Bochum. . „In keinem anderen Fall haben wir erlebt, dass nur Verlierer auf der Strecke geblieben sind“, sagte der Richter, nachdem er die angeklagte Arztgattin aus Bochum wegen Mordes an ihrem Liebhaber zu lebenslanger Haft verurteilt hatte. Auch ihr Kind (neun Monate alt und der Sohn des Opfers) gehöre dazu.

Ohne äußere Regung hörte die Angeklagte (32) am Mittwoch zu, als Richter Hans-Joachim Mankel die Höchststrafe verkündete. Das Schwurgericht verhängte wegen heimtückischen Mordes an ihrem Liebhaber (36) eine lebenslange Haftstrafe. Sie hatte ihn umgebracht, um zu vertuschen, dass er der Vater ihres erst zehn Tage zuvor geborenen Babys ist. Als der Richter das Urteil begründete, starrte die 32-jährige Frau, die ganz in Schwarz erschienen war, mit leerem Blick vor sich hin. Sollte das Urteil rechtskräftig werden, würde nach 15 Jahren geprüft, ob sie auf Bewährung freikommen könnte.

Dann wäre ihr Sohn (jetzt neun Monate) bereits fast erwachsen. Auch er ist eines der Opfer dieses ungeheuren Verbrechens. Richter Mankel: „In keinem anderen Fall haben wir erlebt, dass nur Verlierer auf der Strecke geblieben sind.“

Er nannte das Opfer, den Börsenmakler aus Bochum-Ehrenfeld. Der Richter nannte dessen Familie und Freunde. Er nannte ferner den Ehemann (41) der Täterin, einen niedergelassenen Arzt, der jetzt beim Umgang mit dem Baby (es wird von ihm und seiner Familie großgezogen) tagtäglich an die Tat erinnert werde. Verlierer seien auch die Mutter und die Schwester der Angeklagten und auch diese selbst, die nun für lange Zeit eingesperrt sei, die sich „in der so wichtigen Zeit des Aufwachsens“ nicht mit der Fürsorge um ihr Kind befassen könne und sein Wohlergehen in die Hände Dritter legen müsse.

„Sie war für ihn seine große Liebe“

Die Arztgattin hatte den Banker Ende 2009 hinter dem Rücken ihrer Familie mit großem Charme verführt. Er war Patient in der Praxis ihres Mannes, für den sie auch als Arzthelferin arbeitete. „Er war stolz“, sagte der Richter, „so eine attraktive Freundin zu haben. Sie war für ihn seine große Liebe.“ Ende 2010 zeugten die beiden ein Kind. Der Banker drängte darauf, dass sie ihren Mann verlässt. Doch mit Lügen und Ausreden hielt sie ihn immer wieder hin. „Sie bestrebte, es beim Status Quo zu belassen“, sagte Mankel und meinte ihr eheliches Dasein mit Prestige und materieller Sicherheit.

Zwar kühlte die Beziehung zu dem Geliebten stark ab, dennoch machte er ihr mit Nachdruck klar, dass er auf einem Vaterschaftstest und auch auf seine Rechte als Vater bestehe. Das war für die Angeklagte, wie Mankel sagte, „ein gravierendes Bedrohungsszenario“, weil ihre Familie auf gar keinen Fall von der Affäre wissen durfte. Der drohende Vaterschaftsfest habe sich „praktisch wie eine Schlinge um ihren Hals“ gelegt. Im Tod des Geliebten habe sie „die einzige Möglichkeit“ gesehen, das Bekanntwerden der Affäre zu verhindern.

Mit Morphium vergiftet

Nach 13 Prozesstagen waren die Richter überzeugt, dass sie am 2. September 2011 - wenige Tage nach der Geburt - mit dem festen Entschluss, ihn zu töten, in seine Wohnung fuhr. Mit dabei hatte sie einen Thermo-Becher mit Kakao, den sie mit einer Überdosis Morphium und Bromezepam vergiftete, und Einweghandschuhe. „Habe eine Überraschung für dich“, simste sie ihm vorher. Als er arglos den Kakao getrunken hatte und bewusstlos war, spritzte sie ihm eine weitere Überdosis Morphium in den Arm. Weil sein Puls aber immer noch schlug, holte sie ein Käsemesser aus der Küche und stach 14-mal auf ihn ein, zweimal auch ins Herz. Das Gericht glaubt, dass sie nur deshalb zustach, weil das Gift für sie zu langsam wirkte - und um „sich des Todes ganz sicher zu sein“.

Die Angeklagte, die im Prozess bis zum so genannten „letzten Wort“ vor dem Urteil von ihrem Schweigerecht Gebrauch gemacht hatte, war kurz nach der Tat gefasst worden. Sie behauptete bei der Kripo, dass sie ihren Geliebten nur vorübergehend habe ruhigstellen wollen, um Zeit zu gewinnen. Erst im Affekt habe sie ihn dann erstochen. Diese Totschlag-Version nahm ihr das Gericht aber nicht ab.

Verteidiger wird Revision einlegen

Mit dem Urteil folgte das Gericht dem Antrag von Staatsanwalt Michael Nogaj. Verteidiger Egbert Schenkel will aber Revision einlegen. Er wollte eine Verurteilung wegen Totschlags - eine befristete Freiheitsstrafe.

Beim Urteil anwesend waren auch die Eltern des Opfers. Deren Anwalt Reinhard Peters sagte nachher: „Die Familie ist erleichtert, dass ein Urteil herausgekommen ist, das sie als gerecht empfindet und mit dem sie leben kann.“

Die Leiche war damals in der Wohnung teilweise verbrannt aufgefunden worden. Die Frage kam auf, ob die Angeklagte nach der Tat vorsätzlich Feuer gelegt habe. Das konnte das Gericht aber nicht feststellen. Eventuell hatte sich der Schwelbrand durch Zigarettenglut entfacht, hieß es.