Bottrop. Der Umbau für den neuen Netto in Bottrops Innenstadt soll diese Woche starten. Händler im Umfeld befürchten die Abwertung des Marktviertels.
Die Wirtschaftsförderung hatte es im Sommer als große Erfolgsnachricht verkauft: Nach jahrelangem Leerstand zieht der Discounter Netto in die ehemaligen Althoff-Arkaden. In dieser Woche sollen die Umbauarbeiten starten – mit Verzögerung. Doch nicht jeder ist begeistert von dieser Ansiedlung, im Gegenteil: Händler ärgern sich und fürchten eine deutliche Abwertung der Innenstadt.
„Leerstände sind ein Gräuel, aber es gibt Sachen, die sind noch schlimmer als Leerstände“, sagt Ulrich Scharun. Seine Biometzgerei liegt auf der Poststraße im näheren Umfeld, seine Frau und er engagieren sich in Werbegemeinschaften, sowohl in der Stadt als auch in Kirchhellen, wo ihre zweite Filiale liegt. Die Ansiedlung Nettos, sie bringe Bottrop nicht weiter.
Lesen Sie hier den Kommentar: Netto gehört nicht in die Fußgängerzone
Bottroper Innenstadt: „Wer möchte sich schon neben Netto ansiedeln?“
Im Gegenteil: „Da geht keiner hin, um seinen Wocheneinkauf zu machen, nur die, die sowieso in der Stadt rumlungern.“ Der Discounter mietet den Abschnitt der ehemaligen Althoff-Arkaden, der sich hoch zum Pferdemarkt zieht. Daneben bleibt eine freie Fläche, recht klein im Erdgeschoss mit über 2000 Quadratmetern im ersten Stock. „Wer soll da einziehen, wer möchte sich schon neben Netto ansiedeln?“, fragt Scharun.
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Verärgert ist er, weil die Stadt so tue als ob sie die Händler unterstütze – aber bei dieser Entscheidung habe sie niemanden mit ins Boot geholt. „Das ist kein Miteinander. Wir wollen etwas für unsere Stadt tun, aber mit uns setzt sich die Stadt nicht an einen Tisch.“
„Den Investoren in Bottrop wird alles möglich gemacht“
Eine, die zu den engagierten Kaufleuten in Bottrop gehört, ist Christina Berger. Sie ist Teil der Interessensgemeinschaft Marktviertel, hat vor über fünf Jahren ihr Café Kram am Kirchplatz eröffnet. „Wir bemühen uns seit Jahren, die Innenstadt voranzubringen, und nun konzentriert sich die Stadt auf den Investor, aber kümmert sich nicht um einzelne Händler.“
Mehr als verwundert sei sie, wie schnell das alles gegangen ist, wie zügig die Genehmigungen da waren, während sie vier Monate darauf wartet, dass ein Fahrradständer vor ihrem Café entfernt wird. „Den Investoren wird alles möglich gemacht, sie werden hofiert.“
Hamburger Immobilien-Unternehmen ist Vermieter von Netto
Investor ist in diesem Fall die Devello AG. Das Hamburger Immobilien-Unternehmen hatte das ehemalige Karstadtgebäude vor sechs Jahren gekauft. Seitdem Anfang 2019 das Kaufhaus Moses als Ankermieter Insolvenz anmeldete und wenige Monate später auch das Schuhgeschäft Ostermann trotz vorherigem gegenteiligem Bekunden ebenfalls die Althoff-Arkaden verließ, steht das Erdgeschoss der Immobilie leer.
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Als nun überhaupt ein Mieter gefunden war, zwei Jahre Leerstand ein Ende finden sollten, schien das für viele erstmal eine gute Nachricht zu sein. „Netto ist ein starker Mieter“, sagte CDU-Fraktionschef Hermann Hirschfelder. Und SPD-Wirtschaftssprecher Frank Beicht meinte gar, dass „Netto unserer Innenstadt gut tut“ und bescheinigte den Grünen „Snobismus“. Die hatten die Frage aufgeworfen, ob ein Discounter tatsächlich der richtige Mieter für diese exklusive Lage ist.
Platz am Mensingbrunnen: Sorge vor der Trinker-Szene
Vor der Netto-Filiale auf der Osterfelder Straße hatte die Stadt die Bänke abmontieren lassen. Zu viele Trinker hatten sich dort getummelt, versorgt mit billigem Bier und Spirituosen vom gelb-roten Discounter. Viele fürchten nun, dass das gleiche am Mensingbrunnen passiert. Werden dann auch dort die Bänke rund um die drei Bäume verschwinden?
Oder wird dort, wo die IG Marktviertel mit dem samstäglichen Schwarzmarkt die Innenstadt belebt, künftig die Alki-Szene einen neuen Treffpunkt finden? „Dann wäre die Stadt gefordert durchzugreifen und ein Alkoholverbot an dieser Stelle durchzusetzen“, sagt Oliver Schröder, Vorsitzender der IG-Marktviertel. „Da müsste der Ordnungsdienst tatsächlich mal seine Möglichkeiten ausschöpfen.“
Immobilien-Investor Helmke zu Netto: „Technisch unvernünftig und nicht genehmigungsfähig“
Es sind nicht nur die Händler in der City, die sich sorgen, auch Immobilien-Investor Oliver Helmke, dem mehrere Gebäude im Umfeld gehören, sieht Netto als Fehlansiedlung. „Eigentlich hat unser Oberbürgermeister mit der Politik einen so guten Weg eingeschlagen, dass ich nicht verstehe, dass sie so einen Rückschritt hinnehmen“, sagt Helmke.
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Grundsätzlich sei ein Lebensmittelhandel in der Innenstadt sinnvoll, aber das Konzept Nettos, noch dazu auf über 1000 Quadratmetern, hält Helmke für „technisch unvernünftig und nicht genehmigungsfähig“. Probleme sieht er bei der Anlieferung, die durch die Fußgängerzone erfolgen soll – statt durch den Tunnel unter dem Gebäude, der, so heißt es, für Hotel-Parkplätze genutzt wird –, bei den Emissionen, die dadurch entstehen.
Engagierte Bottroper Händler sind enttäuscht
Das größte Problem aber sei die Demotivierung des Umfelds. „Wenn ich durch die Stadt laufe und mit Engagierten, die mit Herzblut für Bottrop brennen, oder mit meinen Mietern spreche, sind alle so enttäuscht“, sagt Oliver Helmke. „Alle lassen den Kopf hängen.“
Die Devello AG hat eine Anfrage von Freitagnachmittag zu den Anlieferungsmodalitäten und zum Start der Umbaumaßnahmen bis Redaktionsschluss unbeantwortet gelassen.