Bochum. Naturschützer aus Bochum wollen drei alte Bäume unter Schutz stellen. Die Stadt sieht das anders, ließ einen auch schon fällen. Die Hintergründe.

„Das ist ein Wahnsinnsbaum.“ Kirstin Nieland ist ganz begeistert vom Anblick der riesigen Gemeinen Esche, die auf einer Rasenfläche am Parkplatz der Kleingartenanlage Vollmond in Bochum-Werne steht. „Es gibt in unserer Stadt keine vergleichbare Esche“, sagt die Diplom-Forstwirtin. Umso bedauerlicher ist es aus ihrer Sicht, dass die Stadt Bochum es ablehnt, diesen Baum als Naturdenkmal auszuweisen. Nieland und der Naturschutzbeirat, dem sie für den Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) angehört, hatten die Verwaltung aufgefordert, zu prüfen, ob man die Esche und auch zwei weitere alte Bäume in Bochum unter besonderen Schutz stellen kann.

Nicht schützenswert? Streit um 130 Jahre alten Baum in Bochum

Aus dem Rathaus kommt die klare Antwort: Nein. Man habe alle drei Bäume – neben besagter Esche auch die Blut-Buche an der Brenscheder Straße im Kirchviertel Wiemelhausen und die Rot-Buche „Am Luftschacht“ in Eppendorf – geprüft und sei zu dem Ergebnis gekommen, dass bei keinem der Bäume die Voraussetzungen gegeben seien, sie als Naturdenkmal auszuweisen. Das bedeute nicht automatisch das Aus. Für die Rot-Buche sei allerdings bereits die Fällgenehmigung erteilt worden, berichtet Stadtsprecher Peter van Dyk.

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Man habe jeden Baum einzelnen unter die Lupe genommen und dafür die gesetzlich vorgeschriebenen Prüfkriterien angewandt, teilt die Verwaltung dem Naturschutzbeirat mit. Da gehe es um Seltenheit, Schönheit, Eigenart, den Zustand, den Standort, aber auch um wissenschaftliche Gründe. Bei den beiden Buchen sei demnach der Zustand erhaltenswert, aber der Standort ungeeignet. Und auch alle anderen Kriterien sprächen nicht für eine besondere „Unterschutzstellung“.

Diese Esche aus Bochum hat einen enormen Umfang.
Diese Esche aus Bochum hat einen enormen Umfang. © Gernot Noelle

Bei der Gemeinen Esche in Werne sei der Standort bedingt geeignet. Der Baum stehe allein auf Grün, allerdings auch im Zufahrtsbereich der Kleingartenanlage. „Da wird auf den Wurzeln geparkt.“ Dies führe zu Totholzbildung und schränke die Vitalität ein. Man haben auch schon Pilzbefall und Parasiten festgestellt. „Die Esche hat unter Umständen also schon Schäden. Das kann über kurz oder lang zur Beeinträchtigung führen.“ Der Zustand des Baumes wird von der Verwaltung als „bedingt erhaltenswert“ eingestuft, sie präge die Umgebung allerdings allein schon durch ihre enorme Größe. Das Alter soll bei „voraussichtlich 130 Jahren“ liegen.

Das ist ein wunderschöner Baum, der noch viele Jahre vor sich hat. Warum geben wir ihm keine Chance?
Kirstin Nieland - Diplom-Forstwirtin und Mitglied im Naturschutzbeirat Bochum

Ein Grund mehr, sich für einen besonderen Schutz dieses besonderen Baumes einzusetzen, findet der Naturschutzbeirat und allen voran Kirstin Nieland. „Die Esche hat einen unglaublichen Stammumfang“, sagt sie beim Ortstermin mit der WAZ und umarmt zur Demonstration den Baum. Schon seit 2010 versuche der Naturschutzbeirat, diesen aus seiner Sicht außergewöhnlichen Baum unter Schutz zu stellen. „Damals hätte man auch einen sehr vitalen Baum vorgefunden“, sagt Nieland, die anzweifelt, dass es der ihrer Meinung nach immer noch gesunden Esche schlecht gehe.

