffnung: Dadurch, dass Karneval jetzt nicht gefeiert werden kann, würden ihn vielleicht mehr Menschen auf einmal vermissen. „Vielleicht bringen sich diejenigen dann nächste Session stärker ein oder kommen wenigstens zu Veranstaltungen.“ Vielleicht schon wieder am 11. 11., wenn der Hoppeditz dann doch endlich aufwachen darf.

Der Musiker

Auf der Bühne beim Rathaussturm, später auch oben im Ratssaal – das ist nur einer der Auftrittsorte, an denen man Ansgar Behler im Karnevals normalerweise trifft. Er ist die eine Hälfte des Duos BeGe, das sich quasi im Karneval gefunden hat. „Ich vermisse den Karneval sehr, ich bin immer gerne dabei und es fehlt jetzt kolossal.“

Das Duo BeGe Ansgar Behler (r.) und Thomas Geilich bei einem Auftritt auf der KKG-Sitzung 2019.
Das Duo BeGe Ansgar Behler (r.) und Thomas Geilich bei einem Auftritt auf der KKG-Sitzung 2019. © Funke Foto Services GmbH | Joachim Kleine-Büning

Zusammengefunden haben sich die beiden Musiker für den Kolpingkarneval auf dem Eigen, inzwischen sind sie an den närrischen Tagen auf vielen Bottroper Bühnen zu Hause. In diesem Jahr jedoch - Flaute. „Für die Wohnzimmersitzung der KKG haben wir einen Beitrag aufgenommen“, sagt Behler. Jeder habe für sich seinen Part zu Hause gespielt, das fertig gemischte Stück war dann Teil dieser etwas anderen Sitzung.

Doch als Musiker vermisst Behler die Auftritte, das Publikum, das man auf den Sitzungen mitreißen kann, auch die gemeinsamen Proben mit den anderen Musikern. Rund zehn Auftritte absolviert das Duo sonst in einer Session. Dazu kommen weitere Auftritte etwa in Kneipen. „Dass das alles nicht stattfinden kann, ist schon schade.“ Zuletzt stand das Duo am 28. Februar auf der Bühne.

Der Tanzmajor

Normalerweise wäre Ben Adams jetzt in der ganzen Region unterwegs. Bestimmt 30 Auftritte ständen für den 19-jährigen Tanzmajor in einer normalen Session im Kalender. Als Solotänzer, mit Partnerin oder in der Gruppe mit dem Tanzsportverein – jetzt wäre die Zeit auf der Bühne.

Ben Adams 2019 mit einem seiner zahlreichen Preise.
Ben Adams 2019 mit einem seiner zahlreichen Preise. © Adams

Stattdessen stehen diesmal gerade einmal zwei Auftritte an – im Autokino in Herne und eine Videoaufzeichnung für die Verleihung des Entenordens in Recklinghausen. Dabei fehle es ihm, auf der Bühne zu stehen, das Publikum zu sehen und am Ende auch den Applaus zu ernten, sagt Adams.

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Statt Spaß im Karneval und auf den Bühnen der Region steht nun das Studium im Mittelpunkt. Er habe die Zeit genutzt und viel gelernt, sagt der Student. Dazu halte er den Kontakt zu den Mitstreitern im Tanzsportverein über Videokonferenzen. Aber auf diesem Weg zu trainieren, sei schwierig. Klar, mit entsprechenden Workouts halte er sich fit, aber akrobatische Elemente oder gar Figuren könne man so nicht trainieren.

Und Rosenmontag? „Im besten Fall feiere ich mit Freunden auf Zoom, realistischer ist aber, dass ich auch da für die Uni lernen werde“, vermutet der Tanzmajor.