Bochum. Brigitte Harder wird wegen einer Erkrankung nicht gegen Corona geimpft. In der Pandemie erlebte sie Feindschaft und Hetze. Das hat sie verändert.

Die quälend lange Corona-Pandemie ist für viele von uns schon wieder Lichtjahre her. Abstand halten, Maske tragen, Sieben-Tage-Inzidenz: Für die meisten ist das längst Schnee von gestern, aus den Augen, aus dem Sinn. Doch Brigitte Harder aus Bochum kann dennoch nicht vergessen, wie viel Feindschaft sie während dieser Zeit erleben musste – und es kommen ihr fast die Tränen, wenn sie sich wieder daran erinnert: „Ich wurde als Mörderin beschimpft und fühlte mich wie eine Aussätzige“, sagt sie. „Es war der Horror.“

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Brigitte Harder (61) ist verheiratet, Mutter zweier erwachsener Kinder und arbeitet als Mitarbeiterin einer Krankengymnastik in der Bochumer Innenstadt. Seit ihrer Kindheit ist sie lungenkrank und hochgradige Allergikerin, doch mit Hilfe ihres Lungenfacharztes und kleinerer Hilfsmittel wie einem Asthma-Spray hat sie gelernt, mit der Krankheit zu leben. „An die Einschränkungen kann man sich gewöhnen“, sagt sie. „Und ich will ja auch keine Berge erklimmen.“

Furcht vor Corona: Brigitte Harder aus Bochum floh auf einen Campingplatz

Als im Frühjahr 2020 ein bis dahin unbekanntes Virus seinen Weg nach Deutschland fand, bekam es Brigitte Harder mit der Angst zu tun. „Das Risiko für ältere Menschen mit Lungenerkrankungen war ja lange gar nicht absehbar“, erzählt sie. „Ich habe gedacht, Corona wird mich töten.“ Sie nahm eine Woche frei und fuhr ganz allein auf einen Campingplatz, doch schnell wurde ihr klar: Die Krise könnte länger dauern. „Und ewig verkriechen konnte ich mich ja auch nicht.“

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Kurz darauf machte Brigitte Harder zum ersten Mal nähere Bekanntschaft mit dem Virus: Ihr Sohn steckte sie mit der Delta-Variante an. „Ich sah dauernd die Bilder von den Menschen in den überfüllten Krankenhäusern und bekam immer größere Angst“, erzählt sie. Doch bis auf etwas Schüttelfrost und einem leicht gestörten Geschmackssinn überstand sie die Infektion unbeschadet.

Einige Fahrgäste drohten mir Schläge an, der ganze Bus ging auf mich los.
Brigitte Harder erinnert sich an eine Busfahrt während der Corona-Pandemie

Was für sie jedoch viel schwerer wog: Obwohl lungenkrank, durfte sie nicht geimpft werden. Während um sie herum der große Ansturm auf die ersten Impfstoffe losging, bekam Brigitte Harder von ihren Ärzten nur ein Attest mit einer Befreiung von der Coronaschutzimpfung. „Es bestand die Gefahr eines anaphylaktischen Schocks, der für mich lebensgefährlich hätte werden können“, sagt sie. Auch von der Maskenpflicht war sie befreit. Doch damit ging der Spießrutenlauf erst richtig los.

Das Tragen einer Atemschutzmaske gehörte während der Corona-Pandemie zum täglichen Bild. Weil Brigitte Harder von der Maskenpflicht befreit ist, erlebte sie währenddessen im Bus schlimme Anfeindungen (Symbolbild).
Das Tragen einer Atemschutzmaske gehörte während der Corona-Pandemie zum täglichen Bild. Weil Brigitte Harder von der Maskenpflicht befreit ist, erlebte sie währenddessen im Bus schlimme Anfeindungen (Symbolbild). © FUNKE Foto Services | STEFAN AREND

„Eigentlich hatte ich mich gefreut, denn ich war ja von Corona genesen“, erzählt sie. „Das zählt auch wie eine Impfung.“ Stutzig wurde sie, als der vereinbarte Termin beim Friseur plötzlich abgesagt wurde: „Mir wurde gesagt, ich sei nicht mehr erwünscht“, sagt sie. Am Glühweinstand auf dem Weihnachtsmarkt rief jemand die Polizei, weil Brigitte Harder keine Maske trug. „Ich musste immer wieder mein Zertifikat vorlegen. Die Polizisten riefen sogar bei meinem Lungenarzt an, um sich zu erkundigen, ob das auch stimmt.“

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Schlimme Erlebnisse während einer Busfahrt

Richtig schlimm wurde es während einer Busfahrt: „Dem Fahrer habe ich mein Zertifikat gezeigt, da war alles in Ordnung.“ Doch kurz darauf sei eine junge Familie eingestiegen. Der Vater habe direkt mit dem Finger auf sie gezeigt und sie angeschnauzt: „Setz dich nach hinten in die Ecke!“ Brigitte Harder habe versucht, die Fassung zu bewahren: „Ich wollte dem Herrn ganz ruhig erklären, warum ich keine Maske tragen brauche, aber er hörte gar nicht zu“, sagt sie. „Alle haben mich direkt geduzt, als wäre ich eine Aussätzige.“

Fotoausstellung in der Ko-Fabrik

Die Fotoausstellung „Let‘s talk about discrimination“ wird am Sonntag, 4. Februar, von 15 bis 20 Uhr in der Ko-Fabrik, Stühmeyerstraße 22, eröffnet. Die Bochumer Fotografin Özlem Öztürk-Gerkensmeier zeigt darin 24 Menschen, die unterschiedliche Erfahrungen mit Diskriminierung gemacht haben.

Zur Ausstellungseröffnung sind neben der Fotografin auch ein Großteil der Porträtierten anwesend: „Wir wollen miteinander reden und einander zuhören“, sagt Öztürk-Gerkensmeier. Nach der Eröffnung ist die Fotoausstellung bis 9. Februar täglich (9 bis 13 Uhr) in der Ko-Fabrik zu sehen (außer bei Veranstaltungen) und soll danach weiter durch Bochum wandern.

Um Bus und Bahn zu meiden, sei Brigitte Harder während dieser Zeit viel zu Fuß gegangen. Ein anderes Mal sei die Situation eskaliert: „Der Bus kam von der Cranger Kirmes und war rappelvoll“, erzählt sie. „Einige Fahrgäste drohten mir Schläge an, der ganze Bus ging auf mich los. Ich wurde als Impfgegnerin und Corona-Leugnerin beschimpft.“

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Ihren Friseur hat sie inzwischen gewechselt

Was Brigitte Harder besonders zu denken gab: Diesen „riesigen Hass“, wie sie ihn nennt, habe sie nur von Deutschen erlebt. „Ich war währenddessen in Polen, da waren alle Menschen total nett.“ Auch ihren Friseur hat sie gewechselt, mittlerweile geht sie lieber in einen türkischen Salon. „Dort wurde ich direkt freundlich empfangen.“ So fiel für sie am Ende der Corona-Beschränkungen zwar eine große Last ab, doch eine bittere Erkenntnis blieb: „Die Aggressionen unter den Menschen nehmen zu“, meint sie. „Die Zeiten werden härter.“