Bochum. Jia-Lin Shi steht kurz vor seinem Master, an die Schule zieht es ihn dennoch. Er möchte Schülern mit Migrationshintergrund Perspektiven eröffnen.
Der Bochumer Jia-Lin Shi hat am 17. Januar 2024 erstmals eine Ruhrgebiets-Schule von innen gesehen. Schließlich kommt er aus dem Münsterland. Was ihn besonders beeindruckte: In seinem Jahrgang auf der Schule im Münsterland machten er und seine Schwester die Hälfte der Schüler und Schülerinnen mit Migrationshintergrund aus. In Dortmund steht er jedoch vor 13 Schülern, allesamt mit Migrationshintergrund.
Jia-Lin Shi ist kein Lehrer und auch kein Referendar. Seit Oktober 2020 studiert er IT-Sicherheit im Master an der Ruhr-Universität Bochum. Neben einem Job als wissenschaftliche Hilfskraft engagiert er sich ehrenamtlich. Gemeinsam mit dem Verein „InteGREATer e.V.“ besucht er Schulen im Umkreis, um Schülerinnen und Schülern Perspektiven aufzuzeigen.
Seine Mutter musste das deutsche Schulsystem selbst erst kennenlernen
Ihn selbst hätten damals Gespräche mit Studenten maßgeblich zu seinem Studium bewegt. Im Rahmen von Schülerakademien hätten diese erzählt und Fragen beantwortet. Das sei wichtig gewesen für Jia-Lin Shi, um überhaupt einmal die Möglichkeiten kennenzulernen.
Der Rückhalt seiner Mutter war zwar stets gegeben, allerdings kannte sie sich nicht mit dem deutschen Schulsystem aus. Geboren in China und aufgewachsen in den Niederlanden, meldete sie Shi und seine Schwester nach der Grundschule fürs Gymnasium, die Realschule und die Hauptschule an, obwohl beide eine Gymnasialempfehlung hatten. „Das zeigt, wie unsicher sie in dem System war“, so Shi.
„Vieles ist schwerer, wenn Familienangehörige nicht in der Nähe sind“
Spätestens ab der Oberstufe habe es inhaltlich und organisatorisch nichts Schulisches gegeben, mit dem seine Mutter hätte helfen können. Auch die Tatsache, dass seine Familie auf der ganzen Welt verstreut ist, empfindet Shi als besonderes Hindernis einer Familie mit Migrationshintergrund.
„Vieles ist schwerer, wenn Familienangehörige nicht in der Nähe sind. Man kann nicht auf sie zurückgreifen“, sagt der Student. Shi hat zwar Familie in China, der Niederlande, Schweiz und den Vereinigten Staaten, aber um die Ecke hat er keine.
Jia-Lin Shi möchte anderen mit seinem Wissen helfen
Mittlerweile hat Shi das System durchgespielt. Sein Masterabschluss steht dieses Jahr vor der Tür, er hat ein Erasmus-Semester in Sevilla erlebt und regelmäßig BAföG beantragt. Auf das Wissen, das er dadurch erworben hat, haben viele Menschen mit Migrationshintergrund, aber auch Schüler aus bildungsfernem Haushalt häufig keinen Zugriff.
„Ich möchte mit Schülern besprechen, was sie in ihrem Leben wollen. Gemeinsam können wir Zukunftsperspektiven entdecken und ausarbeiten“, so Shi. Auch für seine eigene Zukunft hat Jia-Lin Shi große Pläne. Nach dem Masterabschluss möchte er unter Umständen promovieren oder selbst ein Unternehmen gründen. Letzteres aber nur, wenn seine Idee tatsächlich etwas verändert.
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Auch der Bochumer Student profitiert vom Schulbesuch
Der Schulbesuch am 17. Januar war der erste, den Shi mit Integreater durchgeführt hat. Insgesamt sind am besagten Tag neun ehrenamtliche Kräfte an die Schule gekommen. In der Klasse, die Shi besucht hat, trafen drei Integreater auf 13 Schüler.
Für persönliche Gruppengespräche setzte sich nach einer Vorstellung vor der Klasse je ein Ehrenamtler mit drei bis vier Schülern zusammen. Auch Shi habe der Besuch an der Schule bereichert. „Im Endeffekt hilft es, Empathie für verschiedene Lebenssituationen zu entwickeln“, meint er.
Vielleicht ist schon bald eine Bochumer Schule dran
Bisher hat Integreater laut Regionalsprecherin Seyma Nur Çiftçi noch keine Zusage für einen Schulbesuch in Bochum. „Die Resonanz ist noch nicht da“, meint sie. „Wir sind aber weiterhin bemüht, einen Schulbesuch in Bochum durchzuführen.“ Vielleicht ist dann auch Jia-Lin Shi wieder dabei.
Das macht der Verein
Seit 13 Jahren vernetzen sich beim Verein „InteGREATer e.V.“ bundesweit junge Menschen mit Migrationshintergrund. Manche von ihnen sind berufstätig, manche studieren. Gemeinsam gehen sie an Schulen, wo sie Schülerinnen und Schülern mit Migrationshintergrund als Vorbilder dienen möchten. Zeigen: Ihr könnt ähnliche Wege gehen.