Bochum. . Die ehemaligen Zechenhäuser in der Siedlung Dahlhauser Heide in Hordel, im Volksmund Kappskolonie genannt, bieten Bilderbuch-Idylle. Wer hier einmal ein Haus erwirbt, geht so schnell nicht mehr weg. Sogar ein Fernsehteam nutzte beschauliche Kulisse für Vorabendserie.

Wenn man zum ersten Mal mit dem Fahrrad in die Sechs-Brüder-Straße einbiegt, das Tosen der Dorstener Straße, die man eben verlassen hat, noch im Ohr, dann rechnet man kaum damit, was einen erwartet: Vögel zwitschern in den Baumkronen, Kinder spielen auf der Straße, dann und wann kommt ein Spaziergänger mit oder ohne Hund vorbei. Autos fahren nur wenige, still ist es hier. Ein beinahe dörfliches Idyll.

Ruhig gelegen an einem Park

Abgerundet wird das Bild von einer im Ruhrgebiet nicht mehr allzu häufigen Architektur: Hell verputzte Wohnhäuser mit spitzen Dächern, unter deren Giebeln dunkle Holzbalken weiche Linien zeichnen, sorgen für Kleinstadt-Romantik. Die Sechs-Brüder-Straße läuft vom Sportplatz des DJK TuS Hordel (1) an einem bewaldeten Landschaftsschutzgebiet vorbei und in einem Bogen am Marbach entlang, bevor sie in die ebenso ruhig gelegene Sechs-Schwestern-Straße übergeht. Inmitten der beiden Geschwister-Straßen liegt auf einem Hügel ein beschaulicher Park (2) mit einem kleinen Biotop, das auf dem Grund der ehemaligen Klärteiche von Zeche Hannover entstanden ist.

Sechs-Brüder-Straße und Sechs-Schwestern-Straße

Daten und Fakten

Die Sechs-Brüder-Straße ist 865 Meter lang und verzeichnet 107 Hausnummern. Die Sechs-Schwestern-Straße misst 550 Meter und hat insgesamt 92 Hausnummern.

Bezirk Mitte. Beide Straßen liegen in der Kolonie Dahlhauser Heide. Sie gehören zum Stadtteil Hordel und somit zum Bezirk Bochum-Mitte.

Personen. In der Sechs-Brüder-Straße leben 21 Kinder unter 18 Jahren (davon 7 Mädchen), 123 Personen bis 65 Jahren (davon 64 weibliche). 53 Personen (darunter 29 ) sind älter als 65. In der Sechs-Brüder-Straße sind 197 Personen, davon 100 weibliche, gemeldet.

Anwohner. In der Sechs-Schwestern-Straße leben 27 Kinder unter 18 Jahren (davon 12 Mädchen), 117 Personen bis 65 Jahren (davon 56 weibliche). 38 Personen (darunter 22 ) sind älter als 65. Insgesamt sind in der Sechs-Schwestern-Straße 182 Personen, 90 weibliche und 92 männliche, gemeldet.

Gewerbe. Fünf Gewerbe sind an der Sechs-Brüder-Straße gemeldet: von Einzelhandel mit Getränken und Geschenkartikeln bis zur Vermittlung von Dienstleistungen, z.B. Web-Design.

ÖPNV. Die Kolonie Dahlhauser Heide wird von den Bogestra-Bussen der Linie 368 angefahren.

Da wundert es nicht, wenn eine Anwohnerin findet: „Eine bessere Wohngegend gibt’s nicht.“ Katharina Hermes wohnt in einem der alten Zechenhäuser, die hier in Reih’ und Glied die Straße säumen. Seit mehr als 60 Jahren lautet ihre Adresse (3) Sechs-Brüder-Straße 65. „Ich bin hier sehr zufrieden“, sagt die 75-jährige. „Es ist ruhig, und jeder ist für jeden da.“ Ihrem Haus gegenüber dehnt sich das Wäldchen aus. Das war schon immer so und wird auch so bleiben, da hier aus Naturschutzgründen nicht gebaut werden darf.

