Bochum. In Bochums Innenstadt erschweren Hürden Menschen mit Behinderung das Leben. Hier setzt ein Inklusionsprojekt an – und liefert Ideen.

Im Rollstuhl die Rolltreppe hochfahren – das kann ganz schön gefährlich werden. Und doch passiert es in Bochum immer wieder, weil Aufzüge nicht funktionieren. Auf diese und zahlreiche weitere Barrieren macht das Projekt „Innenstadt inklusiv“ aufmerksam und liefert Lösungsvorschläge. Doch dabei soll es nicht bleiben.

„Wir wollen weniger anprangern, wo Barriere sind. Vielmehr wollen wir für einen selbstverständlicheren Umgang mit dem Thema ,Inklusion“ sorgen’, erklärt Heike Köckler, Projektverantwortliche bei der Hochschule für Gesundheit. Gemeinsam mit der Evangelischen Hochschule, der Volkshochschule, der Arbeitsgemeinschaft Behinderte und der Ehrenamtsagentur hat diese in den vergangenen Wochen verschiedene Workshops durchgeführt.

Viele Stellen in der Bochumer Innenstadt sind nicht barrierefrei

Genutzt wurde zum Beispiel eine „Fotosafari“: Workshop-Teilnehmende mit und ohne Behinderung haben Barrieren im Bereich der Innenstadt auf Bildern festgehalten. „Eine Teilnehmerin erzählte zu ihrem Bild, dass sie Sorge habe, ihren Mann im Rollstuhl auf der Rolltreppe nicht richtig festhalten zu können, wenn der Aufzug nicht funktioniert“, so Köckler. Daraufhin diskutierte die Gruppe über Lösungsvorschläge.

Nicht funktionierende Rolltreppen stellen Menschen im Rollstuhl immer wieder vor Herausforderungen. (Symbolbild)
Nicht funktionierende Rolltreppen stellen Menschen im Rollstuhl immer wieder vor Herausforderungen. (Symbolbild) © FUNKE Foto Services | Gero Helm

Denn: Obwohl es bei der Bogestra bereits ein gutes Informationssystem bei defekten Aufzügen gebe, reiche das nicht immer aus. Köckler: „Wir haben das Ganze also weitergedacht.“ Helfen könnte zum Beispiel ein kostenloser Fahrservice, den Menschen mit Behinderung nutzen können, wenn der Aufzug an ihrer Haltestelle nicht geht. Im Gegensatz zu vielen Taxen aber müssten die Fahrzeuge groß genug sein, damit beispielsweise auch ein elektronischer Rollstuhl hineinpasst.

Neben nicht funktionierenden Aufzügen – oftmals an Haltestellen – fotografierte ein Teilnehmer im Rollstuhl zum Beispiel einen E-Roller, der mitten auf dem Gehweg stand. Vorbeikommen? Unmöglich. Die Workshop-Teilnehmenden regen deshalb an, dass E-Scooter in bestimmten Bereichen nicht abgestellt werden dürfen. „Wir haben lange darüber diskutiert. Hilfreich war, dass ein Teilnehmer selbst E-Roller nutzt“, erklärt die Professorin der Hochschule für Gesundheit.

Barrieren ausfindig machen – durch Lego-Steine

Die Evangelische Hochschule in Bochum hat als Methode, um Barrieren in der Innenstadt zu finden, ein Spielzeug genutzt, das wohl den meisten Erwachsenen und Kindern ein Begriff ist: Lego-Steine. Die Workshops hätten dabei gezeigt, dass Barrieren, die die Inklusion erschweren, vielseitig sind. Besonders interessant seien Nutzungskonflikte gewesen. Indem beispielsweise Blindenleitsysteme auf dem Boden Barrieren für Menschen mit Mobilitätshilfen entstehen würden, erklärt Hendrik Baumeister von der Evangelischen Hochschule.

Diese weißen Blindenleitsysteme helfen Menschen mit Sehbehinderung, sich zu orientieren. Gleichzeitig können sie aber eine Barriere für Menschen im Rollstuhl oder mit Rollator sein.
Diese weißen Blindenleitsysteme helfen Menschen mit Sehbehinderung, sich zu orientieren. Gleichzeitig können sie aber eine Barriere für Menschen im Rollstuhl oder mit Rollator sein. © Gero Helm / FUNKE Foto Services | Gero Helm

Durch die Veranstaltungsreihe „Innenstadt inklusiv“ haben die verschiedenen Akteure es geschafft, mit unterschiedlichen Menschen aus der Stadtgesellschaft ins Gespräch zu kommen. Die Ergebnisse sind laut Volkshochschule vielseitig, zum Beispiel müssten Veranstaltungen inklusiv gestaltet, Unisex-Toiletten geschaffen, die Oberflächen auf Wegen glatter und generell mehr Menschen für das Thema sensibilisiert werden. Sicherheitsanlagen müssten mehrere Sinne ansprechen, sodass für Gehörlose oder Blinde kein Nachteil besteht.

Projekt wird auf ganz Bochum erweitert

„Aus den Ergebnissen, Erfahrungen und Erkenntnissen der Veranstaltungsreihe leiten wir konkrete Handlungsbedarfe für die gesamte Volkshochschule ab“, erklärt Petra Jahn, stellvertretende Verwaltungsleiterin bei der Volkshochschule. Auch Info-Broschüre in einfacher Sprache würden eine bedeutende Rolle spielen.

Digitale Stadtkarte

Die Akteure von „Innenstadt inklusiv“ planen auch eine interaktive City-Karte („Wheelmap“).

Sie soll Hinweise etwa auf behindertengerechte WCs oder Zugänge für Rollstuhl und Rollator liefern. Die Eintragungen können die Betroffenen auch selbst vornehmen.

Die Ergebnisse sind da – doch wie geht es nun weiter? „Bereits im Herbstsemester 2023 nehmen die Erkenntnisse Einfluss auf unsere Bildungsarbeit“, sagt Jahn. Generell sind die Akteure sich einig: Das Projekt müsse auf das gesamte Stadtgebiet ausgeweitet werden. „Die Reihe ,Innenstadt inklusiv’ wird mit denselben Akteur*innen unter ,Bochum inklusiv’ fortgeführt“, so Baumeister von der Evangelischen Hochschule.