Bochum. „Sonnenallee“ war sein Durchbruch, heute ist Alexander Scheer ein gefeierter Schauspieler. Die Nächte im Bermudadreieck hat er nicht vergessen.
Vor 25 Jahren drehte Ex-Intendant Leander Haußmann seine DDR-Komödie „Sonnenallee“ und landete damit einen riesigen Erfolg. Die Hauptrolle des jungen Micha, der in Ostberlin direkt an der Mauer aufwächst, spielte der damals völlig unbekannte Alexander Scheer (47), der mittlerweile zu den prominentesten Schauspielern in Deutschland zählt. Am Sonntag, 4. Februar, kehrt er zurück an die alte Wirkungsstätte: In den Kammerspielen gibt Scheer ein Konzert – und kann es kaum noch erwarten.
2,6 Millionen Zuschauer sahen „Sonnenallee“ damals im Kino, bis heute ist der Film ein großer Spaß. Was ist sein Geheimnis?
Alexander Scheer (grinst): It’s a classic! Viele Leute wissen ja gar nicht, dass es Haußmanns erster Film war. Und während der Dreharbeiten hat er nebenbei noch das Schauspielhaus Bochum geleitet, das muss man sich mal vorstellen! Hinter den Kulissen war alles dementsprechend chaotisch. Dass der Film dann am Ende so durch die Decke ging, hat uns alle überrascht und sehr gefreut.
Filmstar Alexander Scheer zurück im Schauspielhaus Bochum
Wie kamen Sie an die Rolle des Micha?
Ich wurde gefragt. Da gab es kein großes Casting oder so. Ich glaube, die haben einfach keinen anderen gefunden. Am Set waren viele Schauspieler aus Bochum dabei, etwa Margit Carstensen. Nach Drehschluss haben wir einfach weiter zusammengesessen und gefeiert. Ich habe damals gedacht, es würde bei jedem weiteren Filmprojekt so lustig zugehen wie bei „Sonnenallee“, aber so war es leider nicht.
+++ Folgen Sie der WAZ Bochum auf Facebook! +++
Danach sind Sie Haußmann für ein Jahr ans Schauspielhaus gefolgt.
Ja, das war mein erstes richtiges Engagement. Leander meinte: „Junge, du brauchst ein Handwerk. Ich schmuggele dich schon irgendwie ins Ensemble.“ Und plötzlich war ich Teil dieser bunten Truppe. Solch eine Bande habe ich nie wieder erlebt, es war unglaublich! Wir haben gesoffen und geraucht bis früh in den Morgen. In der Kantine gab es Pommes rot-weiß, und wenn dort gegen vier Uhr Schluss war, sind wir weiter ins Bermudadreieck gezogen. Letzte Ausfahrt Intershop!
Konzert in Bochum erinnert an Liedermacher Gundermann
Wurde zwischendurch auch mal gearbeitet?
Absolut! Aber es hatte so eine Leichtigkeit. Wir haben im großen Haus den „Sturm“ in der Regie von Jürgen Kruse gespielt. Mitten in der Vorstellung sind Peter Jordan und ich voll kostümiert mit Mantel und Degen rüber auf die Bühne in den Kammerspielen, wo gerade „Phädra“ lief und haben die Kollegen dort erschreckt. Als wir im fünften Akt waren, standen sie plötzlich bei uns...
Waren Sie danach nochmal in Bochum?
Vor einigen Jahren bei einer Lesung. Da bin ich wie so ein alter Mann hinter der Bühne in den Gängen auf- und abgelaufen und habe in Erinnerungen an damals geschwelgt. Goldene Zeiten!
- Der Liederabend „Club 27“ mit Songs etwa von Amy Winehouse erlebt im Schauspielhaus Bochum eine enorme Nachfrage. Ab wann es wieder Karten gibt.
- Joschka Fischer im Schauspielhaus Bochum: Das löste Proteste von Friedensaktivisten aus. Eine Fotomontage war umstritten: der Ex-Vizekanzler in Uniform.
- „Voodoo Waltz“, die erste Tanzchoreografie am Schauspielhaus Bochum seit langem, fordert von den Darstellern einiges: Sie müssen tanzen lernen.
Umso schöner ist es, dass Sie bald wieder hier sind.
Mensch, ich freu mich auf die Kammer! Das ist so ein wundervoller Ort. Im Jahr 2018 habe ich in einem Musikfilm den Liedermacher Gerhard Gundermann gespielt, der als Baggerfahrer im Braunkohletagebau gearbeitet hat und zu den besten Songschreibern Deutschlands zählte. Seine Lieder sind bodenständig, die Texte poetisch und liebevoll. Weil uns die Arbeit an dem Film so große Freude gemacht hat, sind der Regisseur Andreas Dresen und ich seither mit einer tollen Band auf Tour, um Gundermanns Songs im ganzen Land zu verbreiten. Mit dabei ist auch der Gitarrist Jürgen Ehle von der großartigen Band „Pankow“. Wir spielen nicht nur Gundermann, sondern auch Songs von David Bowie und Gisbert zu Knyphausen.
Rockstars spielen Sie häufiger: David Bowie, Keith Richards, Blixa Bargeld. Wären Sie lieber Musiker geworden?
Ach, ich habe immer schon in Bands gespielt, Musik brauche ich wie Luft zum Atmen. Dabei bin ich kein besonders guter Gitarrist, es kommt eher auf das Feeling an. Bisher haben wir jedenfalls noch jeden Saal gerockt.
Zwischen Bühne und Leinwand
Alexander Scheer war 22 Jahre jung, als er die Hauptrolle in „Sonnenallee“ bekam. Danach spielte er regelmäßig an der Berliner Volksbühne in den Inszenierungen von Frank Castorf und ist oft im Kino und im TV zu sehen, etwa als Keith Richards in „Das wilde Leben“ und als Geiselgangster in „Gladbeck“. Für „Gundermann“ bekam er 2019 den Deutschen Filmpreis.
Mit ihrem musikalischen Abend „Immer wieder nie genug“ sind Alexander Scheer sowie Regisseur Andreas Dresen und Band am Sonntag, 4. Februar, um 19 Uhr zu Gast in den Kammerspielen. Karten: 0234 3333 5555.