Bochum. Der Boulevard schlängelt sich als breite Schneise durch die City. Streng genommen, heißt er nirgends wirklich Boulevard. Oben, am Bahnhof beginnt die Massenbergstraße, in Rathausnähe endet die Bongardstraße. Wie also steht es mit Bochums umstrittener „Prachtstraße“ mit ihrem Mix aus Handel und Wohnen?

Zankapfel und oft verspottet ist die obere Massenbergstraße. Die Twin Towers des Park Inn, das alte Stadtwerkehaus und die nun „Bochumer Fenster“ (in der Karte: 1) titulierte ehemalige Stadtbadgalerie sind spektakuläre Architekturen. Doch zu einem runden Gesamtbild wollen sie sich freilich nicht fügen, mal ganz davon abgesehen, dass sie so schwierige Windverhältnisse zeitigen, so dass der Freiluftgastronomie schon mal das Essen vom Teller fliegt.

Ihnen gegenüber hat sich eine internationale, bunte, kleinteilige Fressmeile etabliert, die für eine stete Duftglocke sorgt. Sozusagen kulinarische Basisdemokratie zwischen Döner, Gyros, Pizza, Baguette und Köfte, die seit kurzem einen bizarren Boom erlebt, befeuert durch die Ansiedlung der Ruhr-Universität im silbernen UFO der Ex-Stadtbadgalerie. Seither traben hier regelmäßig Trauben studentischer Beflissenheit über die breite Straße.

Das Traditionshaus Baltz punkte mit pompöser Fassade

Urban bürgerlicher wird die Straße erst ab dem Rechtsknick, dort wo links die große Bronze-Skulptur„Die Entfaltung der Stadt“ von Karl Henning Seemann“ steht und gegenüber das wahrhaft prächtige Richard-Baltz-Haus (2). Hier ist die City, wie sie gedacht wird: ein Schaufenster. Das Traditionshaus punktet mit pompöser Fassade, abends passend illuminiert, an der Top-Modemarken ihre bildmächtigen Kampagnen riesengroß platzieren können.

Gegenüber auch gehobenere Gastronomie: der mediterrane Freisitz des Yamas von Stavros Likeas mit seinen Oliven- und Zitronenbäumchen, die über 100-jährige Gastfreundschaft in der altehrwürdigen Gaststätte Mutter Wittig, in dessen Freisitz sich jung und alt tummeln, um gutbürgerlich zu speisen und Fiege’s Stammhaus, ebenfalls mit einen im Sommer beliebten Biergarten versehen.

Ökonomische Herausforderung für den Boulevard

Nicht weit davon ein Wahrzeichen: das Denkmal des Kuhhirten (3), flankiert vom einem mit Wasserspiel aufgewerteten Platz, der den Durchgang zum Gerber-Viertel bildet. In diesem Bereich finden sich auch hochwertige Einzelhandelsläden: Schuhhaus Lötte, mit Wurzeln bis ins Jahr 1870/71, die Alte Apotheke 1691, Betten Korten – ebenfalls mit weit über 100-jähriger Tradition - oder auch Küpper Lederwaren.

Daten und Fakten

Länge. Der Bongard-/Massenberg-Boulevard misst zwischen Rathaus und Hauptbahnhof insgesamt 620 Meter.

ÖPNV. Auf dem Boulevard verkehren oberirdisch die Bogestra-Buslinien 336, 345, 368 und unterirdisch die Stadt-/Straßenbahn-Linien 302, 306 und 310.

Bongard. In der Bongardstraße sind 65 gemeldete Gewerbe registriert, darunter (Auswahl): Marktforschung, Apotheken, Makler, Banken, Auskunftei, Einzelhandel für Bettwaren, Blumen, Lederwaren, Tabak, Wolle, Haarteile, Kontaktlinsen, Geschirr, Kunstgewerbe. Gastronomie, Marketingagentur, Großhandel für Fertigarzneimittel, Dentallabor, Lotto-Annahmestelle, Internetcafé

Massenberg. in der Massenbergstraße sind 87 Gewerbebetriebe gemeldet (Auswahl): Personaltraining, Reisebüro, gewerbliche Arbeitnehmerüberlassung, An- und Verkauf elektronischer Waren, Fotokopiershop, Bausparkasse, Planungsleitung, Call-Center, Sonnenstudio, Einzelhandel für Uhren, Schmuck, Textilien, Schuhe, Backwaren, Getränke, Nähmaschinen und Zubehör, Bügelsysteme, Wolle, Stoffe, Geschenkartikel, Kleinmöbel, Sonderpostenverkauf.

Bewohner. Die Bongardstraße ist nur spärlich bewohnt. Hier leben 96 Personen (Stand 31.12.2013), davon 49 Frauen und 12 Kinder.

Diese Traditionshäuser sorgen für guten Betrieb auf der Straße, wenn sich der auch nicht mit dem auf der Kortumstraße messen kann, die vom Boulevard dann gekreuzt wird. Über der belebten Kreuzung: eine nostalgische Drehampel, eine „Heuerampel“, die allerdings nicht mehr den Verkehr regelt. Mit der Drehscheibe (5) und dem City-Point (4) finden sich zwei Shopping-Zentren, die beliebt sind, aber stets auch Anlass zur Sorge wegen Leerstands geben. Wenn im Telekom-Block am Ende des Boulevards gebaut wird, wird das für diese Häuser, wie auch für den Boulevard in Gänze eine ökonomische Herausforderung darstellen.

Bongardstraße zählt zu den ältesten Straßen

Ganz zu sich selbst findet der Boulevard wenn gefeiert wird. Sowohl der Musiksommer als auch Bochum Kulinarisch sind Höhepunkte im Kalender der breiten Schneise. Besonders der ehemalige „Kuli-Treff“ hat sich als Place-to-be etabliert, als glänzend besuchte und durchgeführte Leistungsschau der Bochumer Köche. Der Musiksommer, organisiert von BO-Marketing, ist der Höhepunkt einer ganzen Reihe von Events, die zur Belebung der Straße organisiert werden: Stoffmärkte, Bücherflohmärkte und Themen-Messen locken regelmäßig Publikum auf die Straße, die es schwer hat im Vergleich mit den Boulevards der Welt.

Der Anfang des Jahrtausends ausgebaute „Boulevard Bochum“ gliedert sich im westlichen Teil in die Bongard- und im östlichen in die Massenbergstraße. Die Bongardstraße gehört zu den ältesten Straßen in Bochum, in der Feuerstättenliste von 1664 wird das Bongardtor erwähnt – benannt nach einem Baumgarten außerhalb der Stadtmauern.

Bochum Bongardstraße Karte.jpg

Massenbergstraße nach früherem Baudezernenten benannt

Die Massenbergstraße ist nach dem früheren Bochumer Baudezernenten Clemens Massenberg (1909-1954) benannt. Er war in den Nachkriegsjahren der Chefplaner der „neuen Stadt Bochum“. Nach den Kriegszerstörungen wurde die Gelegenheit genutzt, die ehemals enge und verwinkelte Innenstadt verkehrsgerecht auszubauen und zu vergrößern. Es entstand die über 30 Meter breite Ost-West-Achse, durch die der Verkehr rollte, und es entstand die Bochumer Innenstadt mit ihren schlichten Fassaden und flachen Dächern, wie sie heute noch besteht.

In den 90er Jahren wurde politisch beschlossen, die Verkehrsader stillzulegen und sie stattdessen in eine Fußgängerzone mit integriertem Bus-Anschluss umzugestalten. In mehr als zehn Jahren Bauzeit entstanden dann die neuen U-Bahnhöfe am Rathaus und der weitläufige „Boulevard“.