Bochum. Sie treten in die Fußstapfen von Henning Baum und Dietmar Bär: Nur zehn Plätze pro Jahr gibt‘s an Bochums Schauspielschule. Absolventen erzählen.

Nervös? „Na klar“, sagt Maurizia Backnick und rutscht etwas unruhig auf ihrem Stuhl hin und her. „Aber ich freue mich auch total.“ Die 26-jährige Schauspielerin steht gerade vor dem wohl wichtigsten Auftritt ihrer noch jungen Karriere: dem „Artist Diploma“, der Abschlussprüfung im Folkwang-Theaterzentrum, mit der nach vier Jahren ihr Schauspielstudium in Bochum endet. Wenn ihr diese Aufführung jetzt noch gelingt und danach auch die Diplomarbeit geschafft ist, stehen der jungen Frau viele Türen an den großen Bühnen und bei Filmproduktionen im ganzen Land offen. Das Publikum im vollbesetzten Saal drückt fest die Daumen.

Das Theaterzentrum Bochum bietet viele Aufführungen

Die Bochumer Schauspielschule, die in früheren Jahren in einem etwas vergammelten Gebäude am Lohring zu finden war, ist seit 2014 ein Teil der Essener Folkwang-Uni. Der ehemalige Thürmer-Saal mit der als „Black Box“ bezeichneten Studiobühne dient den Studierenden seither als Ausbildungsstätte – und sie öffnen ihren kleinen Campus regelmäßig für Werkstattaufführungen, die auf ein stets neugieriges Publikum stoßen.

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Denn das Theaterzentrum ist als „Elevenschmiede“ weit über deutsche Grenzen hinaus bekannt, und die Liste der prominenten Absolventen, die einst in Bochum studierten, liest sich illuster. Von Uwe Ochsenknecht bis Richy Müller, von Dietmar Bär bis Nina Petri, von Henning Baum bis Sabine Postel: Sie alle waren schon hier. In jüngster Zeit gelang etwa Amelie Willberg der große Sprung. Nach ihrem Studium wurde sie von Theatern in ganz Deutschland umworben und hat mittlerweile am renommierten Berliner Ensemble angeheuert. In „Kinder der Sonne“ ist sie weiterhin am Schauspielhaus zu sehen.

Die Schauspieldozenten Noam Meiri (links) und Gerold Theobalt haben das Artist Diploma vor zehn Jahren entwickelt und verabschieden sich jetzt in den Ruhestand.
Die Schauspieldozenten Noam Meiri (links) und Gerold Theobalt haben das Artist Diploma vor zehn Jahren entwickelt und verabschieden sich jetzt in den Ruhestand. © FUNKE Foto Services | Svenja Hanusch

Diesen Weg haben Maurizia Bachnick und ihre beiden Kolleginnen Johanna Schönwald und Maddy Forst aus dem aktuellen Abschlussjahrgang noch vor sich. Jedes Jahr bewerben sich rund 700 junge Leute um die begehrten zehn Studienplätze. Wer hier dabei sein will, muss schon eine Menge Talent mitbringen – und auch das vierjährige Studium ist keineswegs einfach: „Es war wie eine Achterbahn“, beschreibt es Maddy Forst. „Wir haben uns gut zusammengerauft, obwohl wir alle so komplett unterschiedlich sind.“

Vom Bewegungstraining bis zum Filmworkshop

Der Studiengang ist breit aufgestellt und umfasst neben klassischem Stimm- und Bewegungstraining auch Performances, Musik, Gesang und einen Filmworkshop. Zum Höhepunkt geraten die Shakespeare-Aufführungen im Weitmarer Schlosspark sowie die jährlichen Inszenierungen im Schauspielhaus. „Das ist eine krasse Uni“, sagt Johanna Schönwald. „Aber ich denke schon, dass jeder von uns einen guten Koffer mit an die Hand bekommt, mit dem man jetzt in die Welt hinausgehen kann.“

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Das „Artist Diploma“, mit dem sich die jungen Schauspieler aus Bochum verabschieden, wurde vor zehn Jahren von den Dozenten Noam Meiri und Gerold Theobalt erfunden. Das Besondere: Die kleinen Aufführungen werden von den Studierenden selbst entwickelt, geschrieben, inszeniert und gespielt. „Sie können machen, was sie wollen“, sagt Meiri.

Nach vier Jahren haben (von links) Maurizia Bachnick, Johanna Schönwald und Maddy Forst ihr Schauspielstudium in Bochum beendet. Die Bühne ist schon lange ein wichtiger Teil ihres Lebens.
Nach vier Jahren haben (von links) Maurizia Bachnick, Johanna Schönwald und Maddy Forst ihr Schauspielstudium in Bochum beendet. Die Bühne ist schon lange ein wichtiger Teil ihres Lebens. © FUNKE Foto Services | Svenja Hanusch

Entsprechend vielfältig sehen die Darbietungen aus, manche sind kaum länger als 15 Minuten. Beim Publikum, darunter auch viele andere Theaterschaffende, erfreuen sie sich großer Beliebtheit.

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Spannungsgeladenes Spiel um drei Geschwister

So entwickeln Maurizia Bachnick und ihre Kollegen Henri Mertens und Karl Leven Schroeder im ersten Teil des Abends ein spannungsgeladenes Stück über drei Geschwister und den Tod ihrer Eltern. In „Rage“ erinnert Johanna Schönwald mit Hip-Hop und viel Bühnenzauber an die antike Göttin Erinnye. Maddy Forst zeigt in „In meiner Haut“ ein Spiel um Rassismus und bezieht die Zuschauer direkt mit ein. Stürmischer Beifall ist der verdiente Lohn.

„Artist Diploma“ ist bis Samstag zu sehen

Die vier kleinen Aufführungen zum „Artist Diploma“ sind noch am Freitag und Samstag, 16. und 17. Februar, jeweils um 18 Uhr im Folkwang-Theaterzentrum, Friederikastraße 4, zu erleben. Zwei weitere Abschlussarbeiten werden am 12. und 13. April jeweils um 19 Uhr gezeigt.

Der Eintritt ist frei. Es wird um eine Anmeldung gebeten unter 0201 6505 1700 und per Mail unter vittinghoff@folkwang-uni.de

Für die künstlerischen Leiter Prof. Noam Meiri und Prof. Gerold Theobalt endet in diesem Jahr die Arbeit im Theaterzentrum, sie gehen in den Ruhestand. Das „Artist Diploma“ soll aber fortgesetzt werden.

Die drei jungen Schauspielerinnen haben ihre ersten Engagements bereits in der Tasche: Maurizia Bachnick geht ans Hessische Staatstheater Wiesbaden, Johanna Schönwald wechselt ans Theater Junge Generation in Dresden, Maddy Forst kann man ab der kommenden Spielzeit am Schauspiel Köln erleben. Mal sehen, wohin sie ihr weiterer Weg noch führt und auf welcher Bühne, welcher Leinwand oder Mattscheibe man sie eines Tages wiedersieht. Maurizia Bachnick fasst es zusammen: „Wir stehen erst am Anfang.“