Bochum. Wenn Rechte Geheimpläne zur „Remigration“ schmieden, dann fühlt sich Jia-Lin Shi getroffen. Gedanken zu Ausgrenzung und Deutschland als Heimat.

Jia-Lin Shi ist in Berlin geboren, im Münsterland aufgewachsen, heute wohnt er in Bochum. Zu China hat er keinerlei Bezug. Es sind die anderen, die ihn immer wieder dem Land zuordnen. Ihm „Chinese“ hinterherrufen, um zu zeigen, dass er in ihren Augen nie ganz dazugehören wird.

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„Das ist sicherlich nicht positiv gemeint“, sagt Shi. Manchmal, wenn es länger nicht passiert, verdrängt er das Gefühl. Aber nicht für lange, denn Deutschland erinnert ihn immer wieder. „Es tut jedes Mal weh“, so der 25-Jährige. „Ganz egal, ob es ein kurzer Spruch oder eine größere Sache ist.“

Bochumer Student: „Die Ausgrenzung ist spürbar“

Auch letztere hat Shi schon erlebt. In Berlin zum Beispiel. Dort beschuldigte ihn ein älterer Herr während der Pandemie, seine Frau umgebracht zu haben. Währenddessen fuchtelte er wie wild mit einem Regenschirm vor Shis Gesicht herum.

„Die Ausgrenzung ist spürbar“, meint der Bochumer Student der IT-Sicherheit. Zugleich weiß er, dass er in einigen Situationen besser wegkommt, weil er fließend Deutsch spricht. Seine Mutter, die in den Niederlanden aufwuchs, spricht ebenfalls fließend Deutsch, verwechselt aber hin und wieder einen Artikel. Bereits das reiche, um mehr Ablehnung zu erfahren.

Die aufgewendeten Ressourcen überraschen – nicht das Gedankengut

Nach allem, was Jia-Lin Shi in seinen 25 Jahren erlebt und gesehen hat, war er nicht überrascht, als am 10. Januar 2024 ein Geheimtreffen extremer Rechter publik wurde. Darin planten diese laut Correctiv-Recherche die Vertreibung aller Menschen mit Migrationshintergrund aus Deutschland. „Remigration“ nennen sie das beschönigend.

„Wenn man die AfD auf Social Media beobachtet und auch abgesehen davon ihre Aussagen angehört hat, war das wenig überraschend“, findet Shi. „Die Ressourcen, die in das Treffen und die Planung gesteckt wurden, sind vielleicht neu. Das Gedankengut aber nicht.“

Gelegentlich macht sich Jia-Lin Shi Gedanken, ob er Deutschland bald verlassen möchte

Schließlich verkündeten die AfD und andere rechte Strömungen seit Jahren, dass in Deutschland zu viele Menschen mit Migrationshintergrund lebten. „Bei diesem Gedankengut ist Remigration der logische nächste Schritt“, meint Shi.

Getroffen habe ihn die Recherche dennoch. „Diese Debatte macht mich einfach nur traurig“, sagt der Student. Kurz seien Sorgen in ihm aufgestiegen. Er habe überlegt, ob er in verschiedenen Szenarien in Deutschland bleiben möchte.

„Eigentlich kommt Auswandern nicht in Frage, dafür mag ich Deutschland zu sehr. Zumindest so, wie es gerade ist“, so Shi. „Deutschland ist meine Heimat.“

Die Solidarität schenkt Jia-Lin Shi Hoffnung

Und diese Heimat steht gerade auf gegen Rassismus, für Demokratie. Nachdem bundesweit zu verschiedenen Demos gegen Rechts über 80.000 Menschen auf die Straßen gegangen sind, ist es am Freitag, den 19. Januar auch in Bochum so weit. Mindestens 1.000 Menschen werden bei der Demo „Nieder mit der AfD“ mit Start am Kurt-Schumacher-Platz erwartet.

Dass gerade so viel passiert, gibt mir Hoffnung.
Jia-Lin Shi, Student an der Ruhr-Universität Bochum

Diese Solidarität bestärkt Jia-Lin Shi – besonders wegen der Spontaneität trotz ungemütlichen Wetters. „Ich finde es sehr schön zu sehen, wie viele sich an mehreren Orten organisiert haben, über verschiedene Fraktionen und Gruppen hinweg.“ Auch er selbst war in Düsseldorf auf der Straße, zur Demo in Bochum schafft er es zeitlich nicht.

Doch zu wissen, dass sich an diesem Freitag so viele Menschen in seiner Stadt versammeln, stimmt ihn zuversichtlich. „Dass gerade so viel passiert, gibt mir Hoffnung.“

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