Bochum. . Ein moralisch und juristisch umstrittenes Urteil bewegte die Gemüter im Bochumer Gericht: Ein Ladendieb (25) kam mit 1000 Euro Geldstrafe davon, obwohl eine Kassiererin (22) einen Herzstillstand erlitten hatte. Die Folgen seien nicht vorhersehbar gewesen, so das Gericht.
Nicht oft ist ein Urteil zwischen moralischer Erwartung und juristischer Kühle so stark zerrissen wie in diesem Fall: Ein 25-jähriger Ladendieb aus Essen hatte in einem Supermarkt in Bochum in die Kasse gegriffen - und die 22-jährige Kassiererin erlitt vor Schreck einen Herzstillstand. Trotzdem kam der Täter am Donnerstag vor dem Bochumer Schöffengericht mit 1000 Euro Geldstrafe davon.
Am 19. April 2013 hatte sich der Täter mit einer Begleiterin (31) zu dem Supermarkt an der Brenscheder Straße aufgemacht, den sie vorher ausbaldowert hatten. Das Kennzeichen ihres Autos hatten sie manipuliert, indem sie aus seinem F ein E machten. Der Mann stieg aus und tat an der Kasse so, als wolle er Waren bezahlen. Als die Kassiererin die Kasse öffnete, griff er dort hinein und nahm 280 mit. Damit rannte er aus dem Laden.
Jogger stellte den Ladendieb
Der Kassiererin schoss ein solcher Schrecken in die Glieder, dass ihr Herz aufhörte zu schlagen. Als die Polizisten Torsten Heim („Toto“ von „Toto & Harry“) und Martin Jouvenal am Tatort eintrafen und das leblose Opfer am Boden liegen sahen, reagierten sie blitzschnell. Mit Herzdruckmassagen und Beatmungen retteten sie das Leben der 22-Jährigen, bis Rettungskräfte und Notarzt die Versorgung übernahmen.
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Gleichzeitig spielte sich eine wilde Verfolgungsjagd ab. Das davonbrausende Täterduo wurde von Zeugen (ein Autofahrer und ein Jogger) und später der Polizei verfolgt. Der Täter, der den Fluchtwagen an der Wiemelhauser Straße verlassen hatte, wurde dann von dem Jogger geschnappt und die Täterin in ihrem Auto im Bereich Wittener Straße/Sheffieldring von der Polizei.
Mitangeklagte Frau blieb dem Prozess unentschuldigt fern
Vier Tage lag das Opfer im künstlichen Koma und wochenlang im Krankenhaus. Bis heute leidet es unter den Tatfolgen. Den 400-Euro-Job in dem Supermarkt hat die junge Frau deshalb inzwischen gekündigt.
Auf der Anklagebank erschien am Donnerstag nur der Angeklagte. Die Mitangeklagte blieb unentschuldigt fern. Das Gericht erließ für die mehrfach vorbestrafte Essenerin einen Strafbefehl (eine rein schriftliche Verurteilung). Der Mann indes bekam sogar nur eine Geldstrafe von 100 Tagessätzen à 10 Euro. Er war weniger vorbestraft als seine Komplizin.
Tatmotiv: Schulden bei „Rockerclans“
Das Urteil löste bei der Mutter des Opfers (das selbst nicht im Gericht war) großen Unmut aus. Denn das Gericht erkannte nur auf einfachen Diebstahl, nicht wie ursprünglich angeklagt auch auf fahrlässige Körperverletzung. Begründung: Die enormen Tatfolgen seien für den Dieb nicht vorhersehbar gewesen. Er habe auch keine physische Gewalt angewandt. Allerdings zeigte der Richter auch Verständnis für die Enttäuschung der Mutter.
Der Angeklagte gab sich im Prozess sehr reuig. Aus Scham könne er der Mutter seines Opfer kaum in die Augen schauen, meinte er. Und wenn auch ihre Tochter da gewesen wäre, würde er „am liebsten unter dem Boden versinken“.
Zum Tatmotiv meinte er: Er habe sich bei „Rockerclans“ Geld geliehen, das sie damals unter Androhung von Schlägen zurückgefordert hätten. „Ich war so sehr unter Druck, ich wusste nicht, wie es weitergeht.“