Bochum. Eine Mini-Kneipe ist Kult in Bochum. Bald wird sie wieder geöffnet. Zwei Szene-Größen erinnern an die Anfänge: mit einem heutigen Hitsänger.

Der junge Schmusesänger gab Anlass zu Hoffnungen. An jedem zweiten Mittwoch war das „Biercafé“ in Bochum mit meist weiblichen Gästen rappelvoll, wenn ein gewisser Sascha Schmitz aus Soest mit seinem Kumpel Bene an der Klampfe als Duo „Hin + Hair Schmitz“ auftrat. Das war 1995. Drei Jahre später landete Sasha (nun ohne c) mit „If you believe“ seinen ersten Hit. Sasha, inzwischen 52, ist noch immer präsent. Das „Biercafé“ bald auch wieder.

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„Biercafé“ in Bochum soll bis Ende April wieder öffnen

Die Holztische und -stühle stehen schon draußen, drinnen sind noch die Handwerker zugange: Bis Ende April wollen Hayri Nargili und Bilal Balyemez das „Biercafé“ am Shakespeare-Platz, gegenüber vom Schauspielhaus, wieder eröffnen. Als „Kult(ur)-Bude“ wollen die neuen Pächter an die illustre Geschichte des seit 2021 leerstehenden Gastro-Treffs anknüpfen.

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Dirk „Brösel“ Steinbrecher (58) und Björn Büttner (56) haben diese Geschichte maßgeblich mitgeschrieben. Im WAZ-Gespräch blicken die Bochumer Szene-Urgesteine knapp 30 Jahre zurück – und haben erstaunliche Episoden parat.

Zum Start war das „Biercafé“ ein englischer Pub

In den 80er Jahren entsteht die Kneipe im Zuge des Baus des Parkhauses P9. Die damalige Entwicklungsgesellschaft Ruhr (EGR) gewinnt Bermuda-Patron Leo Bauer als Partner: erstmals nicht als Betreiber (in der Spitze führte er zwölf eigene Läden), sondern als Hauptmieter. So fällt es ihm leichter, mit seinem Getränkegroßhandel Heba direkt ans Bier der Brauereien zu kommen, schildert Bauers langjähriger Weggefährte Dirk Steinbrecher.

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Zum Start steigt die Brinkhoff-Brauerei ein, die mit viel Geld einen britischen Pub einrichtet. Das Konzept scheitert – ebenso wie weitere Gastronomen. 1995 übernimmt Leo Bauer selbst die Gastronomie. Einnahmeträchtig erscheint die Kneipe allemal: mit großem Tresen, weiträumigem Außenbereich und attraktivem Umfeld im aufblühenden Ehrenfeld (seinerzeit auch „Rosa Viertel“ genannt).

Hayri Nargili (li.) und Bilal Balyemez wollen das ehemalige „Biercafé“ bis Ende April wieder eröffnen: unter dem Namen „Zum Philosophen“ wie früher mit Kulturporgramm.
Hayri Nargili (li.) und Bilal Balyemez wollen das ehemalige „Biercafé“ bis Ende April wieder eröffnen: unter dem Namen „Zum Philosophen“ wie früher mit Kulturporgramm. © FUNKE Foto Services | Svenja Hanusch

Als Name standen „Shakespeare“ und „Was ihr wollt“ zur Wahl

„Shakespeare“ und „Was ihr wollt“ stehen bei der Entscheidung über einen neuen Namen zur Wahl. Leo Bauer will es anders. Er belässt es beim „Biercafé“, das bis dahin lediglich als erklärender Zusatz zum eigentlichen Titel (zuletzt „Rossini“, „Müller“ und „Deix“) gedient hatte.

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Brösel Steinbrecher, seinerzeit kaufmännischer Azubi bei Bauer, kümmert sich um Organisation und Personal. Mit Björn Büttner, der bei Marcus Gloria zum Team von „Bochum Total“ zählt, wird ein exzellent vernetzter Kultur-Kenner für das Programm gewonnen. Wenn Bochum wie jüngst bei der Touristikmesse ITB in Berlin als „Hot-Spot der Live-Kultur“ wirbt, darf das „Biercafé“ als Wegbereiter gelten.

Kleine Kneipe kam mit Kulturprogramm groß raus

Brösel, Büttner und weitere Partner bringen die kleine Kneipe groß raus: mit Kunstausstellungen, offenen Lesungen (heute würde man dazu „Poetry Slam“ sagen), sonntäglichem „Lindenstraße“-Rudelgucken, Kabarett und Comedy mit Hennes Bender und Jochen Malmsheimer, vor allem aber mit Musik in allen Spielarten. Etwa mit Sas(c)ha Schmitz, bei dem der Gastraum stets aus allen Nähten platzt. Heißt: 75 Besucher. 25 passen offiziell rein.

1997 ist die Zeit des Wechsels. Björn Büttner konzentriert sich auf Studium und Arbeit (und ist heute in leitender Funktion im Marketing der FUNKE Mediengruppe tätig). Brösel Steinbrecher verantwortet fortan das „Mandragora“ im Bermudadreieck (und ist bis heute in beratender Funktion an der Seite von Leo Bauer).

Kooperation mit dem China-Restaurant nebenan

Die turbulenten Zeiten werden beide niemals vergessen. So viel haben sie noch zu erzählen. Von dem Kondom-Automaten mitten in der Kneipe mit allen Einnahmen zugunsten der Aids-Hilfe. Vom Bermuda-Cup, einem Fußballturnier der Partymeile; Siegesprämie: Freibier für eine Nacht aus dem Champions-Pokal. Von mancher Prügelei am Tresen zu den wilden Zeiten von Leander Haußmann als Schauspielhaus-Intendant: „Da flogen auch mal Aschenbecher.“ Oder von der Kooperation mit dem benachbarten China-Restaurant „Bambus Garten“ (heute „Aubergine“), deren Mitarbeiter die telefonisch bestellten Speisen über die Straße rüber ins „Biercafé“ brachten.

Sasha gilt als einer der erfolgreichsten deutschen Sänger. Im Mai kommt er in den Bochumer Ruhrcongress. Mitte der 90er Jahre war er regelmäßig zu Gast im „Biercafé“.
Sasha gilt als einer der erfolgreichsten deutschen Sänger. Im Mai kommt er in den Bochumer Ruhrcongress. Mitte der 90er Jahre war er regelmäßig zu Gast im „Biercafé“. © FUNKE Foto Services | Marcelo Hernandez / FUNKE Foto Services

Corona-Pandemie zog dem Kult-Treff 2021 den Stecker

Für das gastronomische Kleinod geht es damals ambioniert weiter. Erst Thomas Meyer, dann Rüdiger „Bolle“ Boldt führen die Gastronomie fort und bauen den Ruf als Kulturtreff mit großem Angebot auf kleinem Raum weiter aus. Bis 2021 die Pandemie dem „Biercafé“ den Stecker zieht.

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Mit Hayri Nargili und Bilal Balyemez hat die Bochumer Wirtschaftsentwicklung als Eigentümer neue, engagierte Pächter gefunden: auch sie mit dem Anspruch, Kultur live zu bieten. Wie zuvor an seinem Kiosk „Zum Philosophen“ hat Nargili die erste „Weisheit der Woche“ auf eine Tafel geschrieben: „Es ist Zeit, etwas Neues zu beginnen und dem Zauber des Anfangs zu vertrauen.“

Sasha kehrt am 21. Mai nach Bochum zurück

Vielleicht gibt‘s zum Neustart im Frühjahr ja prominente Unterstützung an alter Wirkungsstätte. Auf seiner „This is my Time“-Tournee macht am 21. Mai einer der erfolgreichsten deutschen Sänger Station im Bochumer Ruhrcongress. Sein Name ist: Sasha.