Bochum. Von der allgemeinen Bewegung gegen rechts profitiert auch die Politik. In Bochum treten mehr Menschen als sonst in Parteien ein. Ein Überblick.

In den Bochumer Parteien macht sich ein ganz neues Gefühl breit: Die Arbeit in den Ortsvereinen ist plötzlich beliebt, ein Mitgliedsausweis auf einmal begehrt. Die Zeiten der Politikverdrossenheit scheinen vorbei, der breite Protest gegen rechts weitere positive Auswirkungen zu haben. „Das macht Hoffnung“, sagt David Schary, Kreisgeschäftsführer der CDU Bochum. Seit Mitte Januar zähle man 30 Neueintritte. Deutlich mehr als im gleichen Zeitraum im Vorjahr. Ein Trend, den nicht nur die CDU verzeichnet.

„Macht Hoffnung“: Viele neue Mitglieder in Bochumer Parteien

„Die Leute wollen sich wieder mehr für die Demokratie einsetzen“, freut sich auch Dennis Radtke, der sich für die CDU gerade auf den Europawahlkampf vorbereitet. „Wir brauchen eine Repolitisierungswelle, um gegen die AfD erfolgreich zu sein“, sagt das Mitglied des Europäischen Parlaments. Von daher freue er sich auch, wenn jemand der SPD oder den Grünen beitritt. „Hauptsache einer demokratischen Partei.“ Am liebsten natürlich der CDU.

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Der Zuwachs an Mitgliedern im ersten Quartal 2024 sei dreimal so hoch wie im Vorjahr, sagt David Schary. Aktuell liege man bei 30 neuen Parteifreunden. Diese kämen aus dem gesamten Stadtgebiet und seien auch vom Alter her bunt gemischt. Zuletzt habe eine 90-Jährige angerufen und sei eingetreten, weil auch sie ein Zeichen gegen rechts setzen wolle, berichtet Schary.

David Schary von der CDU legt einen symbolischen Stein in die Brandmauer gegen rechts, die seine Partei bei einer Kundgebung vor dem Rathaus vergangene Woche gebaut hat.
David Schary von der CDU legt einen symbolischen Stein in die Brandmauer gegen rechts, die seine Partei bei einer Kundgebung vor dem Rathaus vergangene Woche gebaut hat. © FUNKE Foto Services | Svenja Hanusch

Bei CDU-Veranstaltungen sei schon länger ein größerer Zulauf zu beobachten. „Bei der Riemker Runde im Schützenheim hatten wir mit 50 Gästen gerechnet. Am Ende kamen 110“, erzählt Schary. Und für das Grünkohlessen in Altenbochum sei man zu einem Anmeldestopp gezwungen gewesen, weil der Andrang so groß war.

Auch die Grünen vermelden einen Mitgliederboom. „Seit Beginn des Jahres konnten wir 37 Neumitglieder begrüßen“, teilt Kreisgeschäftsführer Oliver Buschmann auf WAZ-Anfrage mit. Zum Vergleich: 2023 waren es zum gleichen Zeitpunkt 20 weniger. „Wir haben damit erstmals in Bochum die 700-Mitglieder-Marke überschritten und sind aktuell bei 703 Mitgliedern.“ Die Neuen seien mehrheitlich ältere Menschen, die allermeisten Neumitglieder wollten entschieden für Demokratie und Freiheit und gegen Desinformation und rechtsextreme Hetze eintreten.

Wir haben damit erstmals in Bochum die 700-Mitglieder-Marke überschritten.
Oliver Buschmann - Grüne

Auch die SPD Bochum verzeichnet ein „deutlich gestiegenes Interesse“, so Geschäftsführerin Sandra Wein. „Im ersten Quartal haben sich über 50 Menschen dazu entschieden, der SPD beizutreten“, sagt der Vorsitzende Serdar Yüksel. Die SPD Bochum liege jetzt bei „rund 3300 Mitgliedern“ und sei damit „damit doppelt so groß wie alle anderen Parteien der Stadt zusammen“.

Die meisten Neumitglieder – übrigens vom Teenager bis über 80 Jahre alt – beriefen sich laut Wein „auf ihre Leidenschaft für Demokratie“, würden sich „aber auch mit deutlicher Positionierung gegen Rechtsextremismus melden“.

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Die Entwicklung der Neumitgliederzahlen gestaltet sich auch aus Sicht der FDP bisher positiv. „Es handelt sich um 14 Neuaufnahmen“, teilt Léon Beck, der Kreisvorsitzende, mit. Im Vergleich zu den großen Parteien sei das eine gute Zahl. Das Durchschnittsalter der seit Anfang des Jahres aufgenommenen Mitglieder betrage 45,7 Jahre.

Bei den Linken in Bochum gibt es noch einen zweiten Grund für den Mitgliederboom

„Viele der neuen Mitglieder gaben im Rahmen der vor der Aufnahme geführten Gespräche an, sich vor dem Hintergrund aktueller Entwicklungen stärker für unsere Demokratie einsetzen zu wollen“, berichtet Beck. „Populisten bedrohten unsere Art zu leben und lehnten unsere offene Gesellschaft ab. Es sei nun an der Zeit, selbst aktiv zu werden und für unsere gemeinsamen Werte zu streiten.“

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Bei den Linken gab es seit Januar 22 Eintritte in die Partei, davor im November und Dezember sogar 30, sagt Kreissprecher Bernhard Koolen. Die Neumitglieder seien deutlich jünger und in ihrer Mehrzahl Frauen. Dabei gehe es nicht nur um das Engagement gegen Rechts. Vielfach sei eine „Erleichterung spürbar, dass sich das Bündnis Sahra Wagenknecht abgespalten hat und zumindest teilweise ein innerparteilicher Klärungsprozess stattgefunden hat“, findet Koolen.

Für die Zukunft brauche man neue Formate, in denen sich Neumitglieder einbringen können. So wolle man die Aktiventreffen wiederbeleben und die Mitgliederversammlungen attraktiver gestalten.

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Einen „spürbaren Zuwachs an Unterstützung“ erfahre auch die kommunale Wählergemeinschaft „UWG: Freie Bürger“, teilt Sprecher Ulli Engelbrecht auf WAZ-Anfrage mit. Seit Jahresbeginn habe man etwa zehn Prozent mehr Mitglieder, die meisten zwischen 30 und 50 Jahre alt. „Der augenscheinliche Zusammenhang mit der aktuellen öffentlichen Bewegung gegen rechte Tendenzen wird von uns als positive Chance betrachtet, um Mitglieder und Bürger weiterhin in unsere Arbeit einzubinden und klar gegen extremistische Richtungen Position zu beziehen.“

AfD überschreitet die Hunderter-Marke

Auch die Alternative für Deutschland (AfD) berichtet von positiven Mitgliederzahlen. „Als AfD Bochum werden wir im April die 100 Mitglieder deutlich überschreiten“, sagt Kreisverbandssprecher Christian Loose. „Wir haben in den letzten sechs Monaten, aber besonders in diesem Frühjahr, einen regen Zulauf und kommen kaum mit den Aufnahmegesprächen hinterher.“

Die genaue Mitgliederzahl von vor einem Jahr wisse er aktuell nicht, so Loose weiter. „Aber ich schätze, dass wir vor einem Jahr etwa bei 65 Mitgliedern lagen und nun im April bei etwa 105 landen dürften. Darin eingerechnet die Mitglieder, die bereits durch den Bochumer Vorstand beschlossen sind und nur noch auf die Bestätigung durch Landesvorstand und Bundesvorstand warten.“