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„Für ihr Alter ist sie noch ziemlich gesund“, meint die Expertin, die die Esche noch aus ihrer Zeit als Baumkontrolleurin in den 90er Jahren kennt. Schon damals sei ihr „der wunderbare Baum“ aufgefallen. „Allein die Krone hat bestimmt einen Durchmesser von 20 Metern“, schwärmt sie. Den von der Stadt aufgeführten Pilzbefall habe sie gefunden. „Aber nur an einer Stelle an den Wurzeln. Das ist wie Karies. Es ist eine Alterserscheinung. Davon fällt auch nicht gleich das ganze Gebiss raus.“ Auch kann Nieland nicht erkennen, wo auf den Wurzeln geparkt werde. Die Esche steht auf einer Wiese, eingerahmt von einer Hecke und sehr weit weg von der Zufahrt und den Stellplätzen der Laubenpieper.

Dieser Pilz hat das Wurzelwerk der alten Esche in Bochum befallen. Aus Sicht einer Diplom-Forstwirtin für die Vitalität des Baumes nicht schlimm.
Dieser Pilz hat das Wurzelwerk der alten Esche in Bochum befallen. Aus Sicht einer Diplom-Forstwirtin für die Vitalität des Baumes nicht schlimm. © Gernot Noelle

Für Kirstin Nieland sieht der Baum gesund aus. „Er hat auch kein Eschentriebsterben. Daher müsste man ihn eigentlich erst recht erhalten.“ Die Esche habe so viel erlebt, zwei Weltkriege, zahlreiche Stürme. Und sie stehe immer noch. „Das ist ein wunderschöner Baum, der noch viele Jahre vor sich hat. Warum geben wir ihm keine Chance?“

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Dass ein Baum nicht zum Naturdenkmal wird, heiße nicht, dass er dann gefällt werde, betont die Stadt. „Die Bäume werden nicht gefällt, nur weil sie nicht als Naturdenkmal festgesetzt werden“, stellt Peter van Dyk klar. „Wir müssen halt jeden Baum einzeln prüfen. Es geht um ein Denkmal, da kann man unterschiedlicher Meinung sein“, ergänzt Melanie Gronewald von der Unteren Naturschutzbehörde.

Naturschutzbeirat Bochum fordert erneute Prüfung der alten Bäume

Wie in diesem Fall. Der Naturschutzbeirat bedauert die Entscheidung der Stadt und fordert erneut dazu auf, die Bäume noch einmal zu prüfen. „Denn laut Gesetz muss nur eines der Merkmale erfüllt sein“, erklärt Nieland. Da es keine vergleichbar große Esche in Bochum gebe und es sich um eine Esche mit einem wunderbar ausgeprägten Wurzelanlauf und einer breit ausladenden Krone und um einen den Standort prägenden Baum handele, wären aus ihrer Sicht die Kriterien Seltenheit, Eigenart und Schönheit erfüllt.

„Wir kämpfen um jeden Baum“, sagt Fritz Ludescher, der Vorsitzende des Naturschutzbeirates. „Sie haben als Behörde ihre Pflicht getan und geprüft. Naturdenkmal-Ausweisung ist gesetzlich klar geregelt. Aber es ist unser eindringlicher Wunsch zu gucken, ob nicht doch noch etwas möglich ist.“

Stadt ist für Naturdenkmäler zuständig

Kirstin Nieland vom BUND bemängelt, dass in Bochum viel zu selten alte Bäume als Naturdenkmälern ausgewiesen würden „Wenn die Bäume laufen könnten, würden sie bei der nächsten Baustelle ihre Koffer packen und aus der Stadt verschwinden. Unsere Kinder haben irgendwann keine Naturdenkmäler mehr. Das ist ein Drama.“

Große alte Bäume benötigen eine aufwendigere Kontrolle und das bedeutet oft auch höhere Pflege-/Unterhaltungskosten. Bei einem Naturdenkmal wäre die Verwaltung dafür zuständig. „Maßnahmen zur Sicherung, Pflege, Erhaltung, Entwicklung und Kennzeichnung der Schutzobjekte obliegen der unteren Landschaftsbehörde oder beauftragten Dritten“, so Stadtsprecher Peter van Dyk.