Bochum. Das Husemannkarree hat für viele Debatten in Bochum gesorgt. Aber auch andere Millionenprojekte haben Streit und ein gereiztes Klima erzeugt.

Heftige Debatten um große Bauprojekte haben in Bochum Tradition. Schon lange bevor der aktuell betriebene große Umbau in der Innenstadt begonnen hat, wurden mehrere Projekte argwöhnisch beäugt, kritisch begleitet und sogar rundweg abgelehnt. Hier sind die Top 5 der vergangenen Jahre.

Das „Bochumer Fenster“ wurde für Anfang der 2000er Jahre für 60 Millionen Euro an der Stelle des beliebten Stadtbads gebaut.
Das „Bochumer Fenster“ wurde für Anfang der 2000er Jahre für 60 Millionen Euro an der Stelle des beliebten Stadtbads gebaut. © FUNKE Foto Services | Vladimir Wegener

Ende der 1990er Jahre haben der Abriss des Stadtbads und der Neubau der Stadtbadgalerie für Aufregung gesorgt. Das nach dem Krieg gebaute Bad direkt in der Innenstadt, seinerzeit eines der modernsten in Europa, war nicht weniger als eine Bochumer Institution. Bevor es 1998 geschlossen und ein Jahr später abgerissen wurde, sollte ein Bürgerbegehren helfen, den Traditionsbau zu erhalten. Vergeblich. Denn: Das Bürgerbegehren wurde abgelehnt. Stattdessen baute der Bochumer Immobilienentwickler Häusser-Bau für 60 Millionen Euro ein Einkaufs- und Bürozentrum: das sogenannte Bochumer Fenster, in dem es bis 2012 immerhin ein Schwimmbecken gab und das bis dahin deshalb unter dem Begriff „Stadtbadgalerie“ bekannt war. Vor zweieinhalb Jahren hat die Immobilie den Besitzer gewechselt. Sie gehört jetzt der Wohninvest-Gruppe aus Baden-Württemberg.

Vor zehn Jahren kam das Aus für Bochums ältestes Gymnasium.
Vor zehn Jahren kam das Aus für Bochums ältestes Gymnasium. © WAZ | Horst Müller

Als Bochums ältestes Gymnaisum, das am Ostring stand, abgerissen werden sollte, gingen viele Bürger auf die Barrikaden und führten eine Bürgerentscheidung herbei. Nachher allerdings zeigte der Daumen nach unten. Nur 13,21 Prozent der 302.078 Abstimmungsberechtigten gingen im Sommer 2008 in die Stimmlokale. Damit wurde das nötige Quorum von mehr als 60.000 Ja-Stimmen verfehlt. Vier Jahre später zog die Schule, die mittlerweile mit der Albert-Einstein-Schule zum Neuen Gymnasium Bochum fusioniert hatte, zur Querenburger Straße nach Altenbochum in einen schicken, achtförmigen Neubau um. Zehn Jahre nach dessen Eröffnung beginnt dort im Übrigen die nächsten Debatte: zu wenig Platz. Das Neue Gymnasium in Bochum muss erweitert werden. Am Ostring erinnert derweil die Fassade des alten Gymnasiums als Teil des neuen Justizzentrums an das historische Gebäude.

Prächtig anzuschauen und mittlerweile auch von Kritikern mit Wohlwollen betrachtet wird das lange heftig diskutiert Anneliese-Brost-Musikforum an der Viktoriastraße. 

Foto: Olaf Ziegler / FUNKE Foto Services
Prächtig anzuschauen und mittlerweile auch von Kritikern mit Wohlwollen betrachtet wird das lange heftig diskutiert Anneliese-Brost-Musikforum an der Viktoriastraße. Foto: Olaf Ziegler / FUNKE Foto Services © FUNKE Foto Services | Olaf Ziegler

Die vielleicht heftigste und erbittertste Debatte hat es um das Musikforum an der Viktoriastraße gegeben – spätestens als der Bund der Steuerzahler den Neubau auf die Steuerverschwendungsliste 2011 gesetzt hatte. Die Idee von einem eigenen Haus für die Bochumer Symphoniker ist alt; kam aber erst so richtig ins Rollen, als der Unternehmer Norman Faber 2006 eine Anschubfinanzierung von fünf Millionen Euro auf den Tisch legte. Daraufhin stellte die Stadt ein Grundstück an der Viktoriastraße zur Verfügung, eine Bürgerinitiative und eine private Stiftung sammelten Spenden ein. Weil Bochum aber 2010 in den Nothaushalt rutschte, drohte das Prestigeprojekt zu scheitern. Auch ein Bürgerbegehren wurde initiiert; es scheiterte vor dem Verwaltungsgericht. 2016 wurde das Anneliese-Brost-Musikforum Ruhr eingeweiht – und hat mittlerweile längst auch seine Kritiker überzeugt.

Fast fertiggestellt ist das Husemannkarree in der Innenstaadt von Bochum. Stein des Anstoßes war in der Vergangenheit der lange Mietvertrag der Stadt in dem Gebäude.
Fast fertiggestellt ist das Husemannkarree in der Innenstaadt von Bochum. Stein des Anstoßes war in der Vergangenheit der lange Mietvertrag der Stadt in dem Gebäude. © FUNKE Foto Services | Gero Helm

Beim fast fertigen, einstigen Viktoriakarree, dem heutigen Husemannkarree, das zu einem Teil seit Oktober 2023 eröffnet ist und dessen beiden anderen Bauteile in diesem Jahr übergeben werden, haben mehrere Debatten die Emotionen hochkochen lassen: Es ging vor allem um die Gretchenfrage, ob Innenstadtcenter überhaupt noch zeitgemäß sind, und um den langfristigen Mietvertrag, mit dem die Stadt Bochum die Umsetzung des Neubaus wohl überhaupt erst möglich gemacht hat. Ende April 2018 hatte der Stadtrat sich für das HBB-Projekt entschieden.

Vollständig entkernt und dann umgebaut zum Haus des Wissens wird der Telekomblock zwischen Rathaus und Husemannkarree.
Vollständig entkernt und dann umgebaut zum Haus des Wissens wird der Telekomblock zwischen Rathaus und Husemannkarree. © FUNKE Foto Services | Uwe Ernst

Nun scheiden sich die Geister am Umbau des Telekomblocks in das Haus des Wissens inklusive Markthalle. Vor allem die Kosten sind diemal der Treiber für die Debatte. Von ursprünglich 64 auf mittlerweile gut 150 Millionen Euro sind sie bereits gestiegen. Schon wurde der nächste Ruf nach einem Bürgerentscheid laut; zumal Kritiker befürchten, der Preis für das gesamte Projekt könnte die 200-Millionen-Euro-Grenzen passieren. Voraussichtlich Ende 2026 wird die Immobilie, in der Volkshochschule (VHS), Stadtbücherei und eine Markthalle untergebracht werden, fertiggestellt sein.

Und dann?

Dann wartet vielleicht schon die nächstes Debatte; nämlich die um den Abriss des Bildungs- und Verwaltungszentrums (BVZ).

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