Bochum.

Mit dem Großbrand am Alten Bahnhof am 18. August hat Bochum mit dem „Zwischenfall“ einen der bekanntesten Clubs verloren. Das sorgt für Wehmut bei den ehemaligen Gästen.

Lichterloh hatte es in dem über 80 Jahre alten Haus gebrannt, zwischenzeitlich war das Dach zusammengekracht. Das Feuer machte nicht nur das Gebäude für 26 Erwachsene und 13 Kinder unbewohnbar, sondern raffte auch ein Stück Musikgeschichte dahin. Denn als Disko und Konzerthalle war der Zwischenfall über 20 Jahre lang ein Fixpunkt der Subkultur. Tatsächlich reicht die Geschichte dieses Clubs an der Alten Bahnhofstraße aber noch viel länger zurück, bis in die 1960er Jahre nämlich.

Im Summer of Love, 1967, war der Ausbau der Tanzetage im 1. Stock des damals als „Big Aple“ bekannten Etablissements erfolgt. Club-Chef Kurt Apel (†), unvergessen nicht nur in Langendreer, war ein Disko-Pionier schon während des Beat- und Love-&-Peace-Zeitalters. Hier legte Apel höchstpersönlich die neuesten Hits der Beatles, Kinks, Stones und Troggs auf, verstärkt von einer - für damalige Verhältnisse - gewaltige Musik-Anlage. Ganze Generationen von Schülern und Berufsschülern aus Langendreer, Werne und Witten haben in den 60ern und 70ern Jahre im „Big Aple“ geflirtet und getanzt – gleich nach Schulschluss, denn Apels „Tanztees“ begannen schon am Nachmittag.

Ein Häuserblock brennt in Langendreer

Ein ganzer Häuserblock brennt ...
Ein ganzer Häuserblock brennt ... © WAZ FotoPool
... viele Schaulustige verfolgen die aufwendigen Löscharbeiten ...
... viele Schaulustige verfolgen die aufwendigen Löscharbeiten ... © WAZ FotoPool
... Blick auf die brennenden Dächer ...
... Blick auf die brennenden Dächer ... © WAZ FotoPool
... auch Schaum wird zur Brandbekämpfung eingesetzt ...
... auch Schaum wird zur Brandbekämpfung eingesetzt ... © WAZ FotoPool
... eine Vielzahl an Strahlrohren setzt die Feuerwehr zur Brandbekämpfung ein ...
... eine Vielzahl an Strahlrohren setzt die Feuerwehr zur Brandbekämpfung ein ... © WAZ FotoPool
--- die Einsatzleitung ist vor Ort ..
--- die Einsatzleitung ist vor Ort .. © WAZ FotoPool
... immer wieder flammen Brandnester auf.
... immer wieder flammen Brandnester auf. © WAZ FotoPool
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Diese tiefen Wurzeln in der Diskotheken-Tradition des Ruhrgebiets hatte der spätere langjährige Inhaber Norbert Kurtz, der den „Zwischenfall“ Mitte der 80er Jahre zum Sammelbecken für Wave und Electro-Klänge, aber auch für innovative Punk- und Gitarrenmusik ausgebaute, nie vergessen. Und das nicht nur, weil das Ambiente unten in der Kneipe bis zum Schluss (fast) noch dasselbe wie zu Kurt Apels Zeiten war. Vor ein paar Jahren riefen Kurtz und Apel-Tochter Ulla Rinio die „Big Aple Oldie Nights“ ins Leben - übermäßig gut besuchten Weißt-Du-noch?-Partys, die nicht nur musikalisch an die Gründertage des Clubs erinnerten.

Kult-Disco: das "Appel"

Als das Big Aple längst verschieden und der Zwischenfall noch lange nicht erblüht war, war am Alten Bahnhof eine andere Kult-Disco heimisch: das „Appel“. Alex Schüler, der spätere Mitbegründer der Logos Gastronomie (Sachs, Tucholsky, Logo, etc.), hatte den Laden nach Apels Rückzug übernommen und ihn seit 1980 als Rock-Disco zu ungeahnten Höhen geführt. Sagenhaft, was im „Appel“ am Wochenende los war! Wolfgang Welt, der Undergroundliterat von der Langendreer Wilhelmshöhe, hat dem Club in seinem Debüt „Peggy Sue“ ein Denkmal gesetzt:

„Wie üblich am Freitag fuhr ich zum Appel, das mittlerweile die meistbesuchte Bochumer Diskothek geworden war, wahrscheinlich, weil sich rumgesprochen hatte, dass hier die beste Musik lief. An den Nummernschildern konnte man erkennen, dass auch etliche Auswärtige hierher kamen.“

Ort der Jugend

WoW sprach dabei, manche wissen es noch, aus Erfahrung. Denn in den frühen 1980er Jahren war er neben Klaus Märkert der Samstagabend-DJ im Appel. Während letzterer immer dafür sorgte, dass die Tanzfläche belebt blieb, probierte WoW zu später Stunde das exakte Gegenteil. Damals schlossen wir Wetten ab, bis wann es der der „richtigen“ Musik verpflichtete WoW geschafft haben würde, die Tanzfläche leer zu spielen - mit King Crimsons „In The Court of the Crimson King“ war das meist so gegen 2.10 Uhr der Fall.

Vorbei! Die Wehmut, die nach dem Feuer in vielen Gesprächen unter den Gästen des Big Aple/Appel/Zwischenfall hochkommt, ist auch und gerade wegen solcher Anekdoten tief empfunden. Denn dieser Club war stets ein Ort der Jugend, und es bleibt zu hoffen, dass Norbert Kurtz mit einer Zwischenfall-Neugründung wo auch immer diese Tradition fortschreiben kann. Dass man aber den ganz eigenen Charme dieses speziellen Etablissements am Alten Bahnhof nicht konservieren kann, liegt auf der Hand. So gesehen, hat die Bibel (oder The Byrds in „Turn, turn, turn“, je nach dem) doch recht: Ein Jegliches/hat seine Zeit…