Bochum-Weitmar. 15 Haltestellen pro Jahr will die Stadt ausbauen, damit Menschen mit Rollstuhl sie nutzen können. Auf einer Linie muss sich besonders viel tun.

Schrecksekunde in der Bezirksvertretung Südwest in Bochum: Mit einem lauten Knall gibt eine silberne Thermoskanne während der Sitzung im Amtshaus Weitmar unvermittelt ihren Dienst auf. Der ausgelaufene Kaffee ist schnell aufgewischt, ein verwundertes Grinsen steht den Bezirksvertretern ins Gesicht geschrieben. Doch schnell gilt die Aufmerksamkeit wieder der Tagesordnung, die einen Punkt bereithält, der viele beschäftigt: den barrierefreien Ausbau von Haltestellen.

Bezirksvertretung in Bochum diskutiert über barrierefreie Haltestellen

Gerade für mobilitätseingeschränkte Menschen ist es immer wieder ein kaum zu überwindendes Hindernis, Busse und Bahnen mit Rollstuhl oder Rollator zu erreichen. Um dies langfristig zu ändern, sieht der Bochumer Nahverkehrsplan vor, jährlich 15 Haltestellen (also 30 Steige) barrierefrei auszubauen. So entschied es der Rat Mitte 2021 und erfüllt damit eine gesetzliche Vorgabe.

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„Drei Jahre später können wir festhalten, dass wir dieses Ziel fast erreichen“, sagt Martina Hadlich vom Tiefbauamt. So seien im Jahr 2023 insgesamt 28 Steige ausgebaut worden, im Jahr davor waren es nur 23 Steige, im Jahr 2021 schon 34. Einige Haltestellen verzögerten sich zum Jahresende, etwa Im Haarmannsbusch in Stiepel, wo der Ausbau erst Anfang 2024 starten konnte.

Prioritätenliste entscheidet über Ausbau

Doch welche Haltestellen kommen wann an die Reihe? Hier sieht Monika Engel (Grüne) gerade im Bezirk Südwest einigen Nachholbedarf: „Hier wurden 2023 insgesamt nur vier Steige barrierefrei umgebaut, das ist weniger als in den meisten anderen Stadtteilen“, sagt sie. Im Bezirk Süd wurde 2023 kein einziger Steig fertiggestellt, dafür waren es in Mitte gleich acht, im Bochumer Osten sechs, in Nord sowie in Wattenscheid jeweils fünf. Ganz ähnlich sieht es für 2024 aus: Hier sollen im Bezirk Südwest nur zwei Steige (Elsa-Brandström-Straße) ausgebaut werden, während es im Bezirk Ost gleich 14 sind.

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Die Auswahl der Haltestellen hänge vor allem davon ab, wie viele Fahrgäste sie benutzen, erklärt Martina Hadlich. „Auch die Infrastruktur spielt eine Rolle. Wenn ein Krankenhaus, Pflegeheim oder ein Einkaufszentrum in der Nähe ist, rutscht die Haltestelle auf der Prioritätenliste nach oben.“

Auch Straßenbahnlinie 308/318 soll barrierefrei werden

Ein besonderes Augenmerk des Tiefbauamtes liege auf dem Ausbau der Haltestellen entlang der Straßenbahnlinie 308/318 zwischen Friederikastraße und Linden-Mitte, denn hier ist bislang kaum eine Haltestelle barrierefrei. Weiteres Problem: Die Gleise liegen mitten auf der Straße. Welche Lösung hier gefunden wird und wann dies umgesetzt werden könnte, sei aber noch nicht klar: „Wir arbeiten daran und gehen davon aus, dass wir möglicherweise noch in diesem Jahr der Politik eine Beschlussfassung vorlegen können“, sagt Stadtsprecher Peter van Dyk.

Diese Texte haben viele Menschen interessiert

Nicht immer sei der Ausbau einfach: „Es gibt Haltestellen, in denen es die topografische Lage nicht erlaubt, jede Tür des Busses barrierefrei zugänglich zu machen“, sagt Martina Hadlich. „Manchmal kann nach dem Ausbau nur eine Tür mit dem Rollstuhl erreicht werden, aber das ist besser als keine.“ Derzeit müssen oft Rampen eingesetzt werden, um mobilitätseingeschränkten Menschen den Zugang den Fahrzeugen zu gewähren, aber auch dies sei längst nicht an allen Haltestellen möglich: „Manchmal stimmt die Neigung oder der Winkel dafür nicht“, erklärt Bogestra-Sprecher Christoph Kollmann.

Über Barrierefreiheit informiert der Liniennetzplan

Welche Haltestelle einen barrierefreien Einstieg ermöglichen oder nicht, darüber informiert der Liniennetzplan der Bogestra. Eine mögliche Route müssen sich die Betroffenen dann aber selber zusammensuchen: „Warum gibt es dies nicht in digitaler Form? Da könnte man die Barrierefreiheit direkt einstellen und die Route dann entsprechend wählen“, regt Bezirksvertreter Karl-Heinz Martin Benning (FDP) an.

Diese Steige werden 2024 ausgebaut

Im Jahr 2023 wurden 28 Steige im Stadtgebiet barrierefrei ausgebaut. Insgesamt gibt es in Bochum aktuell 1287 Steige. Dies könne laut Tiefbauamt von Jahr zu Jahr variieren, wenn etwa neue Steige hinzukommen (wie aktuell auf dem Gelände Mark 51‘7) oder auch welche wegfallen.

In diesem Jahr sollen 32 Steige ausgebaut werden. Im Bezirk Mitte: Querenburger Straße, Am Pappelbusch. In Wattenscheid: Stalleikenweg, Kruppstraße. Im Bezirk Nord: Heinestraße. Im Bezirk Ost: Everstalstraße, Wilhelmshöhe Kirche, Sportplatz Papenholz, Langendreer Amt, Eichhornweg, Anemonenweg, Arnoldschacht. Im Bezirk Süd: Paracelsusweg, Alte Markstraße, Im Haarmannsbusch. Im Bezirk Südwest: Elsa-Brandström-Straße.