Bochum. . Die Verbindung zwischen Hans-Böckler-Straße und Kortumstraße ist ein quirliger Anziehungspunkt (nicht nur) für die kleine Pause zwischendurch. Inhabergeführte Geschäfte sorgen für individuelles Flair. Einige der ansässigen Händler und Gastronomen sind schon Jahrzehnte an der Brückstraße verwurzelt.

Während in der Kortumstraße oft schnöder Konsum regiert, lädt diese Kreuzung ein, für einen Moment in die Rolle des Beobachters zu schlüpfen: Viele Passanten strömen hier auf die Brückstraße, wo die Fußgängerzone endet und die kleine Einbahnstraße kreuzt (1).

Der Verkehr ist überschaubar und maximal mit 20 Stundenkilometer unterwegs. Viele Autofahrer suchen doch nur einen Parkplatz. Es gibt „Gelato“ nach italienischer Rezeptur im Eiscafé von Marco Vit und erstklassigen Kaffee bei Dr. Andreas Beckers, der sein Café-Bistro vor zehn Jahren auf einer der Kreuzungsecken eröffnete. Seither ist seine Terrasse ein Magnet für Menschen im gepflegten Müßiggang.

Händler sprechen miteinander

Es ist nicht so, dass in der Brückstraße nichts gekauft würde. Aber doch will festgehalten sein, dass die meisten Läden inhabergeführt sind und mancher Händler seit Jahrzehnten an Ort und Stelle verwurzelt ist. „Man merkt den Unterschied zu den Filialisten, die oft nach Schema F handeln. Hier können noch alle miteinander sprechen“, sagt Andreas Beckers.

Vera Vorkorte führt ihren Second-handladen „Misfits“ (2) mehr als 30 Jahre an der Brückstraße. Die gebürtige Bochumerin zog es nach einigen Ortswechseln, die sie auch als Hippiemädchen nach Ibiza führten, 1983 zurück in ihre Heimatstadt. Die 64-Jährige kleidet sich gerne selbst im eigenen Laden ein. Heute trägt sie ein weißes Baumwollkleid, wie in den 70er Jahren. Es steht ihr immer noch. Im Hinterzimmer des Ladens hängen Fotos von Kinostar Johnny Depp, apart in etlichen Filmen aus verschiedenen Zeiten.

„Wir haben auf der Straße einen netten Kontakt, manchmal machen wir auch Mittag zusammen. Der Haushaltshändler Winkelmann und der Friseur zum Beispiel sind ja schon sehr lange da“, sagt Vorkorte. Aber auch Harry, der Schuhhändler, Olli vom An- und Verkauf mit Hund Ben, die Damen von „Elsbeth & ich“ oder Thomas mit seinen leckeren Suppen anno 2011 – alles klasse Typen, findet sie.

Ein Friseur als Stadtgespräch

Jeder hier hat seine eigene Geschichte, so Friseurmeister Jörg Gallinat. Als er 1999 seine „Zottelbude“ in der Brückstraße eröffnete, verließ er dafür den legendären Friseursalon „Kopfsalat“ am Nordring. Kopfsalat war in den 80er und Anfang der 90er Jahre der Kultfriseur in der Stadt überhaupt, Gallinat wurde mit der „Zottelbude“ gleich zum Stadtgespräch. Populär wurden von hier aus auch die Tresenleser, in Person von Frank Goosen und Kollege Jochen Malmsheimer. In der Gastwirtschaft „Puvogel“, die sich zu dieser Zeit, es muss 1992 gewesen sein, an der Brückstraße Nr. 4 (3) befand, lasen die Wortliebhaber literarische Passagen und erfreuten so das dürstende Publikum.

Zahlen der Straße

Personen. In der Brückstraße sind 352 Anwohner gemeldet, davon 183 weibliche. Hier leben 53 Kinder und Jugendliche unter 18 Jahren, davon 33 Mädchen. 224 Anwohner sind zwischen 18 und 65 Jahre alt, davon 109 Frauen. 65 Anwohner sind Senioren ab 65, darunter 41 Frauen.
Die Brückstraße ist etwa 600 Meter lang und hat 64 Hausnummern.Die Brückstraße liegt im Stadtteil Mitte und gehört zum Stadtbezirk Gleisdreieck.

In der Brückstraße sind insgesamt 99 Gewerbe gemeldet. Von der Konzertagentur über den Verlag bis hin zur Berufskleidung ist alles vertreten.

Von der Brückstraße aus ist die Haltestelle Bochum Rathaus gut zu erreichen. Wer lieber mit der Straßenbahn fährt, nimmt die Linie 306 und steigt an der Dorstener Straße aus.

Geschichten erzählt diese Straße wahrlich viele. Allein die Erinnerungen an das Alte Amtshaus (4) an der Hausnummer 33 könnten Seiten füllen. Es ist nicht nur das schönste Gebäude der Straße, 1884 erbaut im Stil der Weser-Renaissance, sondern wurde schon vielen Zwecken zugeführt. In den 90er Jahren soll es sogar besetzt gewesen sein. Auch die Hausnummer 24 sticht hervor zwischen all den nach oben hin gesichtslosen Nachkriegsbauten. „Früher war da ein Bäcker drin. Den Sohn kannte ich und wir saßen oft mit ein paar Leuten in deren Partykeller und haben die Beatles gehört, die Mutter kam dann mit Berlinern ‘runter“, berichtet Vera Vorkorte aus Jugendtagen.

An manchen Stellen der Straße scheint die Zeit still zu stehen, wie in der Gaststätte „Zur Altstadt anno 1900“, die als einziges Lokal in der Stadt mit Pferdefleisch wirbt, oder in der Currywurst-Fleischerei Dönninghaus (5) hinter der Kreuzung Hans-Böckler-Straße.

An anderen Stellen weht der aktuelle Zeitgeist, wo Menschen veganes Eis schlecken oder fantasievolle Suppen löffeln. Ein Sportwettenbüro und zwei Spielhallen ziehen zudem jene an, die auf schnelles Geld hoffen oder schon verloren haben.

Brücke gab den Namen 

Beruhigend dann der Blick am Anfang der Straße auf die Propsteikirche und das Alte Brauhaus Rietkötter, das älteste Haus in der Innenstadt. Die Bochumer wissen um seinen Wert.

Die Brückstraße ist eine alte Straße, sie wurde erstmals 1790 erwähnt. Sie führte aus dem inneren Stadtkern hinaus in Richtung der nördlichen Außenbezirke, den damaligen Dörfern Hamme und Hordel.

Die Straße ist entweder nach einer Brücke benannt, die früher über den offenen Bach führte, oder sie erinnerte in Abwandlung ihres Namens an den „Bruch“, also eine niedrig gelegene, in vorindustriellen Zeiten feuchte und sumpfige Straße. Noch im 19. Jahrhundert wurde über häufige Überschwemmungen nach Regenfällen geklagt.

Die Brückstraße war vor dem Krieg nicht nur ein Bindeglied zwischen der Altstadt und den Vororten, sondern auch eines zwischen dem alten Bochum und der „neuen Zeit“. In Höhe der Propstei standen am Ende der Brückstraße die alten Häuschen und Fachwerkgebäude am Alten Markt, in ihrem oberen Abschnitt Richtung Kortländer wartete sie mit stattlichen Gründerzeitfassaden auf, wie man sie auch in Berlin hätte finden können. Der Krieg hat (fast) alles zerstört. Was noch stand, fiel im Zuge des Wiederaufbaus und der Stadtsanierung, um dann nach einheitlichem – und ziemlich monotonen – städtebaulichen Mustern neu zu entstehen.

Unvergessen bei alten Bochumern ist die Brückstraße wegen des Bekleidungsgeschäftes Ottokar Wüst, das hier über Jahrzehnte heimisch war.