Bochum. Der Prozess um den furchtbaren Sesselwurf auf den Kopf des fünfjährigen Mussa aus Bochum wird ein hartes Ringen um die Rechtsfolgen. Die Anwälte von Mussas Familie bewerten den Fall anders als es der Staatsanwalt bisher tut. Außerdem fordern sie eine Menge Schmerzensgeld.
Wenn am 8. Mai der Strafprozess um den fünfjährigen Mussa beginnt, der durch einen aus dem Fenster geworfenen Sessel fast gestorben wäre, werden sich die Rechtsanwälte beider Seiten wohl einen harter Schlagabtausch liefern. Denn die Rechtslage in diesem furchtbaren Fall ist sehr umstritten.
Der Staatsanwalt wirft den vier Angeklagten fahrlässige Körperverletzung vor. Doch der Rechtsbeistand von Mussas Eltern sieht keineswegs eine Fahrlässigkeit, sondern einen bedingten Vorsatz, eine billigende Inkaufnahme, und will eine Bestrafung wegen gefährlicher oder sogar schwerer Körperverletzung, was einen viel höheren Strafrahmen hat.
Rechtsanwältin Dr. Susanne Selter und Rechtsanwalt Juri Rogner werden vor der 3. Strafkammer als Nebenklage-Vertreter fungieren. Damit haben sie unmittelbare Einflussmöglichkeiten auf den Prozess und die rechtliche Bewertung des Dramas.
Gleichzeitig werden sie in dem Strafprozess Schmerzensgeld einfordern. Nur nach vorläufiger Bewertung soll dies mindestens eine hohe fünfstellige Summe sein. Weil der Heilungsverlauf von Mussa aber nicht absehbar ist, könnten nach dem Strafprozess in einem eigenen Zivilprozess noch einmal weitere Forderungen hinterherkommen.
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Mussa hatte am 29. Mai beim Spielen in einer Nachbareinfahrt in Dahlhausen einen Sessel aus zehn Metern Höhe auf den Kopf bekommen. Ein 24-jähriger Bochumer, der im Nachbarhaus eine Wohnung im zweiten Stock entrümpelte, hatte ihn laut Anklage aus dem Fenster geworfen, ohne auf die Sicherheit unten im Hof zu achten.
Er soll vom Wohnungsinhaber (51) zu dieser Art der Entsorgung beauftragt worden sein. Doch das bestreitet dieser. Wie sein Verteidiger Reinhard Peters sagt, soll der 24-Jährige wohl nur zu bequem gewesen sein, die Möbel durchs Treppenhaus zu tragen.
Die Angeklagten sind in der Sache also untereinander zerstritten. Ebenfalls angeklagt sind ein weiterer Entrümpelungs-Helfer (39) und die Ehefrau (53) des damaligen Wohnungsinhabers. Auch sie sollen nicht richtig aufgepasst haben, obwohl im Hof Kinder gespielt hatten.
„Ein Wunder, dass er noch lebt“
Um den Sperrmüllhaufen unterm Fenster im Hof gab es nicht einmal ein Absperrflatterband. Mussas Anwalt Rogner hat es noch nie erlebt, dass man „in dieser Weise alle Schutzmaßnahmen“ vernachlässigt habe. „Und das in einem so dicht besiedelten Raum.“ Seine Kollegin Dr. Selter fügt hinzu: „Und dann bei Kindern, um deren Unberechenbarkeit man ja auch weiß.“
Mussa selbst wird in dem Prozess eventuell als Zeuge aussagen müssen. Trotz seiner schwersten Kopfverletzungen (Rogner: „Ein Wunder, dass er noch lebt“) soll er sich an die Momente vor dem Unglück erinnern können. Auf seine mögliche Aussage vor den Richtern wird der Junge psychologisch vorbereitet.