Nicht zuletzt aufgrund der Lage sind die urigen Häuser heiß begehrt. „Bei uns stehen sie schon Schlange“, sagt Doris Ludwig, Sechs-Brüder-Straße 59. Sie hat sich für einen Plausch mit Nachbarin Hermes auf dem Bürgersteig (4) getroffen. Auch sie wohnt schon eine ganze Weile hier und möchte nicht mehr weg. Für den Fall, dass sie und ihr Mann mal nicht mehr dort leben, wird das Haus wohl in der Familie bleiben. „Unsere Enkel sind schon scharf drauf“, sagt Ludwig und lacht.

Einige der Häuser sind durch niedrige Zwischenbauten, die kleine Fenster haben, verbunden. Früher waren das die Ställe. „Heute ist das unser Badezimmer“, sagt Katharina Hermes. Aber sie erinnert sich noch, wie sie und ihr Mann darin früher Schweine, Gänse, Enten und Karnickel hielten: „So war das nach dem Krieg.“ Viele, die hier leben, haben eine Zechen-Vergangenheit. Davon zeugen bepflanzte Loren in den Vorgärten, Grubenleuchten an den Hauseingängen, eiserne Bergmannsilhouetten an den Hauswänden – und natürlich die Anwohner selbst. Wolfgang Kuhnert und Ulrich Nickel waren beide selbst noch unter Tage. Ersterer mehr als 30, letzterer drei Jahre – mit langer Reha im Anschluss, wie er erzählt. Durch die Arbeit „auf Zeche“ konnten die beiden Männer die Häuser vor Jahrzehnten für um die 20 000 DM erwerben. „Heute gehen die unter 180 000 Euro nicht mehr weg“, sagt Nickel.

Er und Kuhnert wohnen Tür an Tür, den Sportplätzen gegenüber. Nickel war gleich neugierig geworden, als er uns mit Notizblock, Stift und Kamera vor seinem Haus bemerkte, auch, wenn es für ihn kein ungewöhnlicher Anblick ist. „Vor ein paar Tagen war das Fernsehen noch da“, sagt er. Es sei eine Folge für eine neue Vorabend-Serie gedreht worden. Die Häuser sind eben eine begehrte Kulisse. „Ist ‘ne schöne Ecke hier“, sind sich auch die beiden Männer einig.

Sechs Brüder/sechs Schwestern waren Baufelder

Die Wohn- und Anliegerstraße zwischen Bertha- und Mathildenstraße liegt in der Siedlung Dahlhauser Heider („Kappskolonie“) in Hordel. Ihr Name weist, wie viele Straßen in dieser Gegend (Hauptflözstraße, Bänksgenstraße, Muschelbank) auf die Bergbauvergangenheit des Stadtteils im Bochumer Norden an der Grenze zu Wanne-Eickel hin.

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Ihren Namen entlehnt die Straße der Bergbauanlage „Sechs Brüder und sechs Schwestern“, gleichzeitig waren das auch Bezeichnungen der später für den ersten Kohleabbau eingerichteten Grubenfelder. Bereits 1847 erfolgte die erste Mutung (Probebohrung) des Feldes „Sechs Brüder“, 1854 stieß die Mutung „Sechs Schwestern“ mit rund 90 Metern Teufe ins Erdreich und damit bis zur Kohle vor. In den Jahren 1859 und 1860 wurde beim Abteufen der Schächte 1 und 2 das Steinkohlengebirge erreicht und die beiden Malakofftürme errichtet, von denen der über Schacht 1 heute noch, inzwischen als Industriemuseum genutzt, zu bewundern ist.

Um 1870 wurde das noch junge Bergwerk in Zeche Hannover umbenannt. Es gelangte später in den Besitz der Krupp-Werke und war, fusioniert mit der Zeche Hannibal, bis zur Stilllegung 1973 Bochums letzte fördernde Schachtanlage.