Bochum. Eine der längsten Bochumer Straßen verbindet auf rund sieben Kilometer die Innenstadt mit gleich mehreren Stadtteilen. An der Straße liegen Industrieunternehmen aber auch Kioske oder Geschäfte, die Heimatgefühl vermitteln. Kaum zu glauben, dass die Straße schon im 16. Jahrhundert verzeichnet war.
Es gibt viele Gründe, sich die Wittener Straße einmal genau anzuschauen. Was vielleicht einfällt: die BP-Aral-Hauptverwaltung (1), der Kortumpark, das alte Amtshau Süd (2) oder auch Opel-Werk oder der Hof Schulte Uemmingen am anderen Ende. Dabei sind heute vielleicht eher Orte wie „Bobos Trinkhalle“ (3), die für die Menschen vor Ort ein wichtiger Treffpunkt sind.
Uwe Boretzki (58) und Erika Meindl (66) haben das Büdchen übernommen und schmuck herrgerichtet. „Unsere Kunden kommen aus der Nachbarschaft, setzen sich auch mal gern für ein Quätschken hin“, erzählt Erika Meindl, die voller Stolz auf das wohlsortierte Warenangebot hinweist. Da gibt es hübsch in Zellophan gepackte Bonbon-Mischungen genauso wie das „Sonntagssortiment“ für vergessliche Zeitgenossen, die Milch, Mehl oder etwa Kaffee brauchen.
Wittener Straße
Und Uwe Boretzki hat sich noch etwas ganz Spezielles einfallen lassen. Ein Zitat, das regelmäßig ausgewechselt wird. Letzte Woche gab es eines von Heinrich Böll: „Schweigen ist ein Argument, das kaum zu widerlegen ist!“ Soviel zu Bobos Trinkhalle - klein aber kurios.
Ein Ort der Erinnerung
Nur ein paar Schritte entfernt liegt in einer schmucken alten Villa, die an die besten Zeiten der Wittener Straße erinnert, die Praxis von Zahnarzt Dr. Rainer Gans. Der 53-jährige gebürtige Altenbochumer beschäftigt sich seit vielen Jahren mit der Geschichte des Ortsteils und hat sein Wartezimmer beinahe in ein kleines Heimatmuseum verwandelt. „Irgendwann hat es mit einem alten Gegenstand angefangen“, erinnert er sich.
Heute finden sich alte Fotos, und vielerlei Gegenstände, die an die Geschichte des Stadtteils erinnern, in den Vitrinen. „Ich glaube, die Patienten sehen ihre liebgewonnenen Erinnerungsstücke hier einfach gut aufgehoben.“
An die Idylle von einst, wie sie auf den von Rainer Gans aufbewahrten Postkarten noch lebendig wirkt, erinnert heute vielleicht noch am besten der stadtnahe Verlauf mit seinen Gründerzeit-Villen und dem alten Amtshaus Süd, das vor einigen Jahren sorgfältig restauriert worden ist.
Was nur wenige wissen ist, dass der Vaters von „Kumpel Anton“, der WAZ-Sportredakteur Wilhelm Herbert Koch, sich die ehemaligen Pferdewechselstation an der Wittener Straße, die später zur Gaststätte wurde, zum Stammlokal wählte. Es wundert daher wenig, dass das mittlerweile abgerissene Gebäude jahrelang den Namen „Kumpel Anton“ trug.
Moderne Glasfassaden
Doch der Wittener Straße fehlte ein wesentlicher Teil, wollte man sie auf Altenbochum beschränken. Stadtauswärts geht es weiter, vorbei an dem quirligen neuen Altenbochumer Bogen und der evangelischen - Lukas-Kirche in Richtung Laer. Plötzlich weitet sich der Blick und etwa an der Brücke über den Sheffield-/Nordhausen-Ring bekommt die Straße plötzlich die Ausmaße und Anmutung einer Schnellstraße. Die modernen Glasfassaden des Möbelhauses Hardeck mit dem verbindenden Brückenriegel schieben sich ins Blickfeld.
Gleich dahinter erinnert auf der rechten Seite der gewaltige Baukörper des noch produzierenden Opelwerkes (4) an die vergeblichen Bemühungen um den Erhalt der über 50 Jahre alten Autofabrik. Generationen von Opel-Arbeitern haben dort vom Tor 4 kommend die Straße passiert. Nicht vergessen werden darf natürlich, dass durch die Neuführung der Straße in den 60er Jahren auch der Stadtteil Laer, der nun an der „Alten Wittener Straße“ liegt, ein wenig in den Hintergrund gerückt ist, obwohl die Chaussee einmal genau am Laerschen Ortskern vorbeiführte. Unter diesen im Zuge der Entwicklung Bochums erfolgten Verlegungen der Straße litten und leiden vielfach bis heute die alten Anrainer. Nicht zuletzt der uralte Hof Schulte Uemmingen (5), der heute rund einen guten Meter unterhalb des Straßenniveaus liegt. Der Hof wurde in den 60er Jahren komplett von seinen Ländereien getrennt, die Felder (siehe nebenstehender Text).
Übrigens führte die Straße ursprünglich bis nach Crengeldanz. Der heutige Wittener Stadtteil war bereits seit dem Mittelalter ein wichtiger Verkehrsknotenpunkt. Aber das ist eine völlig andere Geschichte.
Wittener Straße schon im 16. Jahrhundert verzeichnet
An die einst von Bäumen gesäumte Pracht-Chaussee, die von Bochum, über Altenbochum, Laer, Ümmingen und Langendreer bis nach Witten führte, erinnert heute nur noch wenig. Die Wittener Straße, profan Bundesstraße 226, ist neben der Königsallee und der Universitätsstraße die Hauptausfallachse in den Süden. Noch heute stehen etliche prächtige Villen am Innenstadt nahen Teil der Straße.
Ausgebaut wurde sie in den Jahren 1788 bis 1794. Damals brauchte die aufstrebende Landgemeinde Bochum eine Verbindung, um die Schmieden und eisenverarbeitende Kleinindustrie im Sieger- und im Bergischen Land mit der so wichtigen Kohle zu versorgen. Besonders die seit 1773 bereits fördernde Zeche Dannenbaum ist in diesem Zusammenhang zu erwähnen. In alten Karten wird sie als Weg bereits erstmals 1573 nachgewiesen. Der Heimatforscher Dr. Rainer Gans fand dazu Hinweise im Brüsseler Atlas, der die Grafschaft Mark kartographierte.