Oberhausen. .

Die WAZ hat mit Tierpsychologin Andrea Delveaux einen Aufruf gestartet: Besitzer von problematischen Hunden sollten sich melden. Drei Hunde wurden zur Therapie ausgewählt. Den Anfang macht Hündin Amy mit Frauchen Margret Jung.

„Das ist ein ganz klarer Fall von Erziehungsversäumnis“, bringt es Tierpsychologin Andrea Delveaux auf den Punkt. Der klare Fall von Erziehungsversäumnis heißt Amy, sitzt gerade mal ganz brav da und schaut sehr süß.

Doch Frauchen Margret Jung (56) hat so ihre Schwierigkeiten mit der kleinen Parson-Jack-Russell-Terrier-Hündin. Amy rast bellend durch die Wohnung, immer hin und her. Wird wütend, wenn der Briefträger die Post in den Briefkasten wirft, mag keine anderen Hunde, keine Kinder und Radfahrer, die hasst sie auch. Seit zwei Jahren lebt Amy bei Margret Jung. Viel allein ist der Hund nicht, zumal noch Margret Jungs Vater mit im Haus wohnt. Dennoch mag Amy es nicht, wenn ihr Frauchen raus geht. Einmal hat sie in der Zeit schon einen Vorhang zerfetzt.

Was also tun mit dem kleinen Hund. „Sie können das ändern“, greift Andrea Delveaux das Thema Erziehungsversäumnis auf. Mit einem Jack-Russell hätte Margret Jung einen sehr gelehrigen Hund. Überhaupt sagt die Fachfrau über diese Rasse: „Es sind Arbeitshunde, das sollte man nicht vergessen, so klein und niedlich sie auch sind.“ Jack-Russell-Terrier wurden ursprünglich zur Rattenjagd eingesetzt.

Vieles muss sich ändern

Andrea Delveaux listet dann auf, was Margret Jung alles ändern muss. Und sie hält nicht damit hinterm Berg, dass auf Mensch und Hund nun viel Arbeit zukommt. Denn, was Margret Jung so scherzhaft nebenher erwähnte, Amy spiele gern die Chefin, trifft genau den Punkt. Amy spielt nicht nur die Chefin, sie ist die Chefin, allerdings wurde sie eher in diese Rolle gedrängt. Chef zu sein, ist schwer für den eher unsicheren Hund. „Amy fühlt sich verantwortlich, muss auf alles aufpassen“, sagt Delveaux. Und wenn Margret Jung aus dem Haus ginge, würde der Hund das in etwa so empfinden: „Jetzt lässt die mich mit allem allein, geht allein raus, und wer weiß, was ihr da passiert.“ Das alles ist Stress pur für Amy.

Die Lösung: Margret Jung muss Rudelführerin werden. Amy muss die Gewissheit erhalten, sich auf sie verlassen zu können. Das geht Schritt für Schritt. Zunächst muss die 56-Jährige Amy beibringen, auf Kommando ins Körbchen zu gehen und darin liegen zu bleiben. Ein Geduldsspiel. Dreimal täglich zehn Minuten. „Befehle nie öfter wiederholen, das schwächt ihre Autorität“, so Delveaux. Also muss Amy mit Leckerchen ins Körbchen gelockt werden. Dann der Befehl: Bleib. Viel Lob, wenn sie tatsächlich sitzen bleibt.

Kommt der Postbote, kommt Besuch, wird Amy mit der Leine im Körbchen gehalten. Zumindest so lange, bis sie auf den Befehl hin alleine dort bleibt. Bellt sie: „Ignorieren Sie es“, rät Andrea Delveaux. Verhält sie sich ruhig: „Loben!“ Natürlich darf Amy dann später wieder herumlaufen, wenn sich die Besucher gesetzt haben.

Üben, üben, üben

Außerdem: Auch den Befehl „Sitz“ zwischendurch immer wieder üben. Und, wenn Amy von sich aus, ein Spiel einfordert, nicht reagieren. „Sie sind der Chef, Sie bestimmen, wann gespielt wird“, macht Andrea Delveaux Margret Jung klar. Wichtig: „Jedes Spiel muss auch von Ihnen beendet werden.“ Außerdem darf Amy nicht den ganzen Tag über Futter zur Verfügung haben. Delveaux die Hundesicht darstellend: „Sie gehen jagen, Sie stellen ihrem Hund das Futter zur Verfügung.“ Eigentlich müsste Amy sich jetzt alles, was sie an Futter bekäme, verdienen.

Alles in allem also keine leichte Aufgabe für Margret Jung. Die Tierpsychologin kann ihr jedoch versichern: „Amy wird es Spaß machen.“ Und wenn es im Haus gut liefe, könne man die Probleme draußen mit anderen Hunden, Kindern und Radfahrern lösen.

Die WAZ-Redaktion Oberhausen hat gemeinsam mit Tierpsychologin Andrea Delveaux einen Aufruf gestartet. Besitzer von problematischen Hunden sollten sich melden. Drei Hundebesitzer, die Schwierigkeiten mit ihren Lieblingen haben, wurden ausgewählt. Andrea Delveaux kümmert sich kostenlos um die drei Vierbeiner und deren Menschen. Die WAZ stellt sie nun nacheinander vor und wird auch die Therapie-Erfolge begleiten. Den Anfang macht die Jack-Russell-Terrier Hündin Amy mit Frauchen Margret Jung.