Bochum. . „Ich lege die Katze nicht auf die Couch, sondern rede mit dem Menschen über sein Tier und über die Probleme, die beide im Zusammenleben haben.“ Doris Gräwe (47) ist Tierpsychologin – eine der wenigen, die sich mit dem Verhalten von Katzen beschäftigen.

„Katzen sind vielschichtiger als Hunde, bei denen die Probleme offenkundiger auf der Hand liegen.“ Die Bochumerin kennt sich aus; angefangen hat sie als Tierpsychologin für Hunde. 2003 studierte sie Tierpsychologie im Fernstudium bei ATN (Akademie für Tier- und Naturheilkunde in der Schweiz). Als Verhaltensberaterin ist sie seit 2002 tätig, konnte sich über Seminare und Mitarbeit in einer Hundeschule Wissen erwerben. Zuvor hatte sie ihre Ausbildung zur Diplom-Verwaltungswirtin abgeschlossen. Heute arbeitet sie in Teilzeit im Amt für Wohnen und Soziales, Fachstelle für Behinderte im Beruf – ihr Standbein, wie sie es selbst nennt.

Als Spielbein betrachtet sie also die Arbeit mit Tieren. Zurzeit steckt Doris Gräwe wieder im Fernstudium, diesmal mit dem Schwerpunkt „Katze“. Ihre Diplomarbeit will sie im nächsten Jahr fertig haben. Gefragt sind bei der Tierpsychologie Einfühlungsvermögen und ein Gespür für die Bedürfnisse der Katze.

„Das Schöne an der Arbeit ist: Tiere reagieren unmittelbar auf Verhaltensregelungen.“ Wer zu ihr kommt, hat individuelle Probleme mit seiner Katze. Ganz oben stehen dabei Unsauberkeit und Aggressionen.

Wenn eine Katze also plötzlich auf den Teppich statt in ihr Klo pinkelt, dann ist ihr Leben irgendwie in Unordnung geraten. Und wenn sie die Tapeten von den Wänden holt, obwohl sie einen Kratzbaum nutzen könnte, kann das laut Doris Gräwe zum Beispiel ein Ausdruck von Frust sein. „Der Mensch denkt dann oft: Die Katze will mich ärgern, doch das wäre vermenschlicht gedacht. Es hat keinen Sinn, das Tier zu bestrafen. Vielmehr sollte sich der Halter an die eigene Nase fassen und die Ursache in seinen Haltungsbedingungen suchen. Oft liegt die Lösung auf der Hand, wenn etwa vergessen wurde, das Katzenklo zu reinigen.“

Welche Neuerungen oder Defizite im Umfeld der Katze zu Verhaltensauffälligkeiten führen, das versucht die Psychologin vor Ort zu ergründen, im Gepäck stets Spielzeug und allerlei Leckereien. Sie beobachtet das Tier (sofern sie es zu sehen bekommt) in dessen gewohnter Umgebung, wie es auf den Menschen reagiert. Wie sind Näpfe, Klos und Kratzbäume verteilt? Auch den Einsatz von Bachblüten, individuell für die ganz persönlichen Bedürfnisse des „Patienten“ zusammengestellt, empfiehlt Doris Gräwe als zusätzliches Hilfsmittel.

„Katzen brauchen mehr als Wasser und Futter. Man darf nicht vergessen: Es sind Raubtiere, also brauchen besonders Wohnungskatzen Jagderfolge.“ Die lassen sich durch Beschäftigung erreichen; zur artgerechten Haltung gehört es, mit dem Tierchen zu spielen. „Der Mensch bleibt die Hauptbezugsperson. Es muss nicht lange sein, aber beschäftigen sollte man sich mit der Katze. Mit wenig Aufwand lässt sich viel erreichen. Wenn nicht, verkümmert die Katze.“ Oder wird fett: Es gibt viele übergewichtige Katzen, die an Bewegungsmangel leiden, oft kombiniert mit zu viel Futter.

Manchmal sind die Lösungen verblüffend einfach: „Ich wurde wegen einer Katze um Hilfe gebeten, die den Kitt aus dem Fensterahmen pulte und fraß. Auffallend: Gegenüber hatte sich in der ehemals ruhigen Wohnstraße ein Arzt niedergelassen, wodurch auf einmal viel Publikumsverkehr herrschte – eine Reizüberflutung für die Katze. Also half nur: Rollläden runter.“