Bochum. Die U 35 verbindet Bochum und Herne seit 1989. Die erste unterirdische Verbindung zweier Städte in Deutschland, hat die Erwartungen übertroffen.

„Im Umgang mit Superlativen ist Vorsicht geboten, sie nutzen sich leicht ab.“ Am 9. November 1989 erlaubte sich Tagesthemen-Moderator Hans-Joachim Friedrichs dennoch, einen solchen Superlativ zu „riskieren“. Es ging um die Maueröffnung, ein historisches Ereignis.

Zwei Monate vorher hatte sich nicht in Berlin, sondern in Bochum etwas zugetragen, was zumindest verkehrspolitisch historische Züge hat: 120.000 Menschen feierten die Eröffnung der ersten unterirdischen Städteverbindung Deutschlands, der U 35. Seit dem 2. September 1989, also seit 25 Jahren, verbindet sie Bochum mit Herne.

90.000 zwischen Ruhr-Uni und Schloss Strünkede

Die Nachfolgestrecke der Straßenbahnlinie 305, bis 1989 von durchschnittlich 18.300 Fahrgästen genutzt, sollte es nach Schätzungen auf gut 26.000 Nutzer täglich bringen. Tatsächlich sind es heute (Stand: 2014) werktäglich 90.000 Menschen, die zwischen Schloss Strünkede und Ruhr-Uni mit der U-Bahn unterwegs sind. „Die Stadtbahn hat alle Erwartungen gesprengt“, sagt Karl-Heinz Reikat, bei der Stadt Bochum Leiter der Abteilung Stadtbahn.

Vom Stadtbahn-Bau als „kluge, zukunftsweisende Entscheidung“, sprach Oberbürgermeisterin Ottilie Scholz am Mittwoch (3. September 2014, d. Red.) in einem Festakt zum 25. Geburtstag am Hauptbahnhof. Das „Erfolgsmodell“ U 35 beweise, dass interkommunale Zusammenarbeit möglich sei.

Hernes Bürgermeister Erich Leichner würdigte die Bahn als „pünktliches, sicheres und günstiges Verkehrsmittel“. „Unschlagbar“ sei der 6-Minuten-Takt, in dem morgens Studenten zur Uni befördert werden. Dafür hatte die Bogestra 2006 sechs neue Wagen angeschafft.

In 14 Minuten von Bochum nach Herne

31 Minuten brauchte die ehrwürdige Straßenbahn 305 einst zwischen Bahnhof Herne und Hauptbahnhof Bochum, 14 Minuten fährt die U-Bahn. Mit dem Slogan „Nur Fliegen ist schöner“ warb die Bogestra für ihren neuen Verkehrsträger, der freie Fahrt auf zehn Kilometer Streckenlänge gewährte und der Teil eines großes Wurfs war.

Die Linie war eingebunden in das Projekt Stadtbahn Rhein-Ruhr; ein flächendeckendes Netz von Nahverkehrsverbindungen, das von Recklinghausen bis Neuss und von Duisburg bis Dortmund reichte und das dem Ballungsraum mehr Mobilität, bessere Verbindungen zwischen den Städten und am Ende womöglich auch ein Stück gemeinsame Identität bescheren sollte.

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Als NRW-Bauminister Christoph Zöpel und Bundesarbeitsminister Norbert Blüm bei der zentralen Eröffnungsfeier am 2. September 1989 am Riemker Markt die Strecke freigaben, sprach Ehrengast Loki Schmidt sogar noch von „einer Chance für das Revier“.

960 Millionen D-Mark Baukosten

Etwa 960 Millionen D-Mark kostete allein der Abschnitt zwischen Bochum (713 Millionen D-Mark) und Herne, zu 60 Prozent finanziert vom Bund, zu 30 Prozent vom Land und zu zehn Prozent von den beteiligten Städten Bochum und Herne.

Am Mittwoch bot sich noch einmal die Chance zu einer Reise in die Zeit vor 1989, zwischen Bergmannsheil und Rewirpower-Stadion fuhr eine historische Straßenbahn.

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Das indes hatte seine Tücken. Ältere Menschen, zumal mit Rollator, kamen nur schwerlich in die Wagen. Und viele Jüngere wussten erst gar nicht, ob die Schutzbügel hinter den Klapptüren mit „Drücken“ oder „Ziehen“ geöffnet werden. Auch das ist in der U-Bahn leichter.

Fortsetzung nach Langendreer

Historischen Wert hat die Realisierung der Linie nicht nur deshalb, weil erstmals zwei Städte unterirdisch verbunden worden oder weil vom Stadtbahn-Projekt Rhein-Ruhr letztlich nur ein Torso blieb; so stiegen etwa die Städte Recklinghausen und Witten aus, die eigentlich Endpunkte der Linie U 35 sein sollten.

14 Minuten benötigt die U-Bahn von Bochum nach Herne. Die Straßenbahn war bis 1989 auf der gleichen Strecke 31 Minuten lang unterwegs.
14 Minuten benötigt die U-Bahn von Bochum nach Herne. Die Straßenbahn war bis 1989 auf der gleichen Strecke 31 Minuten lang unterwegs. © Dietmar Wäsche (Repro)

In die Geschichte geht die Linie auch deshalb ein, weil in Bochum eine Untergrundbahn erstmals nicht in offener Bauweise, sondern im bergmännischen Vortrieb gebaut wurde – zuerst seit 1973 auf dem kurzen Abschnitt der 308/318 zwischen Schauspielhaus und Engelbert-Brunnen und dann später auf dem gesamten Bochumer Abschnitt der U 35. Die Rede ist seit dem von der „Bochumer bergmännischen Tunnelbauweise“.

Seit 2006 Campus-Linie

Beim Schopf gepackt hat das Revier die von Loki Schmidt beschworene Chance zwar nicht. Kompetenzgerangel, immense Investitionskosten und Kirchturmdenken haben eine reibungslose Vernetzung aller Städte bislang verhindert. Aber zumindest in Bochum gibt es erste Überlegungen, die Erfolgslinie noch auszubauen. Verkehrspolitisch wäre eine Verlängerung der Campus-Linie, wie die Strecke seit 2006 heißt, bis nach Langendreer sinnvoll, sagt Bochums Stadtbahn-Abteilungsleiter Reikat.

>> Multimedia-Chronik: Bochum von 1948 bis 2018

Dieser Artikel ist nachträglich Teil des ProBO-Projektes „70 Jahre WAZ – 70 Jahre Bochum“ geworden. Unser Zeitstrahl Bochum70.waz.de bietet zu Nachrichten und Ereignissen, die für Bochum(er) zwischen 1948 und 2018 wichtig waren oder wurden, historische Filmaufnahmen, Fotos und die alten WAZ-Zeitungsseiten zum Durchblättern. Auf dem Spezial können Sie auch eigene Bochumer Stadtgeschichten und Fotos hochladen. Das erste Jahresthema der Multimedia-Chronik: die Gründung der WAZ in Bochum im Jahr 1948.