„Sie haben das alles schon gut im Griff, für die letzten kleinen Unsicherheiten bin ich jetzt hier.“ Tierpsychologin Andrea Delveaux schätzt, dass Christa Prieß die Probleme mit Rüde Milos (5) schnell lösen wird.
Familie Prieß hatte sich auf den WAZ-Aufruf gemeldet, als Hundebesitzer gesucht wurden, die Schwierigkeiten mit ihren Tieren haben. Andrea Delveaux hatte sich bereit erklärt, sich kostenlos um drei Tiere zu kümmern.
Bei Familie Prieß ist nun das Hauptproblem, das Milos, auch liebevoll Mikesch genannt, der mit seinem Kumpel Zabou (10) im Haushalt der Familie lebt, nicht so gut mit kleinen Kindern klar kommt. Prieß’ sind aber gerade Großeltern geworden. Ihr kleiner Enkel Lukas (drei Monate) kommt mindestens einmal pro Woche zu Besuch. Und nun wollen die Oberhausener auf Nummer sicher gehen, dass Milos und Lukas sich auch gut verstehen. Wobei Milos, wie Zabou auch ein Polnischer Hütehund, nicht aggressiv auf Kinder reagiert. Allenfalls verunsichert, ängstlich. „Er mag es nicht einmal, wenn ein Kind da steht und ihn anschaut“, erzählt Christa Prieß.
Milos hat noch mit einigen anderen Dingen Probleme. Angst vor Gewittern und Feuerwerk. Aktentaschen oder Rucksäcke verunsichern ihn, die bellt er schnell an. Der Tierarzt hat ihm ein Peptid gegen seine Ängste verschrieben. Was Andrea Delveaux sehr begrüßt. „Dazu hätte ich auch geraten“, sagt sie. Und hat dann gleich eine ganze Reihe von Ratschlägen parat, wie man Hund und Kind am besten aneinander gewöhnt.
Sie deutet auf den Kinderwagen, der auf der Terrasse steht. „Holen Sie ihn die Wohnung, in Milos Revier, damit er daran schnuppern kann“, rät sie. Dann wäre es gut, einige Kleidungsstücke des Kindes, vielleicht welche, aus denen es herausgewachsen ist, die aber nicht gewaschen sein dürfen, also ordentlich nach Lukas riechen, in der Wohnung zu verteilen. „Die darf Milos dann auch ruhig haben“, sagt Delveaux. Nur Söckchen sollten es nicht sein. Die sind zu klein und könnten von den Hunden verschluckt werden.
Um Milos überhaupt an Kinder zu gewöhnen, rät Delveaux Christa Prieß, sich regelmäßig gegenüber von einem Kindergarten zu postieren, wenn die Kinder nach Hause gehen. Erst auf der gegenüberliegenden Straßenseite. Dann auf der Straßenseite des Kindergartens. Später könnte man auch mal in den Kindergarten gehen.
Nun zu einem wichtigen Punkt: der ersten direkten Begegnung zwischen Hund und Kind. Dazu sollte Lukas auf einer Decke auf dem Boden liegen und Milos an ihm schnuppern dürfen. Christa Prieß ist da aber etwas unsicher. Möchte Milos doch lieber einen Maulkorb tragen lassen, auch wenn Lukas später durch die Wohnung krabbelt oder läuft. „Dann müssen Sie ihn jetzt schon daran gewöhnen“, sagt Delveaux. Und zwar ganz langsam, wenn das Kind nicht da ist. Auf keinen Fall darf Milos den Maulkorb und Lukas miteinander in Verbindung bringen. Er sollte immer sehr gelobt werden und ein Leckerchen bekommen, wenn der Maulkorb aufgesetzt würde. Delveaux: „Wenn sie ihn abnehmen, sagen Sie gar nichts.“ Sie rät zudem zu einem Plastikmaulkorb, „da kann er hecheln, und Sie können ihm ein Leckerchen da durch schieben“.
Schließlich zieht die Tierpsychologin eine CD aus der Tasche. Auf der sind alle für Milos so furchteinflößenden Geräusche von Partyklängen über Silvesterknallerei bis hin zu Kindergeschrei. Diese CD sollen Prieß’ nun regelmäßig auflegen, erst sehr leise und später immer lauter abspielen. Und immer mit etwas Positivem für Milos, etwa Leckerchen, verbinden. „Zwei bis drei Wochen jeden Tag“, rät Delveaux.
Sie erzählt dann noch, warum es so schwierig für Menschen ist, vor Hunden ihre Angst zu verbergen. Erstens können Hunde Angst riechen. Gleichzeitig haben sie eine andere Bewegungswahrnehmung als Menschen. Sie sehen alles langsamer, nehmen jedes Blinzeln quasi in Zeitlupe wahr. Sprich, sie bekommen alles an Körpersprache mit.
Bei den beiden ersten tierischen Sorgenkindern, dem Jack-Russell-Terrier Amy und dem Chihuahua Amani, verzeichnet Andrea Delveaux bereits gute Erfolge.
Der „kleine Dominanzbolzen“ Amani ist kastriert. Er pinkelt nur noch selten in die Wohnung. „Die Streitereien unter den Hunden haben stark nachgelassen“, freut sich Delevaux. Die Tiere haben im Wohnzimmer jetzt ein eigenes Schlafkissen. Aufs Sofa dürfen sie nicht mehr. Delveaux: „Es hat sich gezeigt, dass viele Streits um den Liegeplatz Couch gingen.“ Jetzt käme der Erziehungsteil mit einem Klickertraining.
Amy hat mit Ihrem Frauchen Margret Jung schon fleißig trainiert. Die kleine Hündin beherrscht jetzt Befehle wie „Sitz“ und „Platz“. Sie geht auf Kommando in ihr Körbchen und bleibt auch dort. Margret Jung findet, dass Amy insgesamt ruhiger geworden ist. Amy, die Postboten und Jogger nicht mag, muss nun lernen, auch im Körbchen zu bleiben, wenn die Post eingeworfen wird, die sie früher zerfetzt hat, Besucher nicht mehr laut bellend zu empfangen und draußen auf Zuruf zu Margret Jung zu kommen, anstatt Joggern hinterher zu laufen.