Bochum. Die nur ein, zwei Kilometer lange Straße „Im Stapel“ ist eine klassische Misch-Straße, wie sie im Ruhrgebiet nicht selten vorkommt: relativ viel Natur, viele alte Wohnhäuser im Ein- und Mehrfamilienstil - und dazwischen jede Menge uralte Industriegeschichte.

Am besten nähert man sich der Straße „Im Stapel“ in Dahlhausen zu Fuß, durchs Grüne von Höntrop aus. Die Stille der dortigen Felder und der Ausläufer des Hörsterholzes (1) wird der heimeligen Ruhe, die die Straße ausstrahlt, viel eher gerecht als die Hektik der Dr.-C.-Otto- und Kassenberger Straße, die an ihrem anderen Ende im Süden verlaufen.

Die nur ein, zwei Kilometer lange Straße „Im Stapel“ ist eine klassische Misch-Straße, wie sie im Ruhrgebiet nicht selten vorkommt: relativ viel Natur, viele alte Wohnhäuser im Ein- und Mehrfamilienstil - und dazwischen jede Menge uralte Industriegeschichte.

„Im Stapel“ war einerseits geprägt von Bergbau. Schautafeln eines bergbauhistorischen Wanderwegs informieren den Spaziergänger zum Beispiel über den bekannten „General-Erbstollen Nr.5“, einer der wichtigsten im Bochumer Bereich Mitte des 19. Jahrhunderts. Durch ihn wurden Kohlefelder bis nach Weitmar hinein aufgeschlossen. Später, im 2. Weltkrieg, verkrochen sich die Anwohner darin in grausamen Bombennächten.

Noch mehr geprägt wurde die Straße aber von Dr.C.-Otto-Feuerfest, dem Produzenten von feuerfesten Steinen. Viele alte Häuser dort und in den Nachbarstraßen stammen von Arbeitern dieses bis heute aktiven Traditionsunternehmens. Einige dieser Häuser sind eher mäßig, einige aber äußerst liebevoll restauriert.

Früher ein „Kolonialwarenladen“

Aus einer Zeit, als es dort industriell noch richtig brummte, stammt auch das einfache, aber schön hergerichtete Haus der Eheleute Marianne und Otto Kohl (3). Schon fast ihr ganzes Leben wohnen die treuen WAZ-Leser dort. „Wir sind vor 50 Jahren mit unserem Sohn hier eingezogen, da war er drei Wochen alt.“ Früher wurde ein „Kolonialwarenladen“ in dem fast 120 Jahre alten Gebäude betrieben, eine Schuhmacherei und eine Bäckerei. Sieben Familien hatten dort einmal gewohnt. „Wir sind stolz auf unser Häuschen“, sagen die Kohls, die seit zehn Jahren auch Eigentümer sind. Drei Jungs haben sie dort großgezogen.

„Im Stapel“ liegt direkt unter einem teilweise recht steilen, bewaldeten Berghang. „Einsturzgefahr. Bergschadengebiet. Wege nicht verlassen“, steht auf einem Warnschild. Unweit davon ist über Jahrzehnte hinweg ein Baum in den Steilhang gewachsen, dessen freiliegende Wurzeln sich wie die Arme eines riesigen Tintenfisches ins Erdreich gekrallt haben. Wieder ein paar Meter weiter sieht der Spaziergänger einen zugebauten Stolleneingang (4). Dort informiert eine Tafel über den „Kern des Weitmarer Sattels“, über „Faltentektonik“ und das Steinkohlenzeitalter vor 300 Millionen Jahren.

Mächtige neunarmige Platane

Mittelpunkt der Straße ist ein Kreisverkehr (2), in dessen Mitte eine mächtige, neunarmige Platane blüht. Sie steht dort stolz wie auf einer Bühne. Angesichts des Fachwerks hier und dort in der Nähe könnte man meinen, sich in einem Dorf auf dem Lande zu befinden, obwohl der Krach der Großstadt nur wenige Gehminuten entfernt ist. Viele Hundehalter gehen spazieren. Auf ein Verkehrsschild mit einem Frosch darauf (Krötenwanderung) hat jemand von Hand dazukritzelt: „Vorsicht, langsam fahren.“

Seit einigen Monaten ist es dort noch ruhiger als ohnehin schon geworden. Wegen schwer in den Griff zu bekommender Bergschäden unter der Fahrbahn hat die Stadt die Zufahrt zur Wohnstraße auf 2,10 Meter eingeengt. So sollen keine schweren Lkw mehr dort herfahren.

Ein paar Schritte weiter wohnt Hardo Sorgatz (69), ein Psychologe. Seit 30 Jahren lebt er in einem fast 300 Jahre alten Fachwerkhaus. Ein tipptopp gepflegter Oldtimer steht vor seiner Tür. „Eine ideale Wohnlage“, sagt der Wissenschaftler: bisschen hügelig, gute Nachbarschaft, gute Anbindung an Bochum und Essen mit öffentlichem Nachverkehr - „ein richtig schönes Mischwohngebiet“.

Straße wurde bei Eingemeindung 1929 umbenannt

Die Wohn- und Anliegerstraße zwischen Kassenberger und Varenholzstraße hieß in früherer Zeit Waldstraße bzw. Heidestraße, wurde aber nach der Eingemeindung Dahlhausens nach Bochum 1929 umbenannt.

Der Straßenname leitet sich von einem Begriff aus dem Bergbau ab. „Stapel“ meint einen Blindschacht, also einen senkrechten Grubenbau, der zwei oder mehrere „Sohlen“ miteinander verbindet, wobei die Sohlen die „Etagen“ sind, über die die Bergleute die Kohlevorräte in unterschiedlichen Tiefen erschließen. Entsprechend dienen auch Blindschächte mittelbar dazu, den Zugang zu einem Flöz zu gewährleisten.

Grundsätzlich dienen die schon in Mittelalter erwähnten Blindschächte zur Verbesserung der Wetterführung (Belüftung) innerhalb eines Bergwerks, zur Verkürzung des Transports von Erz oder Kohle sowie Bergen (Abraummaterial) in besser zur Abfuhr geeignete Stollen oder Sohlen und zur Erleichterung des Personen- und Materialtransports. „Blind“ sind diese Schächte, weil sie nur untertägig befahren werden und nicht bis zur Tagesoberfläche reichen.

Im Stapel

picturegallery-395287_1462703.jpg
picturegallery-395287_1462704.jpg
picturegallery-395287_1462709.jpg
picturegallery-395287_1462691.jpg
picturegallery-395287_1462692.jpg
picturegallery-395287_1462693.jpg
picturegallery-395287_1462705.jpg
picturegallery-395287_1462694.jpg
picturegallery-395287_1462695.jpg
picturegallery-395287_1462708.jpg
picturegallery-395287_1462707.jpg
picturegallery-395287_1462706.jpg
picturegallery-395287_1462696.jpg
picturegallery-395287_1462697.jpg
picturegallery-395287_1462698.jpg
picturegallery-395287_1462699.jpg
picturegallery-395287_1462700.jpg
picturegallery-395287_1462701.jpg
1/18