Bochum. Erst gab es eine Anklage wegen Untreue, nun kommen noch Vorwürfe wegen Abrechnungsbetrug hinzu. Es geht um mutmaßliche Schäden in Millionenhöhe.

Die Bochumer Schwerpunktstaatsanwaltschaft zur Bekämpfung der Wirtschaftskriminalität hat bei ihren jahrelangen Ermittlungen bei einem großen ambulanten Pflegedienst aus Bochum noch einmal kräftig nachgelegt. Nachdem sie bereits im vorigen Herbst eine Anklage gegen vier Personen erhoben hat wegen mutmaßlicher Veruntreuungen in Millionenhöhe, hat sie vor wenigen Tagen eine zweite Anklage hinterhergeschoben.

Das bestätigt Richterin Kaja Kovacs, Sprecherin des Landgerichts Bochum, auf Anfrage der WAZ.

Schaden soll laut Anklage bei mindestens 1,7 Millionen Euro liegen

Die neue Anklage richtet sich gegen zwei Personen, gegen die auch schon die erste Anklage gerichtet ist. Es handelt sich um einen 67-jährigen Arzt aus Bochum in damals leitender Stellung des Unternehmens sowie eine 57-jährige Wittenerin, die damals ebenfalls eine Führungsposition belegte. Beiden wird gemeinschaftlicher Abrechnungsbetrug zu Lasten von Krankenkassen vorgeworfen. Die Anklage spricht von „Herbeiführen eines Vermögensverlustes großen Ausmaßes“ und geht von einem Mindestschaden in Höhe von 1,7 Millionen Euro aus.

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Dei beiden sollen der Anklage zufolge zwischen 2016 und 2021 bei den Krankenkassen Leistungen zu einem Preis abgerechnet haben, als sei spezielles Fachpersonal wie zum Beispiel examinierte Altenpflegerinnen oder -pfleger im Einsatz gewesen. Tatsächlich soll aber nicht ausreichend qualifiziertes Personal die Arbeit erledigt haben – oder auch gar keine Leistung erbracht worden sein. Dem von den Strafverfolgern errechneten Schaden liegen rund 130.000 abgerechnete Hausbesuche zur Grunde.

Einen Prozesstermin vor dem Landgericht Bochum gibt es noch nicht

Der Fall liegt bei der 10. Wirtschaftsstrafkammer unter Vorsitz von Richter Julian Möllers. Noch hat sie nicht entschieden, ob sie die neue Anklage zulässt, ob sie die Vorwürfe nach Aktenlage für plausibel hält. Deshalb gibt es auch noch keinen Prozesstermin. Möglicherweise werden beide Anklagen verbunden und dann in nur einem Prozess verhandelt.

Die Anklage vom vorigen Herbst richtet sich gegen vier Personen: außer den beiden oben genannten Angeschuldigten geht es um eine 64-jährige Bochumerin, die als Sachbearbeiterin bei dem Pflegedienst tätig war, sowie eine 45-jährige Bekannte des angeklagten Arztes.

Anklage: Mehr als 1,38 Millionen Euro Untreue-Schaden

Dies sind die Vorwürfe: Über einen Zeitraum von zehn Jahren (2012 bis 2022) sollen die vier Angeklagten daran beteiligt gewesen sein, dass dem Pflege-Unternehmen Kapital und Vermögen entzogen wurde, um es überwiegend privat abzuzweigen, aber auch um es für Schwarzlöhne zu verwenden. Der mutmaßliche Untreue-Schaden wird auf mehr als 1,38 Millionen Euro beziffert. Die meisten Einzelfälle (15) werden dem angeklagten Arzt vorgeworfen.

Strafanzeige löste umfangreiche Ermittlungen aus

Die Bochumer Staatsanwaltschaft ermittelt bereiits seit 2019 in dem Fall. Es gab mehrere Durchsuchungen in Geschäfts- und in Privatrräumen.

Anlass der Ermittlungen war die Strafanzeige eines Zeugen.

In der Anklage werden zwei Vorgehensweisen beschrieben: Einmal sollen Scheinarbeitsverhältnisse abgeschlossen worden sein, unter anderem mit der 64-jährigen und der 45-jährigen Angeschuldigten. Der Lohn, dem gar keine Leistung zugrunde gelegen habe, soll von diesen dann bar abgeholt und dem Hauptangeschuldigten (67) übergeben worden sein.

Die zweite mutmaßliche Masche: Pflegekunden sollen an eine polnische Firma vermittelt worden sein. Die dafür gezahlten Provisionen seien aber laut Anklage auf ein Konto des 67-Jährigen geflossen, nicht auf das Konto seines Pflegedienstes.

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