Bochum. .

Bochumer Bürger erzählen, wie sie sich an den Mauerbau am 13. August 1961 erinnern. 73-jähriger Friedrich Richmann erinnert sich an „dramatische Szenen“.

„Niemand hat die Absicht, eine Mauer zu errichten“. Wohl fast jeder kennt Walter Ulbrichts Aussage, getätigt am 15. Juni 1961 auf einer Pressekonferenz auf die Frage einer Journalistin der Frankfurter Rundschau. Ironischer Weise war es auch diese Aussage, die das Wort „Mauer“ erstmals aussprach. Denn ernsthaft glaubte vermutlich niemand, dass trotz vielfach in der Luft liegender „drastischer Maßnahmen“ es zu einer völligen Abriegelung kommen könnte.

Das bestätigen auch heute in Bochum lebende Augenzeugen: Reinhard Schulz, in Weitmar lebend, hatte zwar sofort den Eindruck, dass „sich da etwas Ernstes abspielt“, doch an eine Mauer hatte er nicht gedacht. Er wohnte in der Nähe der Sektorengrenze und hörte davon, dass sich etwas tun würde. Mit dem Fahrrad fuhr er zum Potsdamer Platz und sah dort Soldaten Stacheldrahtrollen abrollen und Absperrungen aufbauen.

Augenzeuge beim Bau der Mauer

Auch der heute 73-jährige Friedrich Richmann wurde Augenzeuge der Verlegung von Stacheldraht. Er beobachtete dramatische Szenen, bei denen Bürger versuchten, den Stacheldraht wieder aufzurollen. Westliche Polizisten hätten versucht die Situation zu entschärfen. Und die Menschen daran gehindert mit den Worten: „Leute, lasst den Quatsch“. Bis zu diesem Zeitpunkt sei das Verhältnis zu den Vopos (den Ostberliner Polizisten) noch sehr gut gewesen. Auch er bestätigt, dass wirklich niemand, weder Bekannte, noch Kollegen oder Freunde zu diesem Zeitpunkt an eine Mauer mitten in der Stadt geglaubt hätten.

Erwin Steden, langjähriger Jugendleiter des VfL Bochum, hat andere Erinnerungen an den August 1961. Er erlebte das historische Datum in der Jugendherberge Dossel/Solling. Doch auch hierher drangen die weltgeschichtlichen Erschütterungen. Denn mit 46 Bochumer VfL-Fußballjugendlichen teilten sich 35 Konfirmanden aus dem Berliner Wedding die Jugendherberge im Teutoburger Wald.

Die Kinder aus dem Arbeiterstadtteil hatten doppeltes Pech: Nicht nur brach der telefonische Kontakt zu ihren Eltern zusammen, auch ihr Betreuer wurde vom Arzt wegen einer ansteckenden Krankheit aus dem Verkehr gezogen und unter Quarantäne gesetzt. Vom Herbergsvater beauftragt betreute Steden fortan 71 Jugendliche und lenkte die Berliner mit Wandern, Geländespielen und Tischtennis von ihren Sorgen ab. Nach 14 Tagen traten die Jungs aus dem Wedding per Bus die Reise in eine ungewisse Zukunft an.

"Ich sehe dich nicht mehr wieder"

Auch für Sigrid Krämer wurde der 13. August schicksalhaft. Sie verließ im Juli 1961 Görlitz an der polnischen Grenze, wo sie bei ihren Großeltern lebte, um zu ihren nach Wuppertal übergesiedelten Eltern zu ziehen.

Sie berichtet, dass ihr Großvater über eine Vorahnung verfügte: Als er die 9-jährige Sigrid verabschiedete, weinte er. Als das Mädchen ihn fragte, warum denn, und meinte, sie käme doch zurück, antwortete er: „Ich sehe dich nicht mehr wieder“. Er sollte leider Recht behalten und starb 1967, ohne seine Enkelin noch einmal getroffen zu haben. Sigrid Krämer reiste „schwarz“ aus Berlin aus, kam nur mit Puppe und einem Koffer im Westen an. Ihre Oma kehrte - zum Glück unbehelligt - an eben jenem schicksalhaften 13. August in den Osten zurück.