Bochum. Früh merkte Pax aus Bochum, dass kein Geschlecht passt. Pax ist non-binär – und bekam deshalb schon Unverständnis, Hass und Prügel zu spüren.
Weder Mann noch Frau: Pax (16) aus Bochum hat schon seit einigen Jahren das sichere Gefühl, keinem dieser Geschlechter anzugehören. Pax bezeichnet sich selbst als „non-binär“, also als ein Mensch, der sich außerhalb der zweigeteilten Geschlechterordnung identifiziert. Für diese Entscheidung musste Pax schon einiges einstecken: Vom Unverständnis der Eltern bis zum blanken Hass und einem körperlichen Angriff reichen die tiefgreifenden Erfahrungen. Doch Pax will diesen Weg trotzdem mutig weitergehen und auch anderen helfen, die ähnlich fühlen: „Man darf niemals die Hoffnung aufgeben“, sagt Pax. „Lasst euch nicht unterkriegen.“
Als Mädchen kam Pax vor 16 Jahren in Weitmar zu Welt, den Geburtsnamen behält Pax für sich. Die Kindheit sei wohl behütet gewesen, und doch stellte Pax schon in jungen Jahren fest, etwas „anders“ zu sein als die anderen. „Ich fand es schon immer blöd, als kleines Mädchen bezeichnet zu werden. Stattdessen habe ich viel lieber typische Jungs-Sachen gemacht.“ Mit dem besten Freund durch den Wald zu toben, gehörte ebenso zur Freizeitbeschäftigung wie ein Ringkampf im Garagenhof. Auch die typische Mädchenkleidung sei irgendwann aus dem Kleiderschrank verschwunden.
Pax (16) aus Bochum lebt weder als Mann, noch als Frau
Je älter Pax wurde, desto größer wurde das Interesse für neue Ausdrucksformen. Pax recherchierte im Internet und fand schnell andere Menschen, die ganz ähnlich fühlen. „Es hat mich überrascht, wie viele das sind. Ich war total fasziniert“, so Pax. Vor etwa drei Jahren habe der Entschluss festgestanden, nicht-binär zu sein: „Das war lange mein großes Geheimnis, von dem keiner wissen durfte.“
Pax ließ sich die Haare abrasieren, änderte den Look und beschäftigte sich weiter intensiv mit diesem neu entdeckten Lebensgefühl. Die Großmutter war die erste, die Pax ins Vertrauen zog: „Meine Oma ist ein ganz toller Mensch“, sagt Pax mit leuchtenden Augen. „Sie nimmt jeden wie er ist.“
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Pax erlebte Misstrauen und Mobbing
Weitaus schwerer sei es gewesen, den Eltern davon zu erzählen. „Mein Vater hat das überhaupt nicht verstanden und hat mich einfach weiter als ‚sein Mädchen‘ bezeichnet, was ich schon längst nicht mehr war.“ Auch in der Schule habe Pax viel Misstrauen bis hin zu offener Ablehnung und Mobbing erfahren: „Viele waren verwirrt. Andere wollten wissen, ob ich mich schon habe operieren lassen. Für mich war das alles total schwer, ich habe mir gar nichts mehr zugetraut.“
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Doch Pax wollte sich nicht beirren lassen, ließ sich fortan mit einem anderen Vornamen ansprechen (Pax stammt aus dem Lateinischen und bedeutet Frieden) und vertrat weiterhin die Meinung, dass jeder Mensch so leben solle, wie er/sie dies möchte. „Wie du aussiehst bestimmt nicht, wer du bist“, meint Pax. Doch dieser so simpel klingende Satz sei wohl für manche Menschen schwer zu ertragen.
Mit Schaudern erinnert sich Pax an einen Vorfall auf dem Schulhof: Während Pax dort einige jüngere Kinder betreute, sei plötzlich ein Jugendlicher aus einer anderen Gruppe losgestürmt und habe Pax ohne Vorwarnung mitten ins Gesicht geschlagen. „Dieser Moment ist bei mir total hängengeblieben“, sagt Pax. Erschütternd sei vor allem, wie schnell die Furcht vor dem scheinbar Fremden in Hass und Gewalt umschlage: „Diese Menschen haben Angst. Sie sehen sich und ihr Wertesystem bedroht“, so Pax. „Da passe ich einfach nicht hinein.“
Pax engagiert sich in der LGBTQ-Bewegung
Seit einer Weile engagiert sich Pax in der LGBTQ-Bewegung (Abkürzung für Lesbisch, Schwul, Transgender und Queer), trägt stolz eine Regenbogenfahne und besucht Demos und Paraden wie den Christopher-Street-Day. Ein großes Interesse gilt dem neuen Selbstbestimmungsgesetz, dass es non-binär lebenden Menschen wie Pax eines Tages ermöglichen könnte, selbst ihren Geschlechtereintrag und den Vornamen ändern zu lassen. Bislang waren dafür hohe bürokratische Hürden wie etwa ein psychologisches Gutachten nötig. Das neue Gesetz könnte vieles leichter machen, doch noch ist es nicht in Kraft.
Fotoausstellung in der Ko-Fabrik
Die Fotoausstellung „Let‘s talk about discrimination“ wird am Sonntag, 4. Februar, von 15 bis 20 Uhr in der Ko-Fabrik, Stühmeyerstraße 22, eröffnet. Die Bochumer Fotografin Özlem Öztürk-Gerkensmeier zeigt darin 24 Menschen, die unterschiedliche Erfahrungen mit Diskriminierung gemacht haben.
Zur Ausstellungseröffnung sind neben der Fotografin auch ein Großteil der Porträtierten anwesend: „Wir wollen miteinander reden und einander zuhören“, sagt Öztürk-Gerkensmeier. Nach der Eröffnung ist die Fotoausstellung bis 9. Februar täglich (9 bis 13 Uhr) in der Ko-Fabrik zu sehen (außer bei Veranstaltungen) und soll danach weiter durch Bochum wandern.
Auch die Eltern hätten mittlerweile ihren Frieden mit Pax‘ neuem Leben gemacht: „Meine Mutter steht voll dahinter.“ Und wie geht es weiter? Pax hofft, eines Tages ein selbstbestimmtes Leben führen zu können, frei von Ängsten und Aggressionen anderer. Dass in der Schule kaum über solche Themen gesprochen werde, sei ein großes Manko. Und Pax denkt oft an den langen Weg, der im jungen Alter von 16 Jahren schon überstanden ist: „Ich will mich nicht immer erklären und beweisen müssen“, meint Pax.