Bottrop. Anlaufstelle für geflüchtete Menschen auf dem Weg in den Beruf ist der Integration Point. Sprachausbildung und Qualifizierung brauchen Zeit.
So unterschiedlich die Menschen sind, die aus ihrer Heimat nach Deutschland fliehen, so unterschiedlich sind auch die Arbeitsplätze, die ein wachsender Teil von ihnen inzwischen gefunden hat: vom Helfer bis zum Spezialisten reicht das Spektrum, sagt Thomas Schneider, Geschäftsstellenleiter der Bottroper Arbeitsagentur; vom Berufskraftfahrer bis zum Arzt. Kompetenzen abklopfen, Qualifizierungen anbieten, Einstiege in den Arbeitsmarkt finden – darum kümmern sich Experten von Arbeitsagentur und Jobcenter unter dem Dach des „Integration Point“. „Im Ruhrgebietsvergleich haben wir eine vorzeigbare Quote der Integration“, bilanziert Thorsten Bräuninger, Geschäftsführer des Jobcenters, fünf Jahre nach dem Höhepunkt der Flüchtlingskrise.
Integration Point ist in Bottrop seit 2016 aktiv
Die Organisationseinheit „Integration Point“ haben die beiden Behörden mit der Stadt 2016 als Anlaufstelle für Flüchtlinge auf dem Weg zum Job eingerichtet. Diesen Weg können sie immer nur Schritt für Schritt gehen. Bräuninger beschreibt das so: Die Geflüchteten kommen an, Unterkunft und Sicherstellung des Lebensunterhalts haben erste Priorität. Wer sich im laufenden Asylverfahren oder in Duldung befindet, erhält finanzielle Unterstützung nach dem Asylbewerberleistungsgesetz durch das Sozialamt. Das sind in Bottrop laut Sozialamt rund 550 Menschen.
Wird aber eine Anerkennung ausgesprochen, ist das Jobcenter zuständig. 2015 zählte man dort 173 erwerbsfähige Leistungsberechtigte (ab 15 Jahre bis Rentenalter) aus den acht Herkunftsstaaten Syrien, Eritrea, Irak, Nigeria, Iran, Afghanistan, Somalia, Pakistan. „Damals waren die meisten Menschen noch im Prüfverfahren des Bundesamtes für Flüchtlinge und Migration“, so Bräuninger. „Das hat sich dann sukzessive aufgebaut.“ Jetzt sind beim Jobcenter knapp 1350 erwerbsfähige Flüchtlinge registriert; zusammen mit Kindern beziehen rund 2200 geflüchtete Menschen Grundsicherung.
Strategie: Anzahl der Arbeitsaufnahmen durch Flüchtlinge sukzessive steigern
Die Strategie sah von Beginn an vor, über Sprachausbildung (seit Ende 2015 seien 1664 reine Sprachqualifikationskurse organisiert worden), frühe Heranführung an den Arbeitsmarkt u.a. durch Praktika und Qualifizierung die Anzahl der sozialversicherungspflichtigen Arbeitsaufnahmen sukzessive zu steigern. 2016 zählte man im Jobcenter 33 Arbeitsaufnahmen (Integrationsquote in den Arbeitsmarkt: sieben Prozent), 2019 waren es 273 (knapp 22 Prozent) und 2020 Stand Mai 98.
Damit das gelingt, warten die Berater die Entscheidung im Anerkennungsverfahren nicht erst ab, sondern nehmen möglichst früh Kontakt mit den Menschen auf, berichten Schneider und Bräuninger, gerade bei guter Bleibeperspektive. Wer noch im Prüfverfahren bzw. in Duldung ist, ist bei der Arbeitsagentur gemeldet. Im Juni waren es 132 Personen auf Arbeitssuche, davon 94 arbeitslos und die übrigen u.a. noch in Maßnahmen. „Von Januar bis Mai haben wir 15 Menschen in den Arbeitsmarkt integriert“, berichtet der Geschäftsstellenleiter.
Meistens geht es um gewerbliche Berufsbilder, sagt Schneider. „Wir haben auch Lehrer, Doktoren und Ingenieure darunter. Da stellt sich immer auch die Frage der beruflichen Anerkennung.“ Bräuninger ergänzt: „Das ist nicht die dominierende Zahl der Arbeitsaufnahmen.“ Zum größten Teil werde geguckt: Was ist praktisch an Kompetenzen da, wo kann man Ausbildungen bzw. Qualifizierungen aufsetzen, die den Anforderungen in Deutschland auch entsprechen. Schneider: „Viele kommen mit etwas falschen Vorstellungen auf den deutschen Arbeitsmarkt.“
Die deutsche Sprache ist die Grundvoraussetzung
Sprache ist für alles die Grundvoraussetzung; aktuell stünden beim Jobcenter nur noch 40 Menschen auf der Vormerkliste für einen Integrationskurs. Entscheidend ist aber der Sprachgebrauch, möglichst früh auch in einem Arbeitsumfeld. „Insbesondere im U-25-Bereich gibt es eigentlich keine Sprachbarrieren mehr“, so Bräuninger. Die Wahrscheinlichkeit für Sprachprobleme erhöhe sich indes mit dem Alter.
Am Ende sei es mitnichten so, dass alle im Helfer-Bereich landen. Wobei auch dieser seine Berechtigung habe. Häufig finde darüber der Einstieg in den Arbeitsmarkt statt – mit der Möglichkeit, sich später weiter zu qualifizieren. Aber etwa auch Berufskraftfahrer, Triebwagenführer, Schweißer würden aktuell beschäftigt.
Auf dem eingeschlagenen Pfad wollen die Behörden weiter arbeiten. Bräuninger: „2015/2016 war das schon ein Arbeiten unter großem Druck, wir mussten Personal aufbauen, Strukturen ändern.“ Auch Mitarbeiter sprachlich fortbilden und Dolmetscher beschäftigen. „Doch jetzt ist ja alles da!“
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