Duisburg. Der Ärger über den neuen DVG-Fahrplan ist groß. Duisburgs Chef-Planer Martin Linne hat nun Stellung bezogen – auch zu möglichen Nachbesserungen.

Der Ärger in so manchem Stadtteil über die veränderten Linien, über Wartezeiten oder fehlende Anschlüsse ist noch lange nicht verraucht: Seit dem 27. Oktober ist der neue Fahrplan der DVG in Duisburg in Kraft. Basis dafür ist der vom Rat am 3. Juli 2017 verabschiedete dritte Nahverkehrsplan der Stadt. Wir haben deshalb mit dem zuständigen Beigeordneten Martin Linne auch über mögliche Nachbesserungen gesprochen.

Herr Linne, wie oft sind Sie in den vergangenen Wochen auf den neuen Fahrplan angesprochen worden?

Martin Linne: Das ist bei mir überschaubar. Aber es waren bisher überwiegend positive Rückmeldungen.

Das ist bemerkenswert. In der Redaktion melden sich weiterhin fast täglich Duisburger, die ihrem Unmut deutlich Luft machen...

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Linne: Der neue Fahrplan ist jetzt erst ein paar Wochen in Betrieb. Und es ist doch immer so, dass es bei Veränderungen auch kritische Stimmen gibt. Wir sollten alle einmal tief durchatmen und in zwei, drei Monaten auch anhand der Gesamtentwicklung sowie anhand von Fahrgastzahlen schauen, wie sich das Ganze eingespielt hat.

Sind aus Ihrer Sicht gar keine Fehler gemacht worden?

Linne: Das ist mir zu Schwarz-Weiß. Jetzt im Realtest ist es ganz normal, dass man hier und da einen Nachbesserungsbedarf feststellt. Wir nehmen alle Beschwerden ernst, aber bisher sind es aus meiner Sicht weniger als zehn Punkte, bei denen wir noch mal genauer hinschauen sollten.

Können Sie da konkreter werden?

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Nein, es macht jetzt noch keinen Sinn, ins Detail zu gehen, aber ich kann mir gut vorstellen, dass es Nachbesserungen geben wird.

Wie schnell kann es dann mit der Umsetzung gehen?

Das kommt darauf an – beim Busverkehr ist es vergleichsweise flexibel, aber zum Beispiel relevant, ob Busunternehmen aus Nachbarstädten, die ja auch für uns im Einsatz sind, betroffen sind. Was die Straßenbahn betrifft, ist es durchaus komplizierter. Da müssen wir etwa bei der U 79 die Taktung mit Düsseldorf abstimmen und die DVG selbst muss mit den vorhandenen Fahrzeugen arbeiten. Aber grundsätzlich denke ich schon, dass im Busverkehr Nachbesserungen zum Fahrplanwechsel im kommenden Sommer möglich sind. Wenn es um größere Maßnahmen geht, wenn gegebenenfalls ganze Linien verändert werden, reden wir frühestens vom Fahrplanwechsel im Winter 2020.

Ist denn genügend auf all jene Rücksicht genommen worden, die oft ohne Bus und Bahn gar nicht von A nach B kommen? Schüler, Senioren oder Berufspendler...

Klar ist, dass ein neuer Fahrplan, nie alle zufrieden stellen kann, sondern immer nur möglichst viele. Das liegt auch daran, dass wir bekannter Weise finanziell nicht aus dem Vollen schöpfen können. Als wir uns 2012, 2013 im Rahmen von ,Duisburg 2027’ die ersten Gedanken zu einem neuen Nahverkehrsplan gemacht haben, war die Nachfrage der einzelnen Strecken und Linien aber nie das alleinige Kriterium.

Sondern?

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Natürlich haben wir uns von der DVG Fahrgastzahlen geben lassen, aber 2015 auch 19.600 Haushalte angeschrieben und unter anderem die Arbeits- oder Einkaufswege abgefragt. Insgesamt haben 5.151 Personen an der Erhebung teilgenommen. 14.260 Wege wurden erfasst und ausgewertet. Wir haben uns Einwohnerdaten angeschaut: Wo wohnen die Menschen, wo arbeiten sie? Wo sind die Arbeits-, Schul- oder Uni-Standorte? All diese Informationen sind am Ende dem Planungsbüro in Hilden zur Verfügung gestellt worden und in den Nahverkehrsplan eingeflossen, aus dem dann die DVG als unser operativer Partner einen Fahrplan erstellt hat.

Sie sprechen das Planungsbüro an. Böse Zungen behaupten, dass man sich über den neuen Nahverkehrsplan nicht wundern sollte, wenn Hildener Duisburger Belange planen...

Das ist nun wirklich dummes Zeug. In dieser Stadt werden auch Häuser nicht nur von Duisburger Architekten konzipiert. Es hat eine fachliche Ausschreibung gegeben und am Ende hatte das fachlich qualifizierte und günstigste Büro die Nase vorn. Solche Fachbüros arbeiten bundesweit und unseres hat - mal ganz nebenbei bemerkt - auch den Nahverkehrsplan für Mülheim gemacht.

Ist die Öffentlichkeit genügend beteiligt worden?

Mit Blick auf die Haushaltsbefragung: Ja! Dabei müssen wir berücksichtigten, dass, wenn es um das große Ganze, um die konkrete Entwicklung und Gestaltung eines Nahverkehrsplans geht, dann ist an einem solchen Punkt eine detaillierte Bürgerbeteiligung an der Planerstellung kaum umsetzbar. Es ist einfach zu komplex und zu „fachlich“. Da ist der Großteil der Bürgerschaft in der Regel überfordert.

Sind dann nicht auch Politiker überfordert, die am Ende immer einen Nahverkehrsplan absegnen müssen?

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Jetzt muss man fair bleiben. In jedem Rat gibt es verschiedene Fachausschüsse, unterschiedliche Qualifikationen und damit auch Politiker, die beim Thema Nahverkehrsplan tiefer in die Materie einsteigen können und dies hier auch getan haben.

Fakt ist aber, dass sich viele Duisburger gerade in den Randgebieten der Stadt abgehängt fühlen. Mal in die Zukunft geblickt: Was könnten die Alternativen zum Bus sein, um auch diesen Menschen besser als bisher gerecht zu werden?

Es geht darum, den Nahverkehr stärker zu individualisieren, um Angebote wie ,MyBus’, bei denen die Leute unabhängig von Haltestellen und Fahrpläne Start und Ziel ihrer Fahrten festlegen können. Wir werden den Ausbau solcher Angebote nicht nur für die Abendstunden und für die Wochenenden, sondern auch für tagsüber intensiv diskutieren. Ich wünsche mir in diesem Zusammenhang natürlich künftig grundsätzlich Rahmenbedingungen mit mehr finanziellen Spielräumen, um bessere ÖPNV-Angebote möglich zu machen.

Es gibt immer mal wieder Kritik daran, dass zig Kommunen eigene Nahverkehrspläne aufstellen. Was halten Sie von einer Planung aus einem Guss?

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Das ist schwierig. Um einen Nahverkehrsplan von Holzwickede bis Neukirchen-Vluyn auf die Beine stellen zu können, bräuchte man ja einen „Google-Rechner“. Und dann hat jede Stadt ihre Besonderheiten und Schwerpunkte. Das sollte so bleiben. Wir stimmen uns dabei hinsichtlich unserer Vernetzungen und insbesondere der regionalen Aspekte im VRR ja auch mit den Nachbarstädten ab. Wobei ich betonen möchte, dass ich die Entwicklung in Mülheim, etwa das Straßenbahnnetz auszudünnen, für völlig falsch halte. Die Gesellschaft braucht zukünftig nicht weniger, sondern mehr ÖPNV.

Fahren Sie eigentlich selbst viel Bus und Bahn?

Fahrplan: Duisburger können Verbesserungsvorschläge machen

Der Beigeordnete Martin Linne betont, dass Duisburger gerne Verbesserungsvorschläge zum neuen DVG-Fahrplan machen können. Dazu reiche eine Mail an stadtentwicklung@stadt-duisburg.de.

Linne kehrte Mitte diesen Jahres als Chef-Stadtentwickler und Baudezernent in die Stadtverwaltung zurück, in der fast 20 Jahre arbeitete. Der langjährige Duisburger Planungsamtsleiter war 2011 als Planungsdezernent nach Krefeld gewechselt.

Ich wohne im Duisburger Norden, bin berufsbedingt innerhalb der Stadt viel mit dem Auto, aber auch viel mit dem Rad unterwegs. Wenn ich aber in die Region oder beispielsweise nach Frankfurt muss, fahre ich mit der Bahn.

Zum Schluss: Wenn die Duisburger aktuell gefragt würden, ob sie den neuen Fahrplan behalten oder den alten zurückhaben möchten. Wie würde diese Umfrage wohl ausgehen?

Sie würde ganz klar zu Gunsten des neuen Plans ausfallen, weil es in der Gesamtsumme mehr Verbesserungen als Beeinträchtigungen gibt.

Hier finden Sie Berichte zum Fahrplanwechsel in einzelnen Städten an Rhein und Ruhr: