Bottrop. Kinder und Jugendliche leiden unter den Folgen der Pandemie. Die Bottroper CDU regt zwei längere Schuljahre an – nicht nur der Bildung wegen.

Die Folgen der Corona-Pandemie treiben derzeit viele Menschen um. Insbesondere Schülerinnen und Schüler leiden darunter. Während Biergärten aller Voraussicht nach in den nächsten Tagen öffnen dürfen, ebenso Tourismusregionen, sind die Kinder und Jugendlichen nach wie vor im Wechselunterricht.

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Das hat Folgen: Zuletzt hatte Heinz-Peter Meidinger, Präsident des Lehrerverbands, vorgerechnet, dass jeder Schülerin und jedem Schüler 350 bis 800 Unterrichtsstunden fehlten. Das entspricht in etwa einem Halbjahr. Diese Lücken gilt es zu schließen. Der Präsident des Lehrerverbands fordert dazu verpflichtende Nachhilfeprogramme im kommenden Schuljahr. Die Bottroper CDU spricht sich für eine andere Variante aus. Sie schlägt vor, die beiden kommenden Schuljahre um jeweils ein halbes Jahr zu verlängern. So würde nicht nur der Unterrichtsstoff aufgeholt, sondern auch Defizite im sozialen Bereich, im Miteinander.

Bottroper CDU hat an die beiden Bottroper Landtagsabgeordneten geschrieben

Diesen Vorschlag hat die Bottroper CDU-Ratsfraktion an die beiden Bottroper Landtagsabgeordneten Thomas Göddertz (SPD) und Anette Bunse (CDU) geschickt, mit der Bitte, ihn in ihre Fraktionen in Düsseldorf zu tragen. Von Anette Bunse wisse er, dass das auch schon geschehen ist und dass sie das entsprechende Schreiben auch an Schulministerin Yvonne Gebauer weitergeleitet habe, sagt Bastian Hirschfelder.

Die beiden Bottroper CDU-Ratsherren Bastian Hirschfelder (r.) und Rainer Hürter stellen die Idee der verlängerten Schuljahre vor.
Die beiden Bottroper CDU-Ratsherren Bastian Hirschfelder (r.) und Rainer Hürter stellen die Idee der verlängerten Schuljahre vor. © FUNKE Foto Services | Thomas Gödde

Der Vorsitzende des Jugendhilfeausschusses im Bottroper Rat hat das CDU-Schreiben gemeinsam mit dem Schulausschussvorsitzenden Rainer Hürter unterschrieben. Gemeinsam mit ihrer Fraktion werben die beiden dafür, angesichts der Pandemie auch über ungewöhnliche Ideen nachzudenken und darüber zu diskutieren. Dass die Bottroper Kommunalpolitik nicht über die Schulpolitik entscheide, das sei klar, doch es gehe darum, eine Anregung weiterzugeben. Die komme ja gar nicht mal allein aus Bottrop, sagt Bastian Hirschfelder und verweist auf einen Text aus der Zeit. Unter dem Titel „Geschenkte Zeit“ war sie da vorgestellt worden.

Soziale und emotionale Entwicklung und Integration findet auch in der Schule statt

Anstatt im Sommer würde das kommende Schuljahr dann also erst im Winter 2022/23 enden. Das Schuljahr, das sich daran anschließt, dann im Sommer 2024. Der CDU sei bewusst, dass dieser Vorschlag außergewöhnlich, für manche gar „extrem“ klinge. Auf der anderen Seite habe sich aber in der Vergangenheit gezeigt, dass das System Schule durchaus flexibel reagieren könne, sagen Hürter und Hirschfelder übereinstimmend und erinnern an Kurzschuljahre in den 1960er-Jahren.

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Vorteil einer solchen ungewöhnlichen Lösung sei eben, dass nicht nur der Unterrichtsstoff nachgeholt werden könne. „Im Bereich der sozialen und emotionalen Entwicklung sowie der Integration ist ja auch vieles auf der Strecke geblieben, ganz unabhängig vom Lernstoff“, erinnert Bastian Hirschfelder.

Gemeinsame Erlebnisse wie etwa Klassenfahrten, die Gruppen zusammenschweißen und Kinder selbstständiger und unabhängiger von Zuhause machten, seien auch ausgefallen und könnten nachgeholt werden, gleiches gelte für Berufspraktika. Auch die Sprachkompetenz vieler Kinder habe gelitten.

Bottroper Jugendparlament hatte Schreiben an die Schulministerin angekündigt

Gehe es um die Corona-Folgen, sei es unverständlich, warum nicht alle Parteien an einem Strang zögen. Rainer Hürter: „Aus unserer Sicht geht es hier nicht um Parteipolitik oder gar Wahlkampf. Wir wollen ein Thema in den Mittelpunkt stellen.“ Die Idee, die Schuljahre zu verlängern, sei ein Diskussionsansatz. Zuletzt hatte sich auch das Bottroper Jugendparlament mit dem Thema befasst und ein Schreiben an Schulministerin Gerbauer angekündigt. „Es geht uns darum klarzumachen, dass es den Bottroper Schülerinnen und Schülern in der Corona-Krise nicht gut geht“, sagte You.Pa-Vorsitzender Max Fockenberg in dem Zusammenhang.

Man müsse etwas tun, denn „Kinder und Jugendliche könnten sonst zu den Verlierern der Pandemie werden“, warnt Rainer Hürter, selbst pensionierter Lehrer. Dass inzwischen zwei Milliarden für Nachhilfe und andere Programme bereitstehen, sei richtig, reiche aber nicht, glaubt er.

Noch immer sei unklar, wie das organisiert werden soll, sollen Schüler und Lehrer tatsächlich ihre Ferien opfern? Steigen Lehramtsstudenten und Kräfte aus dem Ruhestand dafür mit ein? Hier könne zweimal ein halbes Jahr für alle Beteiligten Entlastung bringen, glauben Hürter und Hirschfelder – wohlwissend, dass es sicher auch Kinder gebe, bei denen der Bedarf dafür weniger stark ausgeprägt ist.

CDU-Appell: „Gebt den Kindern diese Zeit“

Dass das Auswirkungen auf die Kitas haben wird und dass junge Menschen dann erst später in Beruf oder Studium einsteigen werden, ist den CDU-Vertretern bewusst. Doch im Sinne der Kinder und Jugendlichen könne man da sicher eine Lösung finden, so ihre Überzeugung. „Wir wollen den Schülern die Möglichkeit geben, Lücken und Defizite in wesentlichen Bereichen aufzuarbeiten, ihnen Zeit zurückgeben, um sie dann emotional reif in Studium und Beruf zu entlassen.“

Es gebe Subventionen in Milliardenhöhe für die Wirtschaft, die hätten ihre Berechtigung, doch darüber dürfe man nicht diejenigen vergessen, die die Zukunft des Landes darstellten. „Geben wir ihnen diese Zeit“ – so der CDU-Appell in dem Schreiben.

In den Städtetag

Die Bottroper CDU-Fraktion will nicht nur im Landtag und bei der Schulministerin für die Idee der verlängerten Schuljahre werben. Sie will den Vorschlag auch in den Städtetag einbringen.

Deshalb bitten die Verfasser des Briefes ausdrücklich auch den Bottroper Schuldezernenten Paul Ketzer, in diesem Gremium die Diskussion voranzutreiben und den Städtetag bezüglich dieser Thematik anzuschreiben.