Bochum. Angela Schröder arbeitet in einer Werkstatt für Menschen mit Behinderung. Mit ihrer Mutter erzählt sie, was sie daran mag – und was frustriert.

Als Dreiergespann sind sie in der Nachbarschaft in Langendreer bekannt: Barbara Schröder (73) lebt mit ihrer Tochter Angela (53) und deren Kollegen Klaus Felsch unter einem Dach. Der 66-Jährige arbeitet wie Angela Schröder in einer Werkstatt für Menschen mit Behinderung. Als seine Eltern starben, zog er zu Mutter und Tochter, seitdem kümmert sich Barbara Schröder auch um ihn.

Bochumerin: Halbseitige Lähmung mit zehn Jahren

Auch die erwachsene Tochter ist dauerhaft auf Hilfe angewiesen. Im Alter von zehn Jahren hatte Angela einen Hautausschlag. Was zunächst niemand erkannte: Das Kind hatte eine Blutgefäßentzündung. Schröder ist seitdem halbseitig gelähmt, kann bis heute nicht sprechen. Gleichgewichtsprobleme erschweren die eigenständige Fortbewegung.

Angela Schröder kommuniziert mit ihrem Sprach-Tablet.
Angela Schröder kommuniziert mit ihrem Sprach-Tablet. © FUNKE Foto Services | Jonas Richter

Ein Sprach-Tablet, ein sogenannter „Talker“, hilft ihr im Alltag bei der Kommunikation, zum Beispiel beim Einkaufen. Durch ihn kann sich die 53-Jährige neben Mimik und Gestik ausdrücken und lernt gleichzeitig neue Sinnzusammenhänge von Begriffen und Bildern. Auch im WAZ-Gespräch kommuniziert sie mit ihrem Computer.

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Beruflicher Lebensmittelpunkt für Angela Schröder und Klaus Felsch ist die Werkstatt Constantin-Bewatt für Menschen mit geistiger, körperlicher und/oder psychischer Behinderung in Bochum-Riemke, hier lernten sie sich 1994 kennen. Die beiden mögen die Werkstatt. Sie seien gerne beschäftigt und mit den Kolleginnen und Kollegen zusammen, erzählt Barbara Schröder. Angela nickt kräftig und zeigt auf ihrem Talker lächelnd die eingespeicherten Gesichter der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Werkstatt.

Barbara Schröder, Klaus Felsch und Angela Schröder sprechen über ihr Leben in Bochum-Langendreer.
Barbara Schröder, Klaus Felsch und Angela Schröder sprechen über ihr Leben in Bochum-Langendreer. © FUNKE Foto Services | Jonas Richter

„In der Werkstatt, was macht ihr da?“, fragt Barbara Schröder. „Ist unterschiedlich“, sagt Klaus Felsch: „Kinderräder und Schrauben zusammenbauen, Papier schreddern, Gegenstände zusammenschweißen, Fußbälle bekleben und Müll einsammeln im Park in Langendreer.“ Welche Aufgaben in der Werkstatt gemacht werden, sei abhängig von den Fähigkeiten der Menschen. „Was hat am meisten Spaß gemacht?“, fragt Barbara ihre Tochter. „Alles?“, Angela nickt.

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173 Euro Lohn pro Monat – ein Leben am Existenzminimum

Während in der öffentlichen Debatte mitunter die geringe Bezahlung in Werkstätten massiv kritisiert wird, betont Barbara Schröder: „Es geht vor allem um die Beschäftigung, gar nicht so sehr um das Geld.“ In dem niedrigen Lohn von 173 Euro, den Angela im Monat bekommt – dazu kommt unter anderem noch Wohngeld –, sieht sie auch den Anreiz für Firmen, den Werkstätten Aufträge zu geben. Dennoch sei es ein Leben am Existenzminimum.

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Schröder sieht vielmehr Probleme bei der Auftragsvergabe. Immer wieder komme es vor, dass Klaus und Angela in der Werkstatt nichts zu tun hätten: „Sie sitzen da und drehen Däumchen, wenn sie keinen Auftrag haben“, sagt die 73-Jährige. Angela macht die Bewegung vor, guckt dabei traurig. Sie versuche dann, sich selber zu beschäftigen. „Mir geht es darum, dass mein Kind die beste Betreuung bekommt“, sagt die Mutter. Das sehe sie derzeit nicht gegeben.

„Mir geht es darum, dass mein Kind die beste Betreuung bekommt.“
Barbara Schröder (73)

Bochum: Firmen verpflichten, Aufträge an Werkstätte zu geben?

Das könne vorkommen, sagt Werkstattleiterin Birgit Westphal. „Manchmal kommt es zu Lieferschwierigkeiten von Zulieferern, Firmen gehen insolvent. Dann steht man ohne Geld und Aufträge da.“ Westphal betont: „Das will niemand.“ Zur Überbrückung versuche die Werkstatt dann andere Aufgaben zu finden oder Schulungen beispielsweise zum Brandschutz oder Hygiene einzubinden.

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„Die Politik muss was ändern“, findet Barbara Schröder. Ihre Idee: Firmen sollten verpflichtet werden, Aufträge, vor allem leichte Aufgaben, an Werkstätten weiterzugeben, damit die Betroffenen nicht „Däumchen drehen“. Davon würden auch die Firmen profitieren. Birgit Westphal hält das für unrealistisch: „Firmenaufträge müssen freiwillig sein, da die Kunden bereit sein müssen, den Preis zu zahlen.“