Bottrop. „Deutlich bessere Leistungen“ verspricht der Verkehrsverbund mit der Fahrplanumstellung. Echt? In der Boy werden die Bahnverbindungen halbiert.
Ab dem 15. Dezember „startet die S-Bahn Rhein-Ruhr in die Zukunft“, trommelt der Verkehrsverbund (VRR) seit drei Jahren und verspricht „deutlich bessere Leistungen“. Für 540 Pendler, die derzeit noch täglich am Bahnhof Boy ein- und aussteigen, sieht die nahe Zukunft so aus: Statt zwei Bahnen pro Stunde und Richtung hält demnächst nur noch eine.
Das Problem ist bekannt: Der Nahverkehr vor allem in Bottrop startet im Wortsinn verspätet in die Zukunft, weil den neuen Nahverkehrs-Anbietern ebenso wie die Bahn-Tochter DB Regio das Personal fehlt. „Alle Bahnunternehmen in NRW suchen zurzeit händeringend Personal, insbesondere Lokführer, Zugbegleiter oder Kundenbetreuer“, hat der Verkehrsverbund schon zu Jahresanfang eingeräumt. Und auf Sicht wird es nicht besser: „Das Durchschnittsalter der Lokführer liegt bei über 50 Jahren. Allein durch den Ausstieg der rentennahen Jahrgänge werden mittelfristig hunderte neuer Mitarbeiter gebraucht.“
Abellio schafft nur eine Fahrt pro Stunde
Das trifft auch Abellio, ab 15. Dezember neuer Betreiber der S9 zwischen Wuppertal, Bottrop, Haltern und Recklinghausen. Abellio wird es nicht schaffen, zweimal die Stunde die schicken neuen Stadler-Bahnen von Bottrop über die Boy nach Norden rollen zu lassen: Die Strecke nach Recklinghausen wird erst ab Mai 2020 bedient. Und der „Dorstener“, der bisher zwischen Dorsten und Oberhausen über die Boy rollt, wird eingestellt.
Was das für die Pendler aus der und in die Boy heißt, zeigt ein Blick in die Fahrplanauskunft. Bisher gibt es alle halbe Stunde eine Verbindung vom Bahnhof Boy zum Oberhausener Hauptbahnhof, sie dauert 19 oder 21 Minuten. Das wird ab dem 15. Dezember nur noch einmal stündlich möglich sein, und das noch mit Umweg vom Bahnhof Dellwig-Ost zum Bahnhof Dellwig (230 Meter), wo die RB 32 nach Oberhausen weiterfährt. Wer gut zu Fuß ist, schafft das gut in acht Minuten Umsteigezeit. Aber Mütter mit Kinderwagen? Senioren mit Rollatoren? Wer ohne Fußweg, also vom Bottroper Hauptbahnhof aus, weiter nach Oberhausen will, wartet 31 Minuten auf die nächste Bahn.
Keine Busverbindung ohne Umsteigen
Natürlich fahren am Boyer Bahnhof auch Busse. Aber 20 Minuten ohne Umsteigen nach Oberhausen, das kann der Busbetreiber Vestische nicht anbieten. 37 Minuten dauert die Fahrt mit dem Bus, Umsteigen am ZOB inklusive.
Für WAZ-Leser Matthias Gill, der das Loch im Fahrplan entdeckt hat, ist die Konsequenz absehbar. „Mit dem aktuellen Verhalten des VRR werden noch mehr Fahrgäste ins Auto gedrängt. Auch wenn sich die Situation im Mai 2020 mit der Aufnahme des S9-Verkehrs nach Recklinghausen ändern sollte, sind viele mögliche Fahrgäste auf das Auto umgestiegen. Diese wieder zurückzugewinnen ist dann doppelt schwer.“
Grüne fordern besseren Takt
Genau so sehen es die Grünen im Bottroper Rat. „Es wäre sinnvoll bestehende Infrastruktur mit bestehenden Haltepunkten mit besserer Taktung zu verdichten“, sagen Andrea Swoboda und Roger Köllner. „Die Akzeptanz und Bereitschaft zur ÖPNV-Nutzung oder auch Wechsel der Mobilitätsform wird durch ein Angebot maßgeblich festgelegt und verfestigt.“
Es gäbe eine einfache Lösung. Im Halbstundentakt rauscht ab dem 15. Dezember der Regionalexpress 14 durch den Boyer Bahnhof auf seiner Fahrt zwischen Gladbeck West und Essen-Steele. Ein Stopp in der Boy würden Pendlern schnellere Wege bescheren nach Bottrop und Essen Hauptbahnhof - und nach Oberhausen. Doch der Verkehrsverbund hat schon abgewinkt. VRR-Sprecher Dino Niemann sagt: „Ein Halt des RE 14 in Bottrop-Boy ist aus betrieblichen Gründen nicht möglich.“
Keine Direktverbindung mehr zwischen Boy und Oberhausen
Bisher fährt die Regionalbahn 44 zwischen Dorsten und Oberhausen über Bottrop Hauptbahnhof, Boy und Feldhausen. Sie wird beim Fahrplanwechsel ersetzt durch den Regionalexpress 44. Der beginnt erst in Bottrop Hauptbahnhof und fährt über Oberhausen nach Duisburg und an den Niederrhein. Weil aber auch dem Betreiber Nordwestbahn Lokführer fehlen, rollt der Express bis März nur auf der Rumpflinie Bottrop-Oberhausen.
Hier finden Sie Berichte zum Fahrplanwechsel in einzelnen Städten an Rhein und Ruhr:
- Schulen fühlen sich von Bogestra-Umstellung abgehängt
- Bottrop: Ein Bahnhof verliert den Anschluss an den Nahverkehr
- Bottrop: Busse bekommen Anschluss an den neuen Takt der Bahnen
- Dinslaken/Voerde: Von Dinslaken nach Essen ohne umzusteigen
- Duisburg: Das sagt Duisburgs Chef-Planer zum großen Fahrplan-Ärger
- Neuer DVG-Fahrplan: Das müssen Duisburger zum Start wissen
- Essen: Winterfahrplan - Pendler in Essen sehen sich als Verlierer
- Gelsenkirchen: Linien 301 und 302 verkehren ab Dezember alle 7,5 Minuten
- Gladbeck: S9 nach Recklinghausen kommt - aber mit Verspätung
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