Bottrop. Eine Bottroper Mutter ist entsetzt: Sie hat mit ihrem Sohn vier Stunden in der Notfallambulanz des Marienhospitals gewartet – und das vergeblich.

Nicole Hermes ist entsetzt. An einem Abend Anfang Oktober habe sie mit ihrem erst eineinhalbjährigen Sohn, der gestürzt war, rund vier Stunden in der Notfallambulanz der Kinderklinik am Marienhospital Bottrop gewartet. Und sei dann mit dem unbehandelten Kind wieder gegangen. „Das grenzt doch an Fahrlässigkeit beziehungsweise unterlassene Hilfeleistung. Wie kann eine Notaufnahme so eng besetzt sein und verunfallte Kinder über zig Stunden unversorgt sein?“, fragt sie. Der Chefarzt der Kinderklinik, Dr. Mirco Kuhnigk, hat der Mutter inzwischen sein Bedauern ausgedrückt und versichert: „Wir arbeiten hart daran, dass so etwas nicht wieder passiert.“

Bottroper Marienhospital: Eineinhalbjähriger wird vier Stunden nicht versorgt

Das ist laut der Bottroperin passiert: Leon ist in der Wohnung so unglücklich gefallen, dass er sich eine stark blutende Wunde an der Zunge zugezogen hat. Als dreifache Mutter und Pflegekraft verliert Nicole Hermes nicht so schnell die Nerven. Sie schaffte es, die akute Blutung zu stillen, und eilte dann zur Notfallambulanz der Kinderklinik.

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„Ich wollte von Fachleuten abgeklärt haben, ob die Wunde genäht werden muss.“ Um mögliche negative Folgen zu verhindern, etwa für die Sprachentwicklung des Kleinkindes.

Am MHB habe es geheißen, ein Arzt wolle sich die Verletzung anschauen und dann entscheiden, was zu tun ist. Möglicherweise hätte die Familie dann noch schnell weitergemusst, zu einer spezialisierten Mund-/Kiefer-/Gesichtschirurgie außerhalb Bottrops. Doch so weit kam es nicht. „Nach zweieinhalb Stunden Wartezeit habe ich das erste Mal nachgefragt“, so Hermes.

Bottroper Mutter verlässt Krankenhaus ohne Behandlung ihres Sohnes

Immerhin hätten sie nach dieser Zeit von ihrem Warteplatz auf dem Flur in ein Behandlungszimmer wechseln können. Die freundliche und sehr bemühte Schwester habe alles getan, was in ihrer Verantwortung getan werden konnte. Mehr aber sei nicht passiert. „Nach vier Stunden, in denen mein Sohn weder etwas getrunken noch sonstwas hatte, sind wir vollkommen unbehandelt wieder gegangen.“

Ja, wichtige Notfälle gehen vor, betont Nicole Hermes, die auch einen Rettungswagen hat vorfahren sehen. Aber fast vier Stunden mit einem kleinen, wenn auch anfangs quietschfidelen Kind warten zu müssen? Immerhin sei ihre Kleidung voller Blut gewesen, doch wohl ein Zeichen dafür, dass sie nicht wegen einer Lappalie gekommen seien. „Es ging ums Draufgucken!“

Bottroperin zum Marienhospital: „Personal war überlastet“

Nach ihrem Gefühl war das Personal überlastet, sie spricht von einer Fehlorganisation. Nicht das erste Mal habe sie mit einem kranken Kind in der Notfallambulanz so lange gewartet, und sie kenne auch ähnliche Geschichten aus dem Bekanntenkreis. Dort habe man ihr schon geraten, beim nächsten Mal die kassenärztliche Notfallpraxis für Kinder in Buer aufzusuchen.

Ärzte kümmern sich auch um stationäre Patienten

Auf der Internetseite der MHB-Kinderklinik heißt es in der Rubrik Notfallambulanz zum Thema Wartezeiten: „Die Wartezeiten in der Notfallambulanz möchten wir für Sie so kurz wie möglich halten. Es kann zu Wartezeiten kommen, da die Ärzte sich auch um alle stationären Patienten kümmern müssen.“

Das Krankenhaus bittet um Verständnis, „dass Notfälle immer vorrangig behandelt werden müssen. Bei uns soll jedes Kind bestmöglich medizinisch versorgt werden. Unsere Statistik zeigt 71,9 Prozent der Patienten haben eine Wartezeit von weniger als einer halben Stunde in Kauf nehmen müssen.“

Dabei heiße es ja auf der Homepage des MHB: Die Kinderklinik-Ambulanz ist erreichbar, wenn der Kinderarzt geschlossen hat. Hermes: „Selbst wenn zig Notfälle da waren beziehungsweise mit RTW rein kamen, so wird mein Hund in der Tierklinik besser behandelt, denn da kommt ein Doc aus der Bereitschaft.“

Kinderarzt zur Wunde: „Jetzt ist es zu spät zum Nähen“

Der Kinderarzt, den Nicole Hermes mit Leon am nächsten Tag aufsuchte, habe gesagt: Die Verletzung ist derb, aber jetzt ist es letztendlich zu spät fürs Nähen. „Wir müssen das jetzt konservativ heilen lassen.“ Schwer wiegende Folgen seien aber nicht zu befürchten.

Doch das hätte man im MHB von ärztlicher Seite aus gar nicht einschätzen können, findet die Bottroperin, „die haben sich die Wunde ja nicht einmal angeguckt“. Nicole Hermes fragt: „Wenn dem Jungen was passiert wäre, was wäre dann? Dann wäre es ganz klar ein Fall der unterlassenen Hilfeleistung!“ Ihr Anliegen: „Dem nächsten Kind muss anders geholfen werden.“

„Wir haben im Jahr mehr als 15.000 ambulante Patienten in der Kinderklinik und alle werden nach einem definierten Standard behandelt“, sagt MHB-Geschäftsführerin Dr. Ulrike Ellebrecht. „Da auch bei uns nur Menschen arbeiten, kann es im Einzelfall – wie hier geschehen – zu langen Wartezeiten kommen.“ Deshalb habe das MHB das Gespräch mit der Mutter gesucht, das inzwischen „zur Zufriedenheit aller“ stattgefunden habe. Berechtigte Kritik nehme die Klinik zum Anlass, „entsprechende Prozesse anzuschauen und möglicherweise anzupassen